Die Entstehung der Musikinstrumentenindustrie in Nauheim von Karl-Heinz Pilz


Mit dem Begriff „ethnische Säuberung“ weiß spätestens durch die Vorgänge im Balkankrieg jeder etwas anzufangen. Vor mehr als fünfzig Jahren bezeichneten es die Deutschen weniger verschleiert schlicht und einfach als Vertreibung. Mit Ende des unseligen 2.Weltkrieges am 8. Mai 1945 begann der Opfergang der Deutschen aus Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei.

Die Westmächte hatten die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten schon während des Krieges erwogen, doch erst auf der Konferenz der Siegermächte in Potsdam (17.7. – 2.8.1945) einigten sich die drei Regierungen von Großbritannien, der USA und der Sowjetunion im berühmten Artikel XIII des Protokolls auf eine humane Rückführung der Menschen im Osten nach Deutschland. Die Westmächte hatten allerdings auf diese „humane Ausweisung“ fast überhaupt keinen Einfluß. Nach heutigen Erkenntnissen haben über zwölf Millionen Menschen ihre Heimat im Osten verlassen müssen. Im Zuge dieser Vertreibung fanden nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden (3) 2.3 Millionen Menschen den Tod. Es handelt sich bei den Toten in der Mehrzahl um Frauen und Kinder und um nicht mehr wehrfähige Männer. Sie starben an Hunger, Erschöpfung und Kälte, auf der Flucht und Vertreibung, in den Arbeitslagern der östlichen Deportationen oder wurden ermordet. Allein aus der Tschechoslowakei waren 272 000 Tote zu beklagen (1).

Die Flüchtlingstransporte (2) in den Westen liefen über die vier Grenzauffangstellen in Bayern und zwar in Piding, Schalding, Wiesau und Furth im Wald. Sie kamen dort in Viehwaggons an mit einem persönlichen Gepäck von max. 50 Kg. Von dort wurden sie auf die Länder der US-Zonen verteilt. Im Jahre 1946 kamen mit 374 Transporten fast 400 000 Ausgewiesene allein aus der Tschechoslowakei nach Hessen.

Dem Vertreibungsgebiet Sudetenland (3) kommt eine besondere Bedeutung zu, die sich aus seinem hohen Industriealisierungsstand vor dem 2.Weltkrieg erklärt. Hier lag der Anteil der Erwerbstätigen im produzierenden Gewerbe mit 51 % weit höher als in der übrigen Tschechoslowakei (33%) oder im Deutschen Reich (41%). Die Hauptzentren der sudetendeutschen Wirtschaft waren in der nordböhmischen Gebirgsumrandung zu finden. Die Konsumgüterindustrien, insbesondere die Textilbranche, die Glas- und Musikinstrumentenherstellung lagen fast ausschließlich in deutscher Hand. Durch die Vertreibung wurden die Musikinstrumentenmacher in alle Winde zerstreut. Die meisten fanden in den bayrischen Orten Bubenreuth, Neustadt/Aisch, Waldkraiburg und Geretsried oder in Winnenden/Württemberg eine neue Bleibe.

Aber auch der bisher mehr nach der Agrarwirtschaft ausgerichtete hessische Ort Nauheim bei Groß-Gerau kam durch Zufall mit der Musikindustrie in Verbindung. Wie Ortrud Becker für ihr Buch „Geflüchtet, Vertrieben, Aufgenommen“ 1990 recherchierte , kamen im April 1946 die ersten Heimatvertriebenen aus dem Sudetenland nach Nauheim. Es waren vor allem Frauen und Kinder, aber keine Männer die für den Wiederaufbau notwendig gewesen wären. Es mußte hier Abhilfe geschaffen werden. Richard Schuh erinnert sich, daß der Nauheimer Bürgermeister Heinrich Kaul IV. mit dem Gemeindeangestellten Diehl ins Auffanglager nach Sandbach (Odenwald) kam, um sich dort nach Arbeitern umzusehen. Er wurde fündig und am 3.Juni 1946 trafen 41 Heimatvertriebene vor allem aus Schönbach in Nauheim ein. Darunter befanden sich Maria Marek, die Bürgermeister Kaul auf die eine neue Existenz suchenden Musikinstrumentenmacher ihrer verlassenen Heimat aufmerksam machte.

Auch Anna Sandner die mit ihrem Mann, dem Geigenbauer Franz Sandner, in Tennenlohe bei Erlangen Unterkunft gefunden hatte, besuchte Nauheim, hörte von den Plänen des Bürgermeisters und war an einer Umsiedlung interessiert. Heinrich Kaul IV. erkannte in weiser Voraussicht die industrielle Chance für seine Gemeinde und richtete am 14.7.1946 einen Brief an den Regierungspräsidenten in Darmstadt mit der Bitte, die Instrumentenmacher Sandner, Winter, Himmer, Glassl, Schuh, Neubauer, Schösser, Dotzauer und Lang nach Nauheim einzuweisen. Die Genehmigung wurde erteilt und am 23.7.1946 fuhr ein Lastwagen in Richtung Erlangen, um die ersten Schönbacher Musikinstrumentenbauer nach Nauheim zu holen.

Bereits am 15.8.1946 meldete Franz Sandner die Wiedergründung seines Unternehmens für Musikinstrumentenerzeugung im Gewerbetagebuch der Gemeinde Nauheim an. Es muß darauf hingewiesen werden, daß die Gründungsdaten im Nauheimer Gewerbetagebuch und die Angaben in der Festschrift „10 Jahre Musikinstrumentenindustrie in Nauheim“ nicht übereinstimmen.
Franz und Anna Sandner gründeten ihr Unternehmen 1924 in Schönbach. Es war dies das erste Musikinstrumentenunternehmen das in Nauheim seine Arbeit aufnahm. Die erste Produktionsstätte fand man in der Bahnhofstraße 60, einem Nebengebäude vom „Hessischen Hof“. Später errichtete man eine neue Fertigungsstätte in der Rheinstraße 4, wo man auch heute noch ist. In den 60er Jahren lag der Produktionsschwerpunkt bei Elektro- und Konzertgitarren. Man fertigt heute in erster Linie Violinen, Violen und Celli.

Es sprach sich 1946 schnell herum, daß die Gemeinde Nauheim den heimatvertriebenen Instrumentenbauern einen Anreiz bot sich eine neue Existenz aufzubauen. Auch aus Graslitz zogen nun einige Instrumentenmacher zu.
Die Vertriebenen hatten große Schwierigkeiten sich an dem neuen Standort zurechtzufinden. Sie kamen überwiegend aus Schönbach, sowie Graslitz und Umgebung nach Nauheim. Ihre alte Heimat gehörte zusammen mit den auf sächsischem Gebiet liegenden Städten Klingenthal und Markneukirchen zum berühmten erzgebirgischen Musikwinkel. Die Landschaft war also völlig unterschiedlich zum Nauheimer Flachland. Sie ertrugen aber mit Duldsamkeit die oft menschenunwürdigen Umstände bei der Aufnahme, denn Wohnraumnot herrschte auch in Nauheim, und die Bürger waren verständlicherweise nicht begeistert, wenn sie Zwangseinweisungen ganzer Familien erhielten. Zuerst waren die Vertriebenen davon überzeugt, bald wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können. Nach und nach setzte sich jedoch der natürliche Selbsterhaltungswille in den meisten Fällen gegen den Vetreibungsschock durch und man wandte den Blick wieder in die Zukunft. Sicher half auch bei vielen Menschen die Musik zu einem großen Teil über die Wunden hinweg, welche die vergangenen Ereignisse geschlagen hatten.

Unter den Neuankömmlingen waren auch die Familien Josef Köstler und Franz Weck, die nach einer Irrfahrt in der Sowjetzone über Torgau/Elbe, Delitzsch und dem Auffanglager Moschendorf bei Hof am 2.10.1946 in Nauheim eintrafen. Willi Köstler, der Bruder von Josef Köstler, der nach Bayern ausgewiesen wurde, hatte für die Familien Köstler und Weck die Zuzugsgenehmigung nach Nauheim erreicht. Man wurde vorläufig im Saalbau Ruhland einquartiert. Acht Tage darauf kamen die Verwandten von Köstler, die Familien Kroner, Meinl und Pilz am Bahnhof in Nauheim an. Auch wir verbrachten die erste Nacht im Saalbau Ruhland. Die Wirtin Frau Ruhland hatte ein gutes Herz und hat uns erstmals ausreichend verköstigt. Ich habe dies Frau Ruhland nie vergessen. Die Köstler-Familien waren fest entschlossen, die in Graslitz verlorene Fabrikation für Mundharmonikas und Akkordeons, die 1891 von Johann Köstler gegründet wurde und 300 Personen beschäftigte, in Nauheim sofort wieder aufzubauen. Auf Grund der mir vorliegenden Biographie von Josef Köstler (5) und anhand der Tatsache, daß meine Mutter Adrienne Pilz, eine Schwester der Brüder Köstler, bis 1.7.1951 Mitinhaberin des Unternehmens war, möchte ich versuchen den weiteren Fortgang der Firma zu schildern.

Am 3.10.1946 wurde die Firma Köstler & Co. angemeldet. Noch am gleichen Tag war Herr Josef Köstler mit Herrn Bürgermeister Kaul unterwegs um eine Fabrikationsmöglichkeit in Nauheim zu finden. Zuerst wurde die SKV-Halle und der Saalbau Ruhland in Erwägung gezogen, doch beide Besitzer gaben aus verständlichen Gründen nicht ihr Einverständnis. Als Provisorium mußte man mit verschiedenen Stellen vorliebnehmen, wo die Fertigung mit 6 Beschäftigten begann .Im Anwesen Volz, Bahnhofstraße 29 war die Schlosserei untergebracht. Das Büro befand sich bei der Familie Schaffner in der Bahnhofstraße und die Galvanik war von 1946 bis 1952 in der Werkstatt der Familie Engroff, Hügelstr. 23. Da man keine Schreinerei besaß wurden die Arbeiten von der Schreinerei „Klier & Niedermayer“, Hintergasse 1 durchgeführt. Einige Wochen später konnte man den Tanzsaal der Gaststätte „Zum Hirsch“ mieten, unter der Bedingung, daß die Nauheimer Feuerwehr freitags dort weiter ihre Musikproben abhalten konnte. Die Familie Metz bot dann an, ihren Rohbau in der Carlo-Mierendorffstraße 41 auf Firmenkosten auszubauen und einen 180 qm Fabrikationsraum anschließend zu mieten. Für die Fabrikation von Mundharmonikas benötigt man selbstverständlich Bandeisen, das jedoch zu jener Zeit nur unter größten Schwierigkeiten zu erhalten war. In der Not wandte man sich an die Firma Opel in Rüsselsheim und erhielt die Genehmigung, aus dem Schrott Material herauszusuchen um daraus Stimmplatten zu stanzen. Um das nötige Messing zu erhalten, hatte man aus der Sowjetzone 200 Kg. Messingabfälle mitgebracht und im Tausch erhielt man von den Wieland-Werken, Ulm Messing für die Stimmplatten. Sorgen bereitet auch der bescheidene Maschinenpark. Herr Josef Köstler hatte das Glück, in Nürnberg einen ehemaligen Geschäftsfreund zu treffen, Herr Eckard aus New York, der sich in dieser Notlage für die Firma Köstler einsetzte und seinen Freund Martin Fuchs in Zirndorf ersuchte der Firma Köstler eine Exenterpresse und einige Spindelpressen zu leihen. Der Schlosser der Firma Köstler Herr Lorenz, gab eine Gastrolle bei der Firma Faulstroh in Groß-Gerau um für Köstler eine Hölzerfräsmaschine zu bauen. Es fehlte an Hölzern, denn alleine mit Stimmplatten konnte man keine Mundharmonikas herstellen.

Nach einigen Wochen standen die ersten Harmonikas zur Verfügung und es konnte der Verkauf begonnen werden. Die Firma Hohner, die in der französischen Zone fertigte mußte alle ihre Erzeugnisse an die französische Besatzung abliefern. Das war der Vorteil von Köstler der dadurch Alleinhersteller in der amerikanischen Zone war und trotz der noch nicht optimalen Qualität gute Preise auf dem Markt erzielen konnte. Bis zur Währungsreform taten sich die Heimatvertriebenen besonders schwer, da die wenigsten etwas zu „schrotteln“ hatten. Immer neue Anforderungen wurden an die Firmen gestellt, auch an Köstler. Um die Beschäftigten zu halten mußte eine Werksküche eingerichtet werden. Die Personen, die in der Landwirtschaft Aufnahme und Arbeit fanden erhielten zwar nur einen geringen Lohn von 10 bis 20 Reichsmark, doch die Verpflegung hatten sie meistens umsonst und das war in der damaligen Zeit wichtiger als alles andere. Die Naturalien für die Werksküche mußten gegen Musikinstrumente eingetauscht werden. Im August 1947 konnte Josef Köstler zusammen mit seinem Sohn Hans erstmals die Messe in Hannover besuchen. Aus finanziellen Gründen konnten nur 1 qm Ausstellungsraum in Anspruch genommen werden, die der Firma Köstler nach langen Bitten auch zugestanden wurde. Trotz des kleinen Ausstellungsstandes konnten 12 Kontrakte für Mundharmonikas und Akkordeons, alles Exporte nach USA, Nigeria, Belgisch Kongo, Australien, Neuseeland und Kanada, abgeschlossen werden.
Man fand bald heraus was verlangt wurde und stellte die Fertigung darauf ein. 1947/48 konnten zwei Baracken erworben werden, die in der Muschel, in der Nähe der heutigen Graslitzer Straße zur Aufstellung kamen. Die eine Baracke stammte aus Ziegenberg bei Bad Nauheim, dem letzten Führerhauptquartier bei der Ardennenoffensive 1944 und die andere kam aus dem Internierungslager in Darmstadt, und mußte schon in DM bezahlt werden. Die Hessische Regierung hatte von Anfang an viel Verständnis für die Industrie der Heimatvertriebenen und besonders Herr Regierungsrat Montua bewilligte willkommene Kredite. Den ersten Kredit erhielt die Firma Köstler über 50.000 RM, doch bis zum 20.Juni 1948, dem Tag der Währungsreform waren davon nur 9.000 RM verbraucht, da man nichts kaufen konnte. Das Geld war in einer Hinsicht wertlos, niemand wollte Geld, sondern immer nur Ware, so daß fast alle zu „Schwarzhändlern“ wurden. Mainz lag bereits in der französischen Zone und Josef Köstler erhielt als „ Reparateur“ (Instrumente ausbessern und wiederherstellen) einen Passierschein und konnte nun Musikinstrumente gegen Wein, Kaffee und Zigaretten eintauschen.
Mit Einführung der Deutschen Mark am 20.6.1948 wurde alles anders und die Schaufenster füllten sich über Nacht wieder mit Waren , an die man vier Wochen vorher noch nicht zu denken wagte.

Vom Jahr 1949 an bis Mitte 1950 ließen die Geschäfte etwas nach. .Man konnte sich nun dem Aufbau widmen und auch wieder eine Fertigungsqualität erreichen, die den Anforderungen des Auslandes gerecht wurde. Aber man litt nach wie vor daran, daß man zuwenig Facharbeiter einstellen konnte. Bezeichnend für die Situation ist ein Schreiben der Firma Köstler vom 11.Mai 1950 an das Flüchtlingsministerium in Bonn. Ich zitiere wie folgt: „Im Sommer 1946 wurden wir aus Graslitz, C.S.R. ausgesiedelt und nach langem Suchen in der ganzen Westzone zeigte der Bürgermeister von Nauheim für die Musikinstrumentenindustrie großes Interesse und wir erhielten durch ihn die Zuzugsgenehmigung. Als wir nach Nauheim kamen, war außer einem alten Tanzsaal kein Fabrikationsraum vorhanden, so daß die Musikinstrumentenerzeuger teilweise in Sommerküchen und alten Scheunen ihre Werkstätten einrichten mußten. (…) Wir beschäftigen bereits 132 Fabrikarbeiter und 30 Heimarbeiter wovon sich die letzteren auf das ganze Bundesgebiet aufteilen. Mehrere davon leben noch in Flüchtlingslagern und arbeiten unter großen Schwierigkeiten und Hemmnissen und teils zum Ärger der anderen Lagerinsassen.(…) Vor zwei Jahren sollten für die Facharbeiter der Musikinstrumentenindustrie 48 Wohnhäuser gebaut werden, doch bis heute sind nur 10 errichtet worden und selbst in diesen 10 Wohnhäusern mußte ein Teil für Altbürger zur Verfügung gestellt werden.(…) 95% unserer Erzeugnisse werden nach dollarstarken Ländern exportiert, was ein Beweis ist, daß Qualität und Preislage unserer Ware konkurrenzfähig sind. Es wäre deshalb im Interesse der ganzen Gemeinde und nicht zuletzt des Staates, wenn ein größerer Wohnhausblock für Fachkräfte der Musikinstrumentenindustrie und Musikspielwarenbranche errichtet würde, so daß unsere früheren Betriebsangehörigen, welche teilweise in der Landwirtschaft und als Hilfsarbeiter tätig sind, oder in fremden Berufen stehen, viele arbeitslos sind und dem Staat zur Last fallen, hier angesiedelt werden können. (…)

Da in absehbarer Zeit damit zu rechnen ist, daß die Bundesrepublik weitere Handelsverträge mit England und südamerikanischen Staaten abschließen wird, bestehen die besten Chancen für unsere Industrie und es wäre dringend notwendig, wenn hier auf dem Gebiet des Wohnungsbaues nicht nur geplant, sondern die Pläne auch in Tat umgesetzt würden (…).“(4)

Im 2.Halbjahr 1950 zog das Geschäft wieder an und man konnte mit Hoffnung in die Zukunft sehen. Auch die Erweiterung der Fertigungsräume mußten mit der Entwicklung Schritt halten und so entschloß man sich 1949 ein Fabrikationsgebäude zu bauen das längs der heutigen Schillerstraße verlief. Schon der Aushub machte uns Kindern gewaltigen Spaß. Wir legten uns unter das Transportband, mit dem der Sand aus der Baugrube geschafft wurde und ließen den Sand auf unsere Körper fallen. Kritisch wurde es nur ,wenn ab und zu größere Steinbrocken über das Laufband kamen. Auf Pfiff rollten wir uns dann schnellstens zur Seite. Das waren unsere damaligen bescheidenen Kinderfreuden, heute wäre das wegen der Sicherheitsvorschriften undenkbar.

Als Tag mit der schwarzen Wolke ist mir der 19. November 1950 in Erinnerung, Mit meinem Onkel, Willi Köstler waren wir im Auto von Otto Metz, einem alten Opel P 4, gerade auf dem Heimweg vom Oberligaspiel SV Darmstadt 98 – 1.FC Nürnberg 2 : 3. Schon aus weiter Ferne sahen wir einen riesigen Rauchpilz über Nauheim. Onkel Willi hatte nun größte Sorgen, daß die Firma Köstler vom Brand betroffen sein könnte. Otto Metz mußte aus seinem Opel „rausholen“ was „rauszuholen“ war. Als wir dem Firmengelände näher kamen sahen wir, daß das Fertigungsgebäude der Firma Blohberger brannte. Die in der Nähe stehenden Köstler-Baracken waren aber auch mehr als gefährdet ebenso wie das Anwesen der Firma Winter. Die Bewohner der Barracken waren bereits beim Ausräumen ihrer Wohnungen. Auch die Maschinen wurden eiligst ins Freie geschafft, da mit einem Übergreifen des Feuers gerechnet werden mußte, was „Gott sei Dank“ nicht geschah. Im Frühjahr 1951 wurde mit dem Querbau des Betriebsgebäudes begonnen, es ging also aufwärts.
Im August 1951 wurde auch die 1100 Jahrfeier der Gemeinde Nauheim gefeiert. Namhafte Persönlichkeiten statteten der Gemeinde aus diesem Grunde einen Besuch ab und vergaßen nicht, auch die hier ansässigen Musikinstrumentenfirmen aus dem Sudetenland aufzusuchen. Unter anderem erschien auch eines Tages Regierungsdirektor Wenzel Jaksch vom hessischen Innenministerium mit einer Gruppe führender Politiker aus England, darunter auch der letzte englische Kriegsminister, der einige Erzeugnisse kaufte.
Für die 1100-Jahr-Feier wurde für die damaligen Verhältnisse ein großer Festzug organisiert, an dem auch die Firma Köstler mit zwei Gruppen beteiligt war. Ein Wagen zeigte die Firmenerzeugnisse in vergrößerter Ausführung und auf dem zweiten Wagen konzertierte die Köstler-Betriebskapelle. Für viele Zuschauer war ein Mundharmonika-und Akkordeonorchester unbekannt, bisher gab es dies nur in Sachsen und in Württemberg. Es war dies nicht das einzige Betriebsochester in Nauheim. Soweit ich mich erinnern kann, hatten auch die Firmen Keilwerth, Schreiber und Himmer & Sandner eigene Betriebsorchester deren Musikanten sich aus den Betriebsangehörigen rekrutierten.

Nach Fertigstellung des Querbaus konnte am 4.Dezember 1951 das 60- jährige Betriebsjubiläum gefeiert werden. Zu diesem Anlaß fanden sich wiederum einige Persönlichkeiten aus Politik und Kommune ein, die voll des Lobes über die bisher geleistete Arbeit waren. Auch die Presse und der Rundfunk waren vertreten. Es war eine würdige Feier. Im Jahre 1952 konnten auch die Mustermessen in Frankfurt und Nürnberg besucht werden wo gute Ergebnisse zu verzeichnen waren. Aufgrund der guten Beschäftigungslage konnte die Belegschaft auf 300 Personen erhöht werden, bei einem jährlichen Umsatz von über 2 Mio. DM. Fast 95 Prozent aller Erzeugnisse gingen ins Ausland.

Herr Josef Köstler erhielt am 27.11.1952, für seine Verdienste um den Wiederaufbau, das „Verdienstkreuz am Bande“ von Bundespräsident Theodor Heuss. Die Überreichung erfolgte durch den Hessischen Regierungspräsidenten Arnoul.

Die Nähe zur Firma Opel war jedoch nicht zu verleugnen und es wurde immer schwieriger Facharbeiter zu bekommen. Die Firma Opel zahlte Spitzenlöhne mit denen die Nauheimer Musikinstrumentenmacher nicht konkurrieren konnten Man ging nun daran in Knittlingen und Freudenberg am Main Ausgabestellen für Heimarbeiter einzurichten, weil der Facharbeitermangel immer größer wurde. Mittlerweile wurde ein PKW und ein kleiner Lieferwagen gekauft um beweglicher zu sein. Man lag bei einer Erzeugung von 4000 Mundharmonikas wöchendlich. Der Ausstoß der Handharmonikas lag bei 200 Stück. Im Jahre 1955 wurde ein 18m hoher Silo errichtet, der zeitweilig als Wahrzeichen von Nauheim galt, um den Mitarbeitern staubfreie Werkräume zu bieten, auch eine Halle zum Lagern von Hölzer wurde in Angriff genommen. Im selben Jahr wurde auch mit der Herstellung kleiner Orgeln begonnen. Kurze Zeit später nahm auch die Firma Hohner,Trossingen diese Orgeln in ihr Programm. Nun sah sich die Firma Köstler gezwungen mit dem Bau größerer Tischorgeln und Harmophone zu beginnen.
Am 14.9.1962 verstarb der Seniorchef Josef Köstler, was nicht nur für die Firma ein großer Verlust war. Immerhin war Herr Köstler, neben Bürgermeister Kaul, einer, wenn nicht sogar der wichtigste, Wegbereiter der Musikinstrumentenindustrie in Nauheim. Inzwischen machte sich die Konkurrenz aus unserer alten Heimat, der Tschechoslowakei, der Sowjetzone und aus Japan bemerkbar. Diese Länder gaben staatliche Zuschüße zwischen 30 und 40 % , so daß die deutschen Musikinstrumentenhersteller unter großen Wettbewerbsdruck gerieten. Um genügend Platz für die Orgelfertigung zu schaffen wurde der erste Bau nochmals aufgestockt. Doch die Schwierigkeiten wurden immer größer. Die Instrumente aus den Billiglohn-Ländern überschwemmten den deutschen Markt und ließen den deutschen Herstellern immer weniger Luft zum Atmen. Auch bei Köstler mußte man sich Gedanken machen. Man sah auf Dauer nur eine Chance in der Zukunft, wenn man Personal abbaute und sich auf neue Produkte umstellte. Im Jahre 1973 nahm man von der traditionellen Fertigung von Musikinstrumenten Abschied und stellte nach und nach auf die Herstellung von Kunststoff-Preßteilen für die Automobilindustrie oder andere früher artfremde Branchen um. Im Jahre 1987 lag der Umsatz bei 22 Millionen DM bei einer Beschäftigtenzahl von 200 Personen. Mit der Musikindustrie hatte man nichts mehr zu tun, man verstand sich in erster Linie als Zulieferer der Automobilindustrie.

Die dritte Musikinstrumentenfirma die sich in Nauheim niederließ, war die Firma Wenzel Schreiber & Söhne. Vor dem Krieg war Herr Schreiber bei Firma Püchner in Graslitz beschäftigt. Ausgesiedelt wurde die Familie Schreiber nach Trendelburg/Oberhessen. Herr Hugo Schreiber (7) kann sich gut daran erinnern, daß sein Vater auf der Suche nach einer neuen Beschäftigung, zum Arbeitsamt nach Hofgeismar kam und dort ein Schreiben vom Arbeitsamt Groß-Gerau ausliegen sah. Darin wurden Flüchtlinge, für die Ansiedlung der Musikinstrumentenindustrie in Nauheim gesucht . Herr Schreiber setzte sich umgehend in den Zug und fuhr nach Nauheim. Das hört sich sehr leicht an, aber eine Zugfahrt in den Jahren 1945-48 glich einem mittleren Abenteuer. Nach Ankunft nahm er die Gelegenheit wahr und gründete in Nauheim am 10.Oktober 1946 eine neue Firma, Wenzel Schreiber, Holzblasinstrumentenfertigung Die erste Produktionsstätte lag in der Hintergasse 1, in einem der vorderen Ställe. Unter der gleichen Adresse war bereits die Firma Klier&Niedermayer etabliert. Die Größe des Raumes betrug genau 6 qm. Der erste Arbeiter der Firma Schreiber war Wenzel Scherbaum, dessen Sohn Franz später Konzertmeister am Staatstheater in Wiesbaden werden sollte. Zunächst beschränkte man sich auf Reparaturen an Holzblasinstrumenten. Danach zog man in Rathausstraße 14 und es wurden die ersten Blockflöten hergestellt. Zuvor mußte selbstverständlich ein entsprechendes Werkzeug gebaut werden um überhaupt Löcher in die Blockflöte bohren zu können. Jede Woche wurde der Rucksack geschnürt und der Versuch unternommen, die Blockflöten in Wiesbaden an den Großhandel zu verkaufen. Die dritte Werkstätte lag in der Waldstraße 17 bei Familie Engroff wiederum in einem Stall und die vierte Station war beim Fahrrad-Neumann in der August-Bebel-Straße 3. Man verfügte inzwischen über 5 Beschäftigte. Am 3. Juni 1951 wurde das erste Schreiber-Fagott angeblasen. Presse und Rundfunk berichteten groß darüber . Die ersten 4 Fagotts gingen in die USA.

Ab 8.8.1951 firmierte man unter dem neuen Firmennamen Schreiber Wenzel & Söhne. Auch Herrn Wenzel Schreiber wurde am 27.11.1952, für den Wiederaufbau, mit dem „Verdienstkreuz am Bande“ von Bundespräsident Theodor Heuss, geehrt.

Mit Recht wiesen Hugo Schreiber und auch Albert Winter darauf hin, daß der Fertigungsstandort Nauheim keineswegs ideal war. Das Gebiet um Nauheim war hoch industrialisiert und es wurden hier Löhne und Gehälter bezahlt, wie es in Deutschland fast ohne Beispiel war. Auf der anderen Seite war man dadurch gezwungen, immer wieder zu rationalisieren und sich neue Gedanken zu machen um mit dem Wettbewerb mithalten zu können.
Im April 1953 zog man in die heutigen Produktionsräume in die „Muschel“, in der Industriestraße 17 und 1954 wurde mit Produktion von Klarinetten begonnen. Mit einer Fertigung bis zu 2400 Klarinetten im Monat war Schreiber im Jahre 1975 Europas größter Hersteller dieser Instrumente. Hinsichtlich der im selben Jahr monatlich gefertigten 70 bis 80 Fagotts war Schreiber zu dieser Zeit sogar der Welt größter Hersteller. Die Produktion von Blockflöten wurde 1982 eingestellt, nachdem sich Schreiber 1969 dem multinationalen Konzern „Boosey & Hawkes“ anschloß. 1987 lag der Exportanteil der Erzeugnisse bei ca. 70 Prozent, die Instrumente gingen in alle Welt.
Nach der Wende 1989 wurden weitere Niederlassungen in Erlbach und Markneukirchen im Sächsischen aufgebaut. Am 2.12.1991 wurde Herr Hugo Schreiber mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Den größten Produktionsausstoß der Firmengeschichte erzielte man im Jahr 1999, allein in diesem Jahr wurden 50 000 Klarinetten hergestellt. Während man im Jahr 2000 in Nauheim 200 Mitarbeiter hat, gehen in Erlbach 70 und in Markneukirchen 20 Beschäftigte ihrer Arbeit nach.

Am 25. Oktober 1946 wurde die Firma Klier & Niedermayer, Tonholzhandlung und Schreinerei angemeldet. Bereits 1882 wurde die Firma Klier in Schönbach bei Eger gegründet. Man begann zusammen mit der Schreinerei Niedermayer in der Hintergasse 1. Anfangs verfügte man lediglich über eine gebraucht Hobelmaschine und eine Kreissäge. Man verarbeitete einheimische Hölzer wie Ahorn, Weißbuche und Birnbaum, die am Ort zu erhalten waren. Hieraus wurden nun Teile für Geigen gefertigt. Auch Kanteln (Rohlinge) für die Flötenfertigung wurden hergestellt. Durch das gemeinschaftliche Auftreten der Musikindustrie konnten auch Finanzmittel aus dem „Marshallplan“ und aus dem „Lastenausgleich“ erreicht werden, so daß man bereits zu Weihnachten 1952 das eigene Betriebsgebäude in der Industriestraße 15 beziehen konnte. Mit dem Umzug erfolgte nun die Trennung von der Schreinerei Niedermayer und man firmierte jetzt unter dem Namen Karl Klier & Co. Nun begann man auch mit der Fertigung von Griffbrettern für Streichinstrumente die auf selbst entwickelten Maschinen gefertigt wurden. Die Firma Klier erfüllte eine sehr wichtige Funktion im Rahmen der Nauheimer Musikinstrumentenfertigung. Zur Herstellung der Holzblasinstrumente benötigt man sehr lang gelagertes und trockenes Holz. Die Edelhölzer werden zum großen Teil von der Firma Klier aus dem Ursprungsland wie Afrika und Südamerika importiert. Die meist verwendeten Holzarten sind Ebenholz für Griffbretter, Grenadill und Cocobolo für Klarinetten und Oboen, Ahorn und Birnbaum für Flöten und Fagotte sowie in geringem Umfang Spezialitäten wie verschiedene Palisanderarten für Gitarren, orffsches Instrumentarium und Holzblasinstrumente. Laut Auskunft von Norbert Niedermayer verfügte man über die höchste Mitarbeiterzahl Anfang der 70er Jahre mit 10 Beschäftigten. . 1969 und 1970 wurde man durch den Tod von zwei Familienmitgliedern schwer getroffen, der Betrieb wurde jedoch weitergeführt. Seit 1988 leitet Norbert Niedermayer den Betrieb in der 4. Generation. Im Jahr 2000 werden jährlich Teile für
ca. 100 000 Streichinstrumente hergestellt.

In der Darstellung über die Firma Karl Klier & Co. kam zum Ausdruck, daß man in den Genuß des „Marshallplans“ nur deshalb kam, weil die Musikindustrie in Nauheim gemeinschaftlich auftrat. Wie es dazu kam geht aus dem nachfolgendem Protokoll vom 2.November 1946 hervor, das der Autor im Archiv der Gemeinde Nauheim Abt. XXIII, Konvolut 9, Faszikel 27, fand.

Im November 1946 und zwar am Samstag, den 2.11., begannen gleich zwei Firmen mit der Fertigung in Nauheim. Zunächst wurde die Firma Josef Wilfer, Baß- und Cello-Erzeugung ins Firmenregister eingetragen. Die Firma wurde ursprünglich im März 1932 in Schönbach gegründet. In Nauheim begann Josef Wilfer mit seinem Sohn Kurt in der Bahnhofstr.14, dann verlagerte man die Fertigung in einem kleinem Raum bei Familie Kuhlmann in der Königstädter Straße 11, einer ehemaligen Schusterwerkstatt. Man zog nochmals in eine größere Produktionsstätte bei der Familie Jung in der Wilhelm-Leuschner-Straße 13 um. Im Jahre 1952 konnte man endlich ins eigene Wohnhaus mit Werkstatt in der Schillerstraße 22 ziehen. Dreizehn Jahre später 1965 hatte der Betrieb 5 Personen die sich mit der Herstellung von Violinen, Violas, Celli und Kontrabässen beschäftigten. Während der Familienbetrieb vor 1959 die Produkte an Zulieferer für Exporteure abgab, wurden die Instrumente ab diesem Zeitpunkt direkt exportiert. Der Ausfuhranteil betrug rund 80 Prozent. Den Höhepunkt erreichte die Produktion im Jahre 1965, als monatlich 12 Kontrabässe die Werkstatt verließen. Seit 1975 werden nur noch Einzelanfertigungen für Solisten und Orchester hergestellt. Hier werden Meisterinstrumente nach Vorlage gebaut . Kurt Wilfer verläßt sich nun auf seine Söhne Franz und Andreas. 150 bis 200 Stunden benötigt man zum Beispiel um einen Kontrabass in Gamben- oder Violinform herzustellen. Es kommt nur Holz für die Bearbeitung in Frage, das mindestens 20 Jahre gelagert ist.

Am selben Tag wie Josef Wilfer startete auch Robert Spinnler, in der Carlo-Mierendorffstr.24 mit seinem Geschäft für Blechblasinstrumente und Maschinenbau . Dann zog man in die Wilhelm-Liebknecht-Str. 4. Robert Spinnler übergab die Fertigung an seinen Sohn Emil am 1.1.1955 . Mit dessen Tod am 12. Dezember 1993 fand die Musikherstellung in dieser Firma ein Ende.

Drei Tage später am 5. November 1946 wagte die Firma Richard Glassl, Gitarren- und Mandolinenfertigung den Schritt ins Unternehmertum. Seine Werkstatt hatte er in der Mühlstraße 1 und in der Taunustr. 6. Unter den Musikinstrumentenherstellern findet man diese Firma heute nicht mehr. Die Menschen waren damals verzweifelt durch die Vertreibung. Gleichzeitig brachten aber viele den Mut auf eigene Wege zu gehen und dem Risiko ins Auge zu sehen. Sie nahmen die Chance wahr und versuchten ihr Glück.

Angesichts der schwierigen Wohnungslage formulierte Bürgermeister Kaul am 1o.November 1946 seinen berühmten Aufruf an die Solidarität der Bevölkerung zur Bereitstellung von Wohnraum(4). Kaul schreibt in diesem Aufruf: „ Wir stehen vor einem gewaltigen Trümmerhaufen, materieller und geistiger Art, den wegzuräumen das allerdringlichste Gebot der Stunde ist. (…) Nun kommen noch viele Millionen Deutsche aus den Ostgebieten hinzu. Diese müssen bei uns aufgenommen werden und Wohnung haben. Denkt daran, daß es umgekehrt sein könnte und wir heute als Flüchtlinge hungernd und frierend vor den Häusern der heute zu uns kommenden stehen könnten und um Aufnahme bitten müßten“. Kaul bat weiter darum, die Wohnungen mit den Heimatvertriebenen zu teilen und nicht darauf zu warten, bis die Wohnungen von Amts wegen frei gemacht würden. So würde die ohnehin schwere Arbeit der Wohnungskommission erleichtert.

Die Firma Jakob Winter stammt aus Schönbach mit Gründungsdatum von 1887 (9). Im Jahre 1928 kaufte man die Firma Franz Eckert in Graslitz auf und man hatte insgesamt 60 Beschäftigte. Während man in Schönbach nur Etuis für Geigen herstellte, fertigte man in Graslitz Etuis für alle anderen Musikinstrumente. Am 8.11.1946 kamen die Familien Lorenz Winter, Willi Köstler, Otto Blohberger und Hans Borucker mit ihrem ganzen Hab und Gut auf einem Holzvergaser-LKW mit Anhänger, der Firma Brenner, Groß-Gerau vom Gebiet des Starnberger Sees nach Nauheim. Richard Schuh als Mitfahrer und Willi Köstler saßen auf dem Hänger im Rauch des Holzvergasers. Als sie in Nauheim ankamen, sahen beide aus wie Schornsteinfeger. Schon 3 Tage danach am 11.11.1946 wurde die Firma Jakob Winter wiedergegründet. Wo Musikinstrumente gebaut wurden, durfte natürlich die dazu gehörende Verpackungs- bzw. Etui-Fertigung nicht fehlen. Die erste Fabrikationsstätte war in einem Saal des 1839 erbauten alten Schulhauses, in der Schulstr. 4, das heute nicht mehr steht (11). Die ersten Arbeiter waren Hans Borucker und Wilhelm Wohlrab. Da zur Etui-Fertigung eine Schreinerei unablässig ist, nahm man Kontakt zur Schreinerei Adam Schneider, Waldstraße 3 auf. Herr Schneider kam der Firma Winter großzügig entgegen, so daß dort die notwendigen Maschinenarbeiten durchgeführt werden konnten. Begonnen wurde mit der Fertigung von Geigenkästen, später kamen Trompetenetuis hinzu. Inzwischen hatte man 10 Mitarbeiter und im Jahre 1950 zog man mit der Produktion in die Graslitzer Straße 10 um. 1987 hatte man wieder eine Belegschaft von 80 Arbeitern und der Exportanteil stieg auf ca. 60 Prozent. In dieser Zeit hielt auch die Kunststoffverarbeitung in der Etui-Herstellung Einzug. Es wurden Etuis für alle Musikinstrumente vom Streichbass bis zur Piccolo-Flöte gefertigt. Nach der Wende im Jahre 1989 gründete man aus Wettbewerbsgründen eine Niederlassung in Satzung/Sachsen. Seit 1981gehört die Firma Winter zum multinationalen Konzern „Boosey & Hawkes“. Die Produktion hatte im Jahre 1998 mit einer Stückzahl von 160 000 Etuis ihren bisherigen Höhepunkt.

Auch die Firma Blohberger & Co.,später Blohberger & Jörka meldete am 11.11.1946 in Nauheim ihr Geschäft an. Sie stellten Musikspielwaren her und hatten ihre erste Fertigung im Keller des 1909 erbauten Schulgebäudes (11). Später zog man in einen Barackenbau in die Graslitzer Straße 5. Am 19. November 1950 wurde die ganze Einrichtung durch einen Brand vernichtet. Man baute zwar an der gleichen Stelle ein neues Fabrikgebäude, doch von dem Feuerschaden konnte man sich nicht mehr erholen und meldete das Geschäft am 30.9.1963 ab.

Ein weiteres Opfer dieses Brandes am 19.11.1950 war Johann Leicht. Er kam 1948 nach Nauheim und fand Arbeit bei der Firma Köstler. Am 1.11.1949 machte er sich selbstständig mit der Fertigung von Ziehharmonikas. Er mietete, bei der herrschenden Platznot, einen Werksraum in der Baracke der Firma Blohberger und Jörka. Bei dem Brand verlor er alle seine Erzeugnisse. Nach langen Verhandlungen mit der Versicherung gab er entnervt auf.

Ebenfalls am 11.11.1946 meldete Johann Meinlschmidt seine Fräserei für Stimmplatten an. Er fertigte in der Bahnhofstraße 43. Später zog man um in das Eigenheim Gartenstraße 3. Die Firma wurde am 31.12.1961 abgemeldet. Am 1.1.1962 übernahm sein Sohn Erich die Werkstatt und fertigte Klappenteile für Klarinetten, Saxophone,Fagotte, Oboen und Flöten. Am 31.8.1874 meldete er sein Geschäft ab und es ging am 1.9.1974 an seine Ehefrau Eva über, die es jedoch kurze Zeit später aufgab.

Auch die Firma Anton Fischer, später Anton und Willi Fischer, hatten ihre Fertigungsstätte für Musikinstrumenten-Bestandteile in der Nauheimer August-Bebel-Straße 8. Später zog man in die Bahnhofstraße 43 (4). Die Firma war im Jahre 1919 in Kirchberg gegründet worden und die Wiedergründung erfolgte am 27.11.1946 in Nauheim. Mitte der fünfziger Jahre, genau am 1.7.1957, zog man mit der Produktion in die Straße Unter der Muschel 35 um. Am 1.1.1987 hatte man mit 4 Arbeiter die höchste Beschäftigtenzahl erreicht. Während 1990 nur Bestandteile für Streichinstrumente gefertigt wurden, hatte man von 1959 bis 1961 auch Fideln und Gamben produziert. 1987 hatte sich der Umsatz seit der Gründung vervierfacht und die Produktion 1986 ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Nachdem Willi Fischer aus gesundheitlichen Gründen im Sommer 1999 zurücktrat, übernahm sein Sohn Harald das Gechäft.

Ende 1946 waren in Nauheim schon 565 Heimatvertriebene erfaßt. Mit vielen Problemen (6) hatten die Instrumentenmacher zu kämpfen. Es fehlte praktisch Alles. Es fehlte nicht nur an Nahrung. Es fehlten auch die einfachsten Dinge. Das fing beim Vormaterial an und hörte bei den simpelsten Werkzeugen auf. Überall mußte improvisiert werden. Es fehlten z.B. Glühbirnen um die Werkstätten ausreichend zu beleuchten. Im eiskalten Winter 1946/47 standen die Menschen ohne ausreichenden Brennstoff da. Die Gemeinde Nauheim konnte nur waldfrisches Holz liefern. Dieses Holz hatte nur einen geringen Heizwert, der eine optimale Arbeitsleistung nicht zuließ. Auf der Suche nach Brennholz sägten einige Pfiffige sogar die Telefonmasten entlang der Bundesstraße nach Bischofsheim ab. Doch dem Arm des Gesetzes entkamen sie nicht. Viele werden sich noch erinnern, daß Kohlenzüge, die im Stellwerkbereich zum Halten kamen, von den Menschen geentert wurden. In Taschen, Säcken und vierrädrigen Handwagen wurden die Steinkohle oder die Eierbriketts verstohlen nach Hause gefahren. Auch die Zuckerfabrik in Groß-Gerau war in der hereinbrechenden Nacht das Ziel vieler Nauheimer. Die Rucksäcke mit Zuckerrüben vollgepackt verließen sie unbemerkt das Gelände. Und da selbst der Kardinal von Köln, Josef Frings, auf Grund der Not, diese unlegalen Aktionen stillschweigend billigte, nannte man im Ruhrgebiet das Ganze „Fringsen“. Viele Nauheimer nahmen Wege bis nach Nieder- oder Oberbayern in Kauf um z.B. ein Schmuckstück gegen ein Pfund Butter oder Mehl zu „schrotteln“. Zahlungsmittel Nummer Eins waren Zigaretten. Wer gute Beziehungen zur amerikanischen Besatzungsmacht hatte und über genügend Zigaretten verfügte konnte sich manchen Wunsch erfüllen. Viele Menschen begannen in diesen schlechten Jahren Tabak im eigenen Garten anzubauen. Die Exkremente der Tiere wurden auf der Straße aufgelesen und mit dem „Knittelkarren“ nach Hause gefahren. Er war der Dünger für die Tabakpflanzen, die später in der Scheuer getrocknet wurden und anschließend zu Zigaretten Marke „Eigenbau“ verarbeitet wurden. So half sich jeder so gut er konnte, entweder auf dem Schwarzmarkt oder im privaten Bereich.
Wegen der Wohnraumnot erinnerte sich man wieder an die Heimarbeit, die im Egerland gang und gäbe war. Zuerst wurden die alten Fachkräfte im Bundesgebiet ausfindig gemacht. Dann wurden sie am Wochenende besucht um das zu verarbeitende Material hinzubringen und die inzwischen fertiggestellten Werkstücke mitzunehmen. Trotz der Mangelerscheinungen (8) in dieser Zeit, wie Bezugsscheinpflicht für Materialien und äußerst mangelhafter Werkzeug- und Werkstättenausstattung wurde ohne Verzug an den Wiederaufbau gegangen, denn man besaß den Willen zum Neubeginn sowie handwerkliches Können, verbunden mit Zähigkeit und Fleiß, eben Dinge, die man als „unsichtbares Fluchtgepäck“ mitgebracht hatte.

Die Firmengründungen gingen auch 1947 weiter. Am 29.1.1947 nahm die Firma Julius Keilwerth ihren Sitz in Nauheim . Die Firma war im Jahre 1925 in Graslitz gegründet worden und war mit 150 Mitarbeitern im Jahre 1939 der größte deutsche Saxophonhersteller. In der Waschküche der Nauheimer Bäckerei Stelzer, Bahnhofstr. 9 wurde begonnen. Zunächst hatte man 5 Beschäftigte und machte nur Reparaturarbeiten für Saxophone. 1949 bezog man ein neues Gebäude in der Königstädter Str. 101 und später unterhielt man einen Zweigbetrieb in der Helwigstraße in Groß-Gerau. In dieser Zeit beschäftigte man über 80 Mitarbeiter in der Herstellung von Saxophonen und Blechblasinstrumenten. Nach dem Tod von Julius Keilwerth 1962 übernahm sein Sohn Josef die Firma.
1964 wurde neben dem alten Gebäude in der Königstädter Straße ein neues Fabrikgebäude, unter damals modernsten Gesichtspunkten errichtet.
In den 60er und 70er Jahren wurden Keilwerth Instrumente in viele Länder exportiert, wobei sich der amerikanische Markt zum wichtigsten Standbein entwickelte.
Josef Keilwerth legte schon damals Wert auf guten Kontakt zu vielen bekannten Solisten und Orchesterchefs wie z.B. Max Greger, Ambros Seelos und Hazy Osterwald. Er brachte seine Kunden oftmals freitags mit zu seinem „Graslitzer Stammtisch“ in den „Egerländer“. Seit November 1989 gehört man der Unternehmungsgruppe „Boosey & Hawkes“ an. 1994 baute man das 100 000. Saxophon.

Daß der Wohnraum immer noch sehr knapp war und die Kommune zu unpopulären Maßnahmen schreiten mußte war nichts Unbekanntes. Ebenso soll nicht verschwiegen werden, daß auch in der Interessengemeinschaft der Musikinstrumentenhersteller nicht alles seinen richtigen Weg nahm. Die beiden nachfolgend aufgezeigten Sitzungsprotokolle vom 31.3. und 1.4.1947, die der Verfasser im Archiv der Gemeinde Abt. XXIII, Konvolut 9, Faszikel 27 fand, sollen Zeugnis davon ablegen.

Am 15. April 1947 eröffneten Franz Himmer und Josef Sandner ihr Geschäft für Zupf- und Streichinstrumente und ab 22.11.1948 betrieben sie auch den Großhandel mit Musikinstrumenten. Sie bauten hervorragende Konzert- und Solistengitarren von der mittleren bis zur oberen Preisklasse. Die Werkstatt hatten sie in der Mühlstraße Nr. 4 u. 16, bei den Familien Schupp und Wenner.
Am 15.3.1951 trennten sie sich. Josef Sandner verlegte seine Fabrikation in die Weingartenstraße 21 in der er weiter Gitarren für gehobene Ansprüche fertigte. Ab 1.1.1974 ging das Geschäft auf seine Ehefrau Anneliese über, die es nach dem Tod von Herrn Sandner am 29.11.1976, am 1.1.1980 abmeldete.
Franz Himmer zog mit seiner Produktion in die Bahnhofstraße 72 wo er Gitarren fertigte bis er sein Geschäft im Jahre 1955 abmeldete und in eine neue Branche überwechselte.

Am 22.4.1947 meldete Schuh Wenzel, Geigenbauer, Am Weiher 2, sein Geschäft an. Wann es abgemeldet wurde ist nicht mehr feststellbar.

Herr Anton Sandner konnte sich durch die Hilfe von Herrn Karl Fuchs und Bürgermeister Heinrich Kaul in Nauheim ansiedeln. So gründete am 11.5.1947 die gemeinsame Firma „Karl Fuchs und Anton Sandner, Streich- und Zupfinstrumente“.
Die Werkstatt befand sich in der Wilhelm-Leuschner-Str. 16 bei Familie Arnold. Ab 28.5.1949 fertigte jeder auf eigene Regie seine Erzeugnisse in der gleichen Werkstatt, bis Karl Fuchs Ende 1951 von Nauheim wegzog.
Herr Anton Sandner teilte dann ab 25.9.1951 einige Jahre seine Werkstatt mit seinem Bruder, dem Gitarrenbauer Josef Sandner, bis er sich in der Bahnhofstr. 46 eine separate Werkstatt einrichtete.
Seine Celli und Gitarren, aber vor allem seine Geigen fanden bei der Kundschaft mit höheren Ansprüchen großen Anklang. Bereits in der Schönbacher Heimat und später in Aussig a.d. Elbe machte er sich einen Namen, u.a. durch langjähriges Experimentieren auf dem Gebiet der Geigenlackherstellung.
Aus Altersgründen meldete Anton Sandner am 1.7.1965 sein Geschäft ab.

Auch die Streichbogenfertigung wurde in Nauheim ansässig. Am 15.9.1947 meldete Rudolf Ringer sein Gewerbe wieder an (10). Der Betrieb wurde 1935 in Abtsroth bei Schönbach gegründet. Die erste Werkstatt war in der Rathausstr. 10. Im Jahre 1952 zog man in neue Werkstatt in der Schillerstraße 24. Im Familienbetrieb wurden Bögen für die Geigenindustrie, auch für historische Instrumente wie Gamben und Psalterium (trapezförmige Rahmen- oder Brettzither) hergestellt. Es wird Fernambukholz aus Brasilien und Roßhaar aus China verarbeitet. Ab 1.1.1980 führt der Sohn Klaus Ringer die Firma. Während man früher die Erzeugnisse auch in die Schweiz und nach USA exportierte, gehen die Produkte heute zu 100% ins Inland.

Georg Klier meldete seine Firma am 1.2.1948 an. Das Unternehmen war bereits 1924 in Schönbach ins Firmenregister eingetragen worden. In Nauheim produzierte man in der Bahnhofstr. 37, Musikbestandteile. Die Spezialität lag bei Bogenteilen. Im gleichen Jahr zog man mit der Fertigung nach Groß-Gerau um.

Auch die Firma Klier & Riedl, begann am 1.4.1948 als Harmonikastimmer. Die erste Werkstatt war bei Familie Reitz, Bleichstr. 20. Karl Klier trennte sich am 28.6.1949 von Herrn Riedl und fertigte dann Akkordeons in der Carlo-Mierendorff-Str.3 und in der Schillerstr.20, ehe sein Geschäft am 6. 10. 1954 abgemeldet wurde. Er wechselte die Branche und begann ein Lebensmittelgeschäft in der Schillerstraße 20. Jahre später zog er nach Bad Füssing. Unter der neuen Firmenbezeichnung Rudi & Roland Klier, Akkordeonbau wurde in Nauheim die Akkordeonfertigung weiter betrieben, bis man am 1.6.1952 in die eigenen Werksräume nach Groß-Gerau zog.

Am 25.August 1897, als Josef Püchner im böhmischen Graslitz, damals Teil der Österreich-Ungarischen-Donaumonarchie, das Licht der Welt erblickte, meldete sein Vater Vinzenz Püchner gleichentags ein selbstständiges Gewerbe als Holzblasinstrumentenmacher an. Die Firma Püchner ist also ein Unternehmen mit mehr als hundertjähriger Tradition. Unmittelbar nach der Währungsreform (20.6.1948) begannen Vater Josef und Sohn Walter Püchner mit dem Aufbau einer Werkstatt in Nauheim und gründeten die Firma „Josef Püchner, früher Vinzenz Püchner, Graslitz“. Walter Püchner beschreibt den Neuanfang:
„Unsere Bemühungen, in den Orchestern des Umkreises Kunden für Reparaturen und Umbauten zu finden, waren nach und nach erfolgreich. Durch gute Arbeit das Vertrauen der Kunden zu gewinnen, die wiederum durch Mundpropaganda dies publik machten, war unser Werbemittel. Umbauten der Oboen am Hessischen Rundfunk vom deutschen zum französischen System in solider handwerklicher Art war ein Einstieg. Der Mangel an trockenen Hölzern verhinderte den Bau von neuen Instrumenten.. In dieser Zeit schafften wir uns eine Erwerbsquelle durch den Bau von Motorradhupen, Notenpulten und Klarinettenmundstücken aus Kautschuk“.
Schließlich gelang es, ältere Holzbestände aufzukaufen, die bereits mehr als 10 Jahre gelagert hatten, und der Klarinettenbau, kurz darauf auch der Oboen- und schließlich der Fagottbau konnte wieder aufgenommen werden. Die Werkstatt war in den ersten Nachkriegsjahren provisorisch in der Bleichstraße 40 untergebracht und Walter Püchner erinnert sich:
„Mit Oboen und Klarinetten fanden wir mehr und mehr Anklang in den umliegenden Orchestern wie u.a. in der Frankfurter Oper, Mainzer Oper und im Rundfunk Frankfurt. Der Kauf des Grundstückes in der Beethovenstraße, um eine richtige Werkstatt samt Wohnhaus zu bekommen, waren jetzt Notwendigkeiten“.
1955 wurde dann eine richtige Werkstatt und Wohnung in der Beethovenstr. 18 fertiggestellt. Nach und nach baute man neue Kundenkontakte auf. Die Musiker fühlten sich von der familiären Atmosphäre im Hause Püchner immer speziell angesprochen. Fachlich kompetent betreut von Josef und Walter, finanziell beraten von Gerta im Büro und lukullisch verwöhnt von Paula Püchner- wurden die Kunden über das rein Geschäftliche hinaus umsorgt und es entstanden langjährige Freundschaften zwischen den Musikern und der Püchner-Familie.
Walter Püchner hatte 1963 die Meisterprüfung im Holzblasinstrumentenbau in Koblenz abgelegt. 1967 wurde die Firma in eine offene Handelsgesellschaft mit Josef, Walter und Gerta Püchner als Gesellschafter umgewandelt. Der Betrieb ging mehr und mehr in die Hände der jüngeren Generation über, aber Josef Püchner war bis ins hohe Alter täglich schon frühmorgens in der Werkstatt anzutreffen, um die auszuliefernden Instrumente kritisch durchzusehen.
Am 4.Juli 1988 verstarb Josef Püchner im Alter von 91 Jahren.
1988 wurde die „J. Püchner Spezial Holzblasinstrumentebau GmbH“ gegründet, in die als vierte Püchner-Generation die Kinder von Walter Püchner: Gabriele und Gerald als Gesellschafter eintraten. Gabriele Püchner absolvierte nach dem Abitur ein Klavierstudium an der Akademie für Tonkunst in Darmstadt und studierte Oboe in Darmstadt und Frankfurt. Nach Examen und Lehrauftrag arbeitet sie seit 1983 in der Geschäftsführung mit. Gerald Püchner absolvierte eine Lehre zum Holzblasinstrumentenmacher und legte 1992 in München die Meisterprüfung ab. Er ist zusammen mit Walter Püchner maßgeblich an der Modellpflege und Entwicklung beteiligt.
Auch Vorträge über Holzblasinstrumente gehören seit etlichen Jahren zum Wirkungsfeld von Walter und Gerald Püchner. Praktische Tips, wie Holzblasinstrumente in Selbsthilfe optimal funktionstüchtig gehalten werden, gibt Püchner auf Symposien und in Hochschulen im In- und Ausland gerne weiter.
Heute sind in der Firma rund 30 Mitarbeiter tätig. Viele gehören dem Hause Püchner seit langem an, einige sogar mehr als 35 Jahre.

„All unsere Erfolge fußen auf Qualität, fachlichen Können und Erfahrung. Diese Leistungen kann man nur schaffen und aufrechterhalten, wenn man über eine Belegschaft voller Verantwortungsbewußtsein, Engagement und Erfahrung verfügt“, ist sich Walter Püchner bewußt. Immer wieder in der Püchnerschen Geschichte war der Ideenaustausch mit Holzbläsern Auslöser für neue Entwicklungen. Enge Zusammenarbeit mit führenden Bläsern verknüpft mit bester handwerklicher Qualität ist darum firmenphilosophische Grundlage und Rezeptur auch für das begonnene zweite Jahrhundert.

Am 5.8.1948 meldete Josef Siebenhüner, Musikinstrumentenmacher seine Firma an. Seine Fertigungsstätte war in der Wilhelm-Liebknecht-Str. 12. Am 16.3.1949 meldete er die Firma wieder ab.

Eine weitere Firma entstand in der Königstädter-Str. 20. Dort hatte Karl Wohlrab, Metallgießer und Bestandteilerzeuger für Musikinstrumente, am 15.2.1949 seine Arbeit aufgenommen. Am 6.7.1949 meldete Herr Wohlrab das Geschäft wieder ab.

Am 1.3.1949 hatte Josef Dörfler sein Holzblasinstrumente-Gewerbe angemeldet. Mit den Herren Josef Kühnl und Franz Hamm arbeitet man in der Hügelstraße 21. Hauptsächlich war man für die Firma Keilwerth beschäftigt. Den von Keilwerth gelieferten Saxophoncorpus versah man in mehreren Operationen mit dem Klappenmechanismus. Nachdem die Firma Keilwerth immer weniger Arbeit an Dörfler zu vergeben hatte, gründete man am 1.9.1950 die Firma „Dörfler & Jörka, Saxophonherstellung“. Die Werkstatt hatte man in der Steinstraße 18. Am 31.12.1965 schied Hubert Jörka aus der Firma aus und das Geschäft wurde von Josef Dörfler allein weitergeführt. Aus Altersgründen meldete er die Firma am 31.1.1968 ab.

Der Graveur Johann Zankl meldete sein Geschäft am 19.6.1949 an. Seine Werkstatt hatte er in der Carlo-Mierendorff-Straße 12, in der er bis zu seinem Tod im Jahre 1953 arbeitete.
Der Zuzug von neuen Musikinstrumentenfirmen nach Nauheim ließ nun merklich nach. Nach der Vertreibung hatten die meisten Wohnung und Arbeit gefunden. Auch die Währungsreform vom 20.6.1948 hat dazu beigetragen. Man konnte sich zwar fast alles wieder kaufen, aber unter der Bevölkerung machte sich eine Abwartungshaltung breit.

Die Einwohnerzahl Nauheims ist von 2313 Personen im Jahre 1933 auf 3886 Personen im Jahre 1950 angestiegen.

Erst am 1.2.1951 meldete mit dem Geigenbauer Andreas Moritz Schäfer wieder jemand eine Firma an. Er fertigte in der Carlo-Mierendorff-Str. 9 und meldete sein Geschäft am 30.6.1969 wieder ab.

Am 7.8.1952 meldete Anhalt Julius Erich einen Export- und Musikinstrumentenhandel in der Rheinstr. 4 an. Am 26.10.1955 wurde er wieder abgemeldet.

Richard Himmer, Goethestr. 39 meldete am 1.10.1952 eine Firma für Geigenbau an. Sie wurde am 31.5.1955 wieder abgemeldet.

Am 2.12.1952 meldeten die Gebr. Max und Rudolf Bauerfeind ihre Produktion von Perinet-Trompetenmaschinen an. Sie kamen von London, aber bereits im Jahre 1903 war das Geschäft durch Gustav Bauerfeind in Schwaderbach bei Graslitz gegründet worden. Die erste Werkstatt in Nauheim war in der Bahnhofstraße 43. Im Jahre 1956 erfolgte der Umzug in den neu erbauten Betrieb, Alte Mainzer Straße 16. Mit 10 Mitarbeitern unter der Betriebsleitung von Max sen. und Max jun. Bauerfeind, begann man auch mit der Trompetenfertigung. Dieser Betriebszweig existiert bis zum heutigen Tag unter der Firmenbezeichnung Max Bauerfeind und Co. Man beschäftigt zur Zeit 7 Mitarbeiter, mit einem Exportanteil von über 50%. Hauptabnehmer sind die USA und die Schweiz und man hofft, auch in Zukunft, erfolgreich fertigen zu können.

Ein Unternehmen für Flachstichgravuren eröffnete Anton Deibl 1953 in der Mühlstraße 4. Im Jahre 196o verlegte Herr Deibl seine Werkstatt in das neue Eigenheim in der Mozartstraße 32, in der er bis zu seinem Tod am 26.2.2000 noch tätig war.

Am 1.8.1953 eröffnete Willy Keylwerth sein Export- und Importgeschäft für Musikinstrumente. Ohne Eigenkapital und Kredit mußte er unter schwierigsten Umständen den Aufbau bewerkstelligen. Die Kontakte mit den ausländischen Kunden wurde durch die Frankfurter Frühjahrsmesse aufrecht erhalten, die erstmals 1957 beschickt wurde. Anfangs handelte man in erster Linie mit Blasinstrumenten, 1955 kamen Schlagzeuge ebenso hinzu wie Gitarren und diverses Zubehör. Anfang der 70er Jahre nahm man in dem Geschäft Schleifweg 13 auch elektronische Orgeln und später sogar Klaviere in das Verkaufsangebot auf. Der Umsatzhöhepunkt lag im Jahre 1978 mit dem Verkauf von 30 000 Instrumenten. Aus gesundheitlichen Gründen wurde das Unternehmen 1989 aufgegeben. Willy Keylwerth war auch lange Jahre Vorsitzender und Organisator des Arbeitskreises der Nauheimer Musiktage, die erstmals 1970 veranstaltet wurden.

Heinrich Sandner, Akkordeonbauer meldete am 1.2.1954 seine Firma an. Die Werkstatt hatte er in der Feldstraße 5. Bereits am 30.9.1954 wurde das Geschäft wieder abgemeldet.

Am 25.11.1955 meldete Walter Neudel, Zupfinstrumentenmachermeister seinen Betrieb in Nauheim, Mainzer Landstraße 10 an, den er am 16.10.1959 wieder abmeldete.

Ebenfalls in der Mainzer Landstraße 10 fertigte seit dem 15.12.1955 Stephan Liebender, Musikinstrumente. Am 1.12.1958 erfolgte die Abmeldung.

Seit dem 1.7.1956 bestand die Firma Anton Schmucker, Baß- und Celloerzeugung. Seine Werkstatt hatte er in der Bahnhofstraße 76 bis er sie am 31.5.1964 abmeldete.

In der Zeit vom 26. – 31.Juli 1957 feierte die Musikinstrumentenindustrie in Nauheim ihr 10 jähriges Bestehen. Die Festlichkeiten zogen sich über 5 Tage hin und die Veranstaltungen fanden in der Nauheimer Stoga-Halle (heutiger Bauhof in der Alten Mainzer Straße) statt. Man hatte sich einiges einfallen lassen wie Festkonzert des Opelwerksorchesters, Musikinstrumentenausstellung, Gemäldeausstellung, Weckruf, Feldmesse, Festball in drei verschiedenen Sälen, Militärkonzert, Kultur- und Heimat-Abend und sogar der Hessische Rundfunk fand den Weg nach Nauheim. Obwohl der Besuch sehr gut war, litt leider alles unter der schlechten Witterung. Nachfolgend ein Bericht aus dem „Graslitzer Heimatbrief“ vom August 1957:
Am 20.12.1958 entstand eine neue Firma. In der Goethestraße 41 eröffnete Anton Sattler eine Anfertigung für Druckwerken für die Musikinstrumentenindustrie. Am 1.2.1968 wurde die Firma wieder abgemeldet.

Am 27.11.1959 und nicht 1961, wie mehrmals publiziert, kam der Betrieb von Karl Fischer (10), Wirbeldrechslerei zur Anmeldung. Der Betrieb war bereits um 1900 in Schönbach gegründet worden. 1946 begann man wieder in Mittenwald bevor man nach Nauheim zog. Herr Fischer war einer der letzten fünf Wirbeldrechsler in der Bundesrepublik. Noch in den 70er Jahren verließen Wirbel für 1080 Geigen wöchendlich die Bahnhofstr. 74. Ab 1.1.1975 führte der Sohn Manfred Fischer die Firma alleine weiter, bis er 1979 eine Tätigkeit in einer anderen Branche aufnahm und das Geschäft abmeldete.

Als Hausgewerbetreibender im Musikinstrumentenmacher Handwerk meldete Emil Brandner sein Geschäft am 1.6.1962 an. Er betrieb es bis zu seinem Tod am 1.12.1995.

Am 5. Juli 1964 fand der Hessentag in Kassel statt. Die Nauheimer Musikinstrumentenindustrie nahm daran mit einem prunkvollen Festwagen teil. Der Festwagen glich mehr einem Raddampfer, in dessen Rädern die einzelnen Musikinstrumente zu sehen waren, die in Nauheim gefertigt wurden. Auf dem „Schiff“ konzertierte das Nauheimer Jugend-blasorchester und man fand großen Beifall.

Unter der Gewerbebezeichnung Hausgewerbetreibender im Musikinstrumentenmacher-Handwerk begann am 22.9.1964 Jürgen Richter sein Geschäft in der Taunusstraße 9, das am 13.12.1967 wieder abgemeldet wurde.

Die Firma Josef Lausmann OHG wurde 1899 von Richard Lausmann in Eibenberg bei Graslitz gegründet. Nach der Vertreibung erfolgte die Neugründung durch Josef Lausmann 1953 in Königstädten in der Astheimer Straße 16. Am 1.9.1968 verlegte man den Betrieb nach Nauheim, Rüsselsheimer Straße 13. Im Jahr 2000 wird das Unternehmen in der 3.Generation von Dipl.-Wirtsch.-Ing. Josef Lausmann geführt. Es werden Mundstücke für Blechblasinstrumente und Präzisionsdrehteile gefertigt.

Max Wesp, Unter der Muschel 27, meldete am 6.1.1970 seine Firma Erzeugung für Musikinstrumente und Bestandteile an. Ab 15.6.1983 übernahm Sohn Frank die Firma bis er sie am 31.10.1990 abmeldete.

Am 1.6.1974 meldete Gerhard Siebenhüner, Eibenweg 9 seinen Einzelhandel für Musikinstrumente an, aber bereits am 31.12.1975 meldete er das Geschäft wieder ab.

Hans H. Riedl, Holzblasinstrumente eröffnete seine Firma am 10.1.1987. Er führte in seiner Werkstatt Ahornweg 2, Reparaturen und Montagaoperationen durch. Am 1.9.1989 wurde das Geschäft durch den Verkauf von Holzblasinstrumenten und Zubehör ergänzt.

Das Musikhaus Glassl zog am 3.2.1988 nach Nauheim, Adam-Opel-Straße 12. Gegründet wurde die Firma von Heribert Glassl im Jahre 1956 in Königstädten, Rheinstraße 26. Heribert Glassl begann seine berufliche Aus- und Weiterbildung zum Metallblasinstrumentenmacher von Januar bis Mai 1946 in Graslitz. Danach erfolgte die Ausweisung. Seine Lehr- und Gesellenzeit verbrachte er in Markneukirchen/Vogtland, Göttingen, Süd-Wales, Köln, sowie ein kurzes Gastspiel in der Schweiz. Im April 1954 kam Heribert Glassl zur Firma Keilwerth nach Nauheim. Bereits im August 1956 meldete er ein Nebengewerbe an, daß im Oktober 1958, nach Ablegung der Meisterprüfung, zum Hauptgewerbe wurde. Am Anfang wurden Reparaturen durchgeführt und einige Trompeten und Posaunen gefertigt.
Ab 1967 wurden Sousaphone mit Fiberglascorpus hergestellt. Bis zum heutigen Tage ist man der einzige Hersteller dieser Instrumente in Europa. Seit 1980 ist die „Glassl Es Alt Posaune“ ein in die ganze Welt geliefertes Produkt. Der 1988 erfolgte Umzug in größere Betriebsräume in Nauheim hat auch bessere Arbeitsbedingungen gebracht. Seit 1996 werden auch „B Tuben“ mit Fiberglascorpus gebaut. Das neueste Produkt des Hauses sind Alphörner. Das Musikhaus Glassl, das von Heribert Glassl und seinem Sohn Jürgen, ebenfalls einem gelernten Metallblasinstrumentenmacher geführt wird, erfreut sich in der Branche eines guten Rufes.

Hatte die Nauheimer Musikindustrie beim Hessentag 1964 in Kassel noch einen prunkvollen Festwagen finanziert, so überließ man 30 Jahre später beim Hessentag, am 12.Juni 1994 in Groß-Gerau, die Präsentation der Nauheimer Musikindustrie dem „Graslitzer Stammtisch“. Tagelang wurde von den Stammtischbrüdern an den beiden Festwagen gearbeitet und das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Als Geschenk für den hessischen Ministerpräsident Hans Eichel hatten die Stammtischler eine Gitarre organisiert, man wollte ja nicht mit leeren Händen dastehen. Nachdem auch ein Sponsor für das Bier, Alfred Hoyer, gefunden war, konnte der dreistündige Umzug, bei herrlichem Sonnenschein, beginnen. Selbst im Fernsehen wurden die beiden Wagen mit Lob und Anerkennung bedacht.

Eine neue Geschäftseröffnung gab es am 1.8.1997. Wolfgang Schuster, Holzblasinstrumentenmacher, machte sich in der Schillerstraße 20, mit einer Reparaturwerkstätte für Holzblasinstrumente, selbstständig.

Die Jugend auf dem Vormarsch. Auch Stephan Bösken meldete am 1.3.1998 seine Firma an. Nach einer gut fundierten Ausbildung und Studium im Instrumentenbau über die Stationen Nauheim, Wiesbaden, Ludwigsburg und London eröffnete er in der Groß-Gerauer-Straße 8 in Nauheim sein Unternehmen für Holzblasinstrumente, sowie Reparatur und Handel.

Es gab in Nauheim sicher noch einige andere kleine Firmen oder Familienbetriebe, die in Schuppen, Scheunen, Waschküchen oder Ställen ihre ersten unternehmerischen Schritte starteten. Sie wurden aber ins Gewerbetagebuch der Gemeinde oder in die Handwerkerrolle nicht eingetragen und sind deshalb lokal und zeitlich nicht einzuordnen. Nach internen Schätzungen waren in der Glanzzeit bis zu 600 Personen in der Nauheimer Musikinstrumentenindustrie beschäftigt.

Mit den in der näheren Umgebung beheimateten Firmen:

• Johann Siebenhüner, Walldorf-Mörfelden, Saitenfabrik
• Gunter J.Klier Groß-Gerau Perlmutteinlagen
• Alois Sandner Königstädten Bogenmacher
• Franz Loquai „ Zithererzeugung
• Andreas Sandner „ Gitarrenmacher
• Karl Bauerfeind „ Schleiferei
• Max Kahl „ Instrumentenbau und
• Franz Sattler „ Schlaginstrumente

ist hier ein Potential geschaffen worden das seinesgleichen sucht. Die Musikinstrumentenindustrie spielte für die finanzielle Situation der Gemeinde Nauheim zumindest bis in die 60er Jahre eine bedeutende Rolle, auf die ich jedoch nicht näher eingehen will. Es soll aber nicht vergessen werden, daß dadurch auch fruchtbarer Boden bereitet wurde, für die in Nauheim ansässigen Klangkörper wie Musikverein, Jugendblasorchester, Erzgebirgischer Heimatverein, Blasorchester der SKV, Dorfmusik, Junge Musiker, die Nauheimer Musikschule, der „Graslitzer Stammtisch“ und der vielen Tanzorchester,die in all den Jahren der Nauheimer Bevölkerung viel Freude brachten. Ohne die Musikindustrie würden viele dieser musikalischen Vereinigungen sicher nicht bestehen.

Wenn man heute, nach mehr als fünfzig Jahren nach der Gründung der ersten Musikinstrumentenfirma in Nauheim, eine Bilanz ziehen soll, so kann man feststellen, daß bei allen Firmen das Positive im Vordergrund steht. Trotz vorübergehender Probleme hat man in den vergangenen Jahren doch einen steten Aufschwung genommen. Auch in der Zukunft wird das nicht anders sein. Vertrauend auf das Können, des Fleißes und der Kreativität wird man auch in den nächsten Jahren erfolgreich sein und den weltweiten Ruf der Musikgemeinde Nauheim hochhalten.

Daß der Beginn nicht einfach war wird allen, die es miterlebt haben, noch in guter Erinnerung sein. Viele Hürden mußten genommen werden. Heute, nachdem man von den Ereignissen genügend Abstand gewonnen hat, kann man besser verstehen, weshalb nach Kriegsende Menschen der gleichen Sprache und Volkszugehörigkeit Anfangsprobleme hatten.

In der Festschrift „10 Jahre Musikinstrumenten-Industrie Nauheim“, 1957 hatte Herr Lehrer Merle den Wunsch geäußert, daß zukünftige Chronisten Nauheims nicht mehr von „Altbürgern“ und „ Neubürgern“ sprechen und diejenigen, die unverschuldet Haus und Hof, Hab und Gut zurücklassen mußten, Nauheim als ihre zweite Heimat ansehen. Das kann heute ohne jede Einschränkung bestätigt werden. In vielen Gesprächen mit Heimatvertriebenen wird immer wieder darauf hingewiesen, daß man mit unserer neuen Heimat Nauheim eine „Sechs im Lotto“ gewonnen hatte. Es ist unbestritten, daß die Integration der Vertriebenen in Nauheim beispielgebend für viele Gemeinden in ganz Deutschland war. Und darauf, meine ich, können wir doch alle gemeinsam stolz sein.

Vorderstraße 7, das Haus von Peter Bajus: Karl-Heinz Pilz mit seinen Enkeln.
Quellen
4 Lindberg Kataloge
Bilder von mehr als 200 Gitarren
55 Bilder von datierten Instrumenten
Untersuchung von mehr als 30 Instrumenten

Danksagung:

Vielen Dank an Stephen Candib, Simon Deobald, Frankpaush, Johann Frisch, Rolf Gückel, Kim Jensen, Herbert Rittinger, Ol'Fret , Snap, Wietse und viele andere Teilnehmer des "Euroguitars Forums" und viele eBayer weltweit, die mir Bilder und anderes Material zur Verfügung stellten.

Danksagung von Stefan Lob

Vielen Dank an Kield "Lacquercracks" für diese sensationelle Bestimmungshilfe, Herrn Martin Haberfellner für die vielen Informationen, Herbert Rittinger der mich als erster auf Rod. Hoyer Gitarren aufmerksam machte und durch ein Aufkleber in einer seiner Gitarren auch den Herkunftsort nennen konnte. Durch diese Informationen war es mir erst möglich weiter zu forschen. Natürlich auch Dank an die zahlreichen Leser und Freunde, die dieses Projekt unterstüzten.

Kield "Lacquercracks" und Stefan Lob für "www.schlaggitarren.de" im Dezember 2009

Elvis Presley- Eine Legende zu Besuch in Bubenreuth –

von Barbara Billeiter –

Wir wissen, dass im Bubenreuther Geigenbaumuseum neben vielen anderen Kostbarkeiten auch die kleinste spielbare Geige und das kleinste Streichquartett der Welt zu sehen sind.

Wir wissen weiter, dass dort ein Modell des weltweit bekannten Beatles-Basses von Paul Mc Cartney gezeigt wird.

Wer aber weiß, dass Elvis Presley, der legendäre “King of Rock’n’ Roll”, während seiner Armezeit in Deutschland (1958-1960), wo er im hessischen Friedberg bei Frankfurt stationiert war, auch bei den Bubenreuther Geigenbauern gewesen ist?

Als sich am 16. August 1997 der Tod von Elvis Presley zum 20.Male jährte, als seine Filme im Fernsehen liefen und seine Lieder in den Radiosendern zu hören waren, mußte ich als “alter Elvis-Fan” immer wieder daran denken, dass mir meine verstorbene Großmutter oftmals erzählt hatte, sie habe Elvis Presley auf seiner Fahrt durch die Birkenallee sogar leibhaftig gesehen.

Wahr oder unwahr? Warum wird dies nirgendwo erwähnt? Wissen nur Insider von diesem Besuch? Plötzlich wollte ich mehr erfahren. Und so wandte ich mich an fast alle, mit denen ich fortan zusammentraf, hoffend, eine Bestätigung für die Aussage meiner Großmutter zu erhalten. Ich stieß zunächst auf Unwissende, Uninteressierte und auch auf solche, die es nicht glauben konnten oder auch nicht glauben mochten. Elvis in Bubenreuth? Nie und nimmer!

Erst ein Besuch im Caritas-Altenheim bei Frau Rosa Klier, der langjährigen Inhaberin der Musikinstrumentenfabrik Otto Josef Klier, brachte mir Gewißheit. Elvis Presley war tatsächlich hier! Nicht nur bei der ehemaligen Firma “Framus”, er hatte auch die Firma Klier besucht und dabei verschiedene Gitarren ausprobiert. Bei dieser Gelegenheit wurde natürlich auch ein Foto gemacht, das beim Umzug von Frau Klier ins Altersheim aber leider verloren ging.

Bin ich nun zufrieden? Nicht ganz, denn ich finde es nach wie vor schade, dass der Besuch jenes Mannes, der mit seinem musikalischen Talent und seiner geradezu hypnotischen Bühnenausstrahlung zu einem der Größten – wenn nicht gar zum Größten – im Musik-Show-Geschäft aufsteigen konnte, nahezu in Vergessenheit geraten ist. Ich wünschte, dieses für unseren Ort doch nicht ganz unbedeutende Ereignis würde auch für spätere Generationen festgehalten werden.

Quellen
4 Lindberg Kataloge
Bilder von mehr als 200 Gitarren
55 Bilder von datierten Instrumenten
Untersuchung von mehr als 30 Instrumenten

Danksagung:

Vielen Dank an Stephen Candib, Simon Deobald, Frankpaush, Johann Frisch, Rolf Gückel, Kim Jensen, Herbert Rittinger, Ol'Fret , Snap, Wietse und viele andere Teilnehmer des "Euroguitars Forums" und viele eBayer weltweit, die mir Bilder und anderes Material zur Verfügung stellten.

Danksagung von Stefan Lob

Vielen Dank an Kield "Lacquercracks" für diese sensationelle Bestimmungshilfe, Herrn Martin Haberfellner für die vielen Informationen, Herbert Rittinger der mich als erster auf Rod. Hoyer Gitarren aufmerksam machte und durch ein Aufkleber in einer seiner Gitarren auch den Herkunftsort nennen konnte. Durch diese Informationen war es mir erst möglich weiter zu forschen. Natürlich auch Dank an die zahlreichen Leser und Freunde, die dieses Projekt unterstüzten.

Kield "Lacquercracks" und Stefan Lob für "www.schlaggitarren.de" im Dezember 2009

Bubenreuths Entwicklung zum Zentrum des fränkischen Streich- und Zupfinstrumentenbaus von Herbert Wanka

Der historische Ursprung des Streich- und Zupfinstrumentenbaus der Gemeinde Bubenreuth liegt in der Musikstadt Schönbach im Egerland (heute Luby/Tschechien) nahe an der Grenze zu Sachsen gelegen. Hier soll im Jahr 1721 der aus Niemes (Böhmen) stammende Förster Elias Placht mit dem Geigenbau begonnen haben.
Placht war nicht der erste namentlich bekannte Instrumentenbauer, denn schon um 1580 gab es im benachbarten Graslitz Geigenbauer, die aus Glaubensgründen über die Grenze ins evangelische Sachsen auswanderten. Im Jahr 1610 wird etwa bereits ein Johannes Artus aus Graslitz als Kunstmaler und Instrumentalist urkundlich erwähnt. Des weiteren befindet sich in der Sammlung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg eine Bratsche (datiert auf das Jahr 1664) des Geigenbauers Johann Adam Pöpel aus Bruck bei Schönbach.  
Der Beginn der arbeitsteiligen hausindustrielle Fertigung von Streich- und Zupfinstrumenten in der Gegend um Schönbach ist jedoch maßgeblich auf die Familie Placht zurückzuführen.

Absatz und Vertrieb der produzierten Instrumente basierte weitgehend auf dem Verlagswesen, welches von den benachbarten sächsischen Händlern (den sog. „Verlegern“) dominiert wurde. Dies führte dazu, dass vor allem kleine Betriebe immer mehr in Abhängigkeit der Verleger gerieten. Um die Wende zum 20. Jahrhundert gab es in Markneukirchen bereits nicht weniger als 15 Millionäre.

1882 waren bereits 600 Musikinstrumentenmacher in Schönbach registriert. Um 1900 wurden von ca. 150 Betrieben 110.000 Geigen, Celli, Bässe Gitarren, Zithern und Mandolinen hergestellt. Darüber hinaus gab es ca. 200 Betriebe für Bestand- und Zubehörteile, sowie 30 für Blasinstrumente. Bis zum 2. Weltkrieg bildete die Region um Schönbach und Graslitz auf böhmischer Seite zusammen mit den Gebieten um Markneukirchen und Klingenthal in Sachsen das Zentrum des Musikinstrumentenbaus, den sog. „Musikwinkel“.
Die hohen Stückzahlen der in Schönbach produzierten Instrumente brachten Ihnen schnell den Ruf von minderwertiger Massenware ein. Auch die Tatsache, dass viele Instrumente als Fälschungen mit berühmten Namen in den Handel gelangten, trug zu ihrer Geringschätzung bei. In Schönbach entstanden aber auch hochwertige Instrumente, die sich durchaus mit ihren berühmten Vorbildern messen können. Dies beweist heute der Umstand, dass bei Auktionen für Instrumente – ausgewiesen als Schönbacher Fälschung – hohe Summen geboten werden, da die Bieter – wider der Einschätzung des Auktionators – die Instrumente für Originale halten.

Um über die Neuordnung Europas und das künftige Schicksal Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg zu beraten, trafen sich vom 17. Juli bis 2. August 1945 die vier Siegermächte im Potsdamer Schloss Cecilienhof zur sog. „Potsdamer Konferenz“. Zu den damals gefassten Beschlüssen gehörte u.a. die „Ausweisung der Deutschen aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn unter Voraussetzung einer humanen Durchführung“. In der Praxis führte dies zu einer massiven Vertreibung und Enteignung von mehr als drei Mio. Sudetendeutschen aus Ihrer Heimat. Mit etwa zehn Transporten zu je 1200 Aussiedlern wurden auch die Instrumentenbauer des böhmischen Musikwinkels in die verschiedenen Besatzungszonen ausgewiesen. Am 25.10.1946 erklärte der tschechische Innenminister Nosek, die Ausweisung der Deutschen aus dem Staatsgebiet der CSR so gut wie abgeschlossen.

Ein Teil der vertriebenen Instrumentenmacher aus Schönbach und Umgebung gelangte in die sowjetische Besatzungszone, der größere Teil begann sich jedoch in Auffanglagern in Bayern zu sammeln. Bald keimte unter den Vertriebenen der Gedanke, wieder gemeinsam eine Siedlung zu gründen. Diese Idee war nicht nur vom Wunsch auf eine neue Heimat geprägt, sondern auch die vorherrschende Arbeitsteilung im Streich- und Zupfinstrumentenbau unter Einbeziehung von Heimarbeitern machten eine erneute gemeinschaftliche Ansiedlung sinnvoll und wirtschaftlich notwendig.
Die staatlichen Stellen waren sich anfangs jedoch nicht einig, wo die Neuansiedlung der Schönbacher stattfinden sollte. Der Plan, die gesamten Schönbacher Instrumentenbauer in Mittenwald – einer oberbayerischen Marktgemeinde, in der schon seit Jahrhunderten Geigenbau betrieben wurde – anzusiedeln, wurde bereits 1945 von der dortigen Bevölkerung abgelehnt.
Gleichzeitig betraute die bayerische Staatsregierung Fred Wilfer (ab 1954 Framus Werke Bubenreuth) schon im Oktober 1945 damit, die Grundlagen für eine gemeinsame Ansiedlung der Schönbacher Instrumentenmacher im Raum Erlangen zu schaffen. Zu diesem Zweck gründete er am 1. Januar 1946 in Erlangen die „Fränkische Musikinstrumentenerzeugung Fred Wilfer KG“. Diese entwickelte sich in den Folgejahren zur zentralen Anlaufstelle der Vertriebenen Geigen- und Gitarrenmacher.

Nachdem auch eine Ansiedlung im Werdenfelser Land 1947 offiziell abgelehnt wurde, viel die Entscheidung auf den Landkreis Erlangen. Der Kreisausschuss unter Vorsitz des damaligen Landrates Hönekopp beschloss sodann im Jahr 1948 die Ansiedlung der Schönbacher.
Das bayerische Staatsministerium für Wirtschaft plante infolgedessen im Landkreis Erlangen eine Siedlung für 2000 Personen. Die ersten 30 Wohnungen, vorgesehen in Möhrendorf, hatte die oberste Baubehörde bereits genehmigt, da sprach sich auch hier in Möhrendorf die Bevölkerung in einer Bürgerversammlung im Juli 1949 gegen eine Ansiedlung der Instrumentenbauer aus.

Am 3. Oktober 1949 fiel dann die endgültige Entscheidung für den Bau der „Geigenbauersiedlung“. Damals fasste der Gemeinderat Bubenreuths, einer Nachbargemeinde Möhrendorfs, unter Vorsitz des Bürgermeisters Senator Hans Paulus den einstimmigen Entschluss, den heimatvertriebenen Schönbachern zu helfen und die Ansiedlung der Schönbacher in Bubenreuth vorzunehmen. Dieser Beschluss wandelte die Struktur der Gemeinde in den darauf folgenden Jahren grundlegend. Setzte sich die Bevölkerung im Jahr 1949 aus 695 Einwohnern zusammen, die hauptsächlich in der Landwirtschaft oder in Erlanger Betrieben tätig waren, so wurden in der Zeit von 1949 bis 1955 etwa 400 Wohnungen neu erstellt und rund 1600 heimatvertriebene Instrumentenmacher angesiedelt. Als Bauträger stellte sich hierfür übrigens die katholische „St. Joseph Stiftung Bamberg“ zur Verfügung.
Nach den ersten chaotischen Nachkriegsjahren kam die Wirtschaft besonders in den Westzonen, angetrieben durch den Marshallplan und die Währungsreform 1948, wieder in Schwung. Die Bubenreuther Instrumentenmacher profitierten aber nicht nur vom sogenannten „Wirtschaftswunder“ der am 14. August 1949 gegründeten Bundesrepublik Deutschland, sondern auch von der gewonnenen Unabhängigkeit von dem vorher herrschenden Markneukirchner Verlagswesen.
Über 30.000 Violinen, Violas, Celli und Kontrabässe, 20.000 Gitarren und andere Zupfinstrumente wurden allein in Bubenreuth noch bis in die 1990er Jahre jährlich hergestellt und in alle Welt exportiert. Bis zur Wiedervereinigung Deutschlands stand Bubenreuth damit im alten Bundesgebiet an führender Stelle in der Herstellung von Streich- und Zupfinstrumenten.

Eine weltweit führende Rolle nimmt Bubenreuth und seine Umgebung in der Streichbogenherstellung noch heute ein.
Heute stellen mehrere selbständige Meister in ihren Werkstätten in und um Bubenreuth hochwertige Soloinstrumente in Einzelanfertigung her und sind durch ihre Erfolge bei nationalen und internationalen Wettbewerben bekannt geworden.
Künstler aller Genres spielen die in Bubenreuth gefertigten Instrumente und tragen den Namen des Ortes seit Ansiedlung der Schönbacher Instrumentenmacher in die ganze Welt.
Beispielhaft hierfür steht etwa der Bass Modell 500/1 der Firma Karl Höfner, der durch Paul McCartney zum legendären „Beatles-Bass“ wurde.

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Kield "Lacquercracks" und Stefan Lob für "www.schlaggitarren.de" im Dezember 2009

Historische Vorlagen im Schlaggitarrenbau

Artikel von Stefan Lob

Es gibt einige Elemente im Schlaggitarenbau, die sich auf den historischen Instrumentenbau zurückführen lassen. Diese Elemente waren sicherlich den meisten Instrumentenbauern bekannt. Solche Techniken wurden von Handwerkern über Generationen weitergegeben. Im Schlaggitarrenbau gibt es heute Elemente, die als einzigartig und modern bezeichnet werden aber in Wahrheit uralte Überlieferungen und klare Entwicklungslinien des historischen Instrumentenbaus sind.

Röhrenförmig profilierter Boden

Anfangen möchte ich mit einer Gitarre, die als eine der berühmtesten Schlaggitarren aus deutscher Produktion gilt.

Die Hoyer „Bianka“ entstand aus einer Entwicklungslinie. Es ist eine Weiterentwicklung von der Hoyer „Special“ über die „Hoyer Special SL“ die zur „Bianka“ führte. Das Besondere an der Bianka sind ihre röhrenförmig profilierte Decke & Boden.

Dieses Gestaltungsmerkmal lässt sich allerdings auf ein historisches Instrument zurückführen.

Die spanische „VIHUELA“ aus dem 16. Jhd. hatte einen ähnlich gestalteten Boden und diente wahrscheinlich als historische Vorlage!

Verzierungen und Einlegearbeiten

Verzierungen und Einlegearbeiten (Intarsien), wie man sie bei Neubauer, Hüttel und anderen sieht, wurden schon vor vielen hundert Jahren an diversen historischen Streich- und Zupfinstrumenten
verwendet.

Kopfplatte aus Metall

Auch die Idee, eine Kopfplatte aus Metall zu verwenden, stammt aus alten Zeiten. Besonders beim Bau von Kontra- und Schrammelgitarren dienten diese Metallauflagen zur Stabilisation der Kopfplatte.

Es gab solche Metallauflagen für die Kopfplatten auf der Vorderseite aber auch für die Rückseite. Es gab auch fertige Mechaniksätze, welche mit einer Metallplatte verbunden waren.

Der berühmteste Gitarrenbauer der Metallplatten auf seinen Schlaggitarren-Kopfplatten verwendet hat, war sicherlich Artur Lang aber auch Gutav Glassl und Rudi Kreul (ROAL) haben solche Auflagen verwendet

Saitenhalter und verstellbarer Aufstellsteg

Saitenhalter aus Metall wurden ebenfalls bereits vor vielen hundert Jahren auf historischen Instrumenten verwendet. Bevor es die typischen Saitenhalter im Schlaggitarrenbau gab, wurde viel experimentiert. Im Mandolinenbau gab es sogenannte Ärmelschützer, welche hinter den Saitenaufhängunswinkel geklemmt wurden. Solch eine Kombination ist im Endeffekt das gleiche was wir heute als typischen Saitenhalter im Schlaggitarrenbau bezeichnen. Saitenhalter wurden im Streichinstrumentenbau in der Regel aus Holz geschnitzt, aber es gab auch immer wieder Instrumente die mit Saitenhaltern aus Metall versehen waren. Im Hawaii-Gitarrenbau spielte eine variable Einstellung der Saitenhöhe eine große Rolle. Dort verwendete man einen höhenverstellbare Aufstellsteg. Diesen Aufstellsteg gab es einzeln oder auch in Kombination mit einem Saitenhalter aus Metall.

Saitenhalter

Besonders interessant ist die Entwicklung im Harfen-Gitarrenbau. Historische Gitarren haben in der Regel auf die Decke geleimte Brücken. Mit Hilfe von kleinen Holzpinnchen wurden die Saiten verankert. Dieses Prinzip ist schon sehr alt und wird heute immer noch im Westerngitarrenbau verwendet.

Auf diesem wunderschönen Foto von Gregg Miner / Harpguitars kann man deutlich sehen wie man bei Gibson versuchte diese Konstruktion zu verstärken. Der Schritt zum Metall-Saitenhalter in Kombination mit einem verstellbaren Aufstellsteg war nicht weit und eine logische Entwicklung.

Moderne Gitarrenbauer verwenden auch gerne wieder traditionelle Saitenhalter aus Holz.

Schalllochformen

Schalllochformen sind natürlich ein Kapitel für sich und werden hier auch bald gesondert betrachtet. Zwei kleine Beispiele möchte ich hier dennoch aufzeigen.

Die Schallöcher der Höfner 461 sind keine modernen Schallöcher, wie so oft behauptet wird. Diese Schalllochform ist auch schon sehr alt und wurde auf der Viola Dámore verwendet. Auf der Collage sieht man auch eine ganz alte Schlaggitarre, (vermutlich Ende der 20er bis Anfang der 30er Jahre) die diese Schalllochform verwendet.

Im Schlaggitarrenbau gab es immer wieder Modelle mit einem runden oder ovalen Mittelschallloch und zwei weiteren Schalllöchern (f / Sichel/Tropfen usw.).

Auch dies ist ein Merkmal, das es bereits beim historischen Instrumentenbau gab. Besonders Zupf- und Streichinstrumente aus der Barock- und Renaissancezeit weisen unglaublich aufwendige Dekorationen auf. Besonders die Mittelschalllöcher wurden mit unglaublich filigranen und oft auch dreidimensionalen Schnitzarbeiten versehen.

Im Vergleich mit vielen dieser alten Instrumente kommt es mir oft so vor, als ob der Konservatismus im Instrumentenbau mit fortschreitender Zeit immer größer wurde.

Dieser kleine Artikel sollte nur einen kleinen Einblick in die wirklich interessante Geschichte des Gitarrenbaus zeigen. Um sich näher mit dem Thema zu beschäftigen, empfehle ich die unten genannten Webseiten.

Quellen
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Danksagung:

Vielen Dank an Stephen Candib, Simon Deobald, Frankpaush, Johann Frisch, Rolf Gückel, Kim Jensen, Herbert Rittinger, Ol'Fret , Snap, Wietse und viele andere Teilnehmer des "Euroguitars Forums" und viele eBayer weltweit, die mir Bilder und anderes Material zur Verfügung stellten.

Danksagung von Stefan Lob

Vielen Dank an Kield "Lacquercracks" für diese sensationelle Bestimmungshilfe, Herrn Martin Haberfellner für die vielen Informationen, Herbert Rittinger der mich als erster auf Rod. Hoyer Gitarren aufmerksam machte und durch ein Aufkleber in einer seiner Gitarren auch den Herkunftsort nennen konnte. Durch diese Informationen war es mir erst möglich weiter zu forschen. Natürlich auch Dank an die zahlreichen Leser und Freunde, die dieses Projekt unterstüzten.

Kield "Lacquercracks" und Stefan Lob für "www.schlaggitarren.de" im Dezember 2009

Firmennamen und -abkürzungen – Artikel von Florian Stark

Vorwort

Liebe Freunde des vogtländischen Gitarrenbaus.

Mich haben schon immer Firmennamen und ihre Abkürzungen interessiert. Nicht zufällig habe ich für meinen Moderatorenname, im Forum des Musikinstrumenten Museums Markneukirchen, das Kürzel STELOL gewählt. Es steht für STEfan LOb aus Lohmar.

In vielen verschiedenen Artikeln im Forum werden Abkürzungen benutzt und ich stellte fest, dass schon die Generationen vor mir eine Vorliebe für diese Darstellungsweise hatten. Während sich meine bisher gesammelten Abkürzungen auf Gitarrenbauer, Zubehörlieferanten und Gitarrenhändler beschränkten, offenbarten der Metallblasinstrumentenbauer Mario Weller und der Geigenbaumeister Udo Kretschmann weitere neue Abkürzungsvarianten.

Florian Stark, ein netter junger Mann, absolviert sein freiwilliges soziales Jahr im Museum Markneukirchen. Er ist dabei im Bereich Kultur tätig und interessiert sich ebenfalls für Namensabkürzungen. Bei seinen Recherchen suchte er jedoch nicht ausschließlich in der Gattung Instrumente, sondern er durchforstete die MUM-Datenbank nach allem, was nach Abkürzung für eine vogtländische Firma aussah.

Herausgekommen ist eine hervorragende Sammlung von Abkürzungen vogtländischer Firmen im Bereich Musikalien-Handel, Instrumenten- und Zubehörbau!

Diese Liste hat er „Stück für Stück“ im Forum erarbeitet. Das Ergebnis der Liste konnten bislang nur die Moderatoren und Mitarbeiter einsehen. Ich fragte Florian, ob er diese Liste nicht hier veröffentlichen wolle und ob er sich weiterführend nicht ein paar Gedanken zur Entstehung und zur Systematik der Abkürzungen machen möchte!

Was soll ich sagen! Er hat es getan; und hier kommt sein Artikel mit den gesammelten Abkürzungen und Ihrer Bedeutung!

Im MuM Forum ist diese Liste jetzt auch für alle Besucher einzusehen!

Vielen lieben Dank an Florian Stark!

Firmennamen und -abkürzungen

Die Stadt Markneukirchen in Sachsen war und ist das deutsche Zentrum des Orchesterinstrumentenbaus.
Der Markneukirchener Instrumentenbau erlebte gegen Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts seine Blütezeit.

Zu dieser Zeit bestanden in Markneukirchen zahlreiche Firmen, die entweder Ins
trumente herstellten oder diese verkauften.
Zu dieser Zeit kam eine für Markneukirchen und das obere Vogtland typische Art der Firmenbezeichnungen auf. Die Firmennamen wurden gebildet aus den Anfangsbuchstaben des Namens des Gründers und den Anfangsbuchstaben des Firmensitzes, also Markneukirchens.
Die wohl erste Firma, die nach dieser Art benannt wurde, ist die Firma ESTOMA (Ernst Stoll Markneukirchen), ein Produzent von Saiten für Musikinstrumente. Die Firma existiert seit 1836 und auch heute noch, stellt allerdings keine Saiten mehr her, sondern Gummiseile und Seilwerk für Yachten.
Auch mit zu solchen Unternehmen der ersten Stunde gehört LIHAMA, gegründet 1837. LIHAMA steht für Lippold Hammig Markneukirchen. Zuerst auf den Geigenbau spezialisiert, wurden zunächst Zupfinstrumente in die Produktion mit aufgenommen. Später fertigte man je nach Weltmarktlage auch Blasinstrumente und Harmonikas.

Typisch waren diese Firmenbezeichnungen 1837 jedoch noch nicht. Erst mit der Einführung der Gewerbefreiheit in Sachsen und der Gründung des Deutschen Reiches 1871 wurden auch viele Firmen in Markneukirchen gegründet. Erst ab dieser Zeit kann man eine erhöhte Häufigkeit bei den spezifischen Abkürzungen feststellen.

Einige Beispiele seien hier stellvertretend genannt:
  • MOM – Max Otto, Markneukirchen (Versandgeschäft)
  • OSBAMA – Oswald Bachmann Markneukirchen (Zupfinstrumente)
  • ROHEMA – Robert Hellinger Markneukirchen (Taktstöcke, Trommelstöcke, Kinderinstrumente)
  • ARJURMA – August Reichel Junior, Markneukirchen (Blechblasinstrumente)
  • LEFIMA – Leberecht Fischer, Markneukirchen (Trommelfabrik)

Auch ohne den Ortsnamen waren die Abkürzungen verbreitet:

  • OTWIN – Otto Windisch (Geigenbau und Handel mit Musikinstrumenten)
  • HEMOSCH – Heinrich Moritz Schuster (Handelsgeschäft)
  • ROA – Robert Oswald Adler (Holzblasinstrumente)

Auch später hat man immer wieder Firmen auf diese Art mit der Abkürzung des Namens in Verbindung mit dem Ortsnamen bezeichnet. 1943 gründeten die Handwerker eine Genossenschaft, die Migma. Das steht für Handwerker-Genossenschaft e.G. Markneukirchen.

1952 wurde von der damaligen DDR-Regierung der Volkseigene Betrieb Musikinstrumentenbau Markneukirchen (VEB Musima) gegründet, in dem die Streich- und Zupfinstrumentenproduktion der ehemaligen DDR konzentriert war.

Auch heute werden die alten Firmenbezeichnungen weiter verwendet und auch manche neue Firmen auf die traditionelle Art benannt. So zum Beispiel die Firma Mastri (Markneukirchener Streichinstrumente), und die VMI (Vogtländische Musikinstrumentenmanufaktur, zur JA Musik Gruppe gehörend).

Abkürzungen von Firmen aus dem Vogtland

Recherchiert und Zusammengetragen von Florian Stark (FSJ-Kultur)
aus dem Musikinstrumenten Museum der Stadt Markneukirchen

AHELMA
Arthur HellingerMarkneukirchen
Im Weltadressbuch von 1932 ist die Firma als “Taktstockfabrik” bezeichnet.
Nicht zu verwechseln ist die Firma mit Rohema, da dort ebenfalls Taktstöcke produziert werden und die Firma in Händen der Familie Hellinger ist.
ALPIMA
Albin Ludwig Paulus jr. in Markneukirchen
Diese wurde 1890 gegründet. Albin Ludwig Paulus jr. war Geigenmacher. 1895 erhielt er den Titel eines Königlich Sächsischen Hoflieferanten. 1925 ist die Firma in Paul de Witts Weltadressbuch verzeichnet als
Zitat„Fabrikation sämtlicher Streichinstrumente, Spezialität: Oellack- Violinen, sowie billigste Bezugsquelle sämtlicher Musikinstrumente und deren Bestandteile -Reparaturen. Somit betrieb Albin Ludwig Paulus jr. neben seiner Arbeit als Geigenbauer, wohl auch noch ein Versandgeschäft.
Er verstarb am 12.06.1946 in Markneukirchen, womit sich die Firma wahrscheinlich auch auflöste.
ZitatDazu Mario Weller:
noch im Jahre 1945 läßt man von dem Markneukirchner Graveur Fritz Reichel einen Firmenstempel anfertigen (mein letzter Hinweis auf diese Firma)
AMDIS
A.&M. Dölling Siebenbrunn
Arthur Dölling und Albin Moritz Dölling gründeten 1891 in Siebenbrunn eine Firma, die Etuis und Hüllen für Musikinstrumente herstellte. Teilweise signierte man dabei mit Amdis.
APUS
Ammon Paul Uebel sen.
A.P. Uebel sen. war ein Musikinstrumentenhändler, der in Erlbach ein Versandgeschäft führte. Die Firma wurde 1908 gegründet. A.P. Uebel sen. starb wahrscheinlich vor 1930, da ab diesem Jahr seine Frau im Weltadressbuh von Paul de Witt als Firmeninhaberin aufgeführt ist.
Zitatn kleinen Umfang haben seine Nachfahren noch bis Ende der 1960(?) Jahre Instrumente verschickt.
ARJURMA
August Reichel junior Markneukirchen
Die Firma Arjurma, oder August Reichel Junior, Markneukirchen, wurde 1868 gegründet.
Die Firma stellte Metallblasinstrumente her. Außerdem hatte man eine herausragende Stellung bei der Ausbildung weiterer Musikinstrumentenbauer inne. So wurden, neben den eigenen Söhnen, die ersten Meister der Familien Knopf und Mönnig hier ausgebildet, ebenso wie zahlreiche Meister, die sich später im Umland von Markneukirchen ansiedelten, wie Gustav Jehring und August Spengler. Auch ein Versandgeschäft war der Firma angegliedert. Der letzte Firmeninhaber war Karl Armin Reichel, der 1962 verstarb.
ASCHADO
Alfred Gustav Schaufuß Adorf
Der Zupfinstrumentenbauer Alfred Gustav Schaufuß aus Adorf signierte mit der Brandmarke Aschado. Schaufuß hat sich 1924 selbstständig gemacht.
B&S
VEB Blechblas &Signalinstrumentenfabrik
Im VEB Blechblas- & Signalinstrumentenfabrik wurden 1953 die großen Metallblasinstrumentenhersteller in der DDR zusammengefasst. Die Instrumente wurden mit B&S signiert und in Markneukirchen produziert. Nach der Wende wurde der VEB B&S in Vogtländische Musikinstrumentenfabrik (VMI) umbenannt und von der Treuhand an die TA Musik-Gruppe, einem Mitglied der Mittelstands-Holding TA Triumph Adler AG, verkauft.
2001 wurde die TA Musik im Zuge eines Management Buyouts an eine Gruppe um den langjährigen Branchenmanager Gerhard A. Meinl verkauft und in JA Musik GmbH umbenannt. Diese übernimmt die Aufgaben einer Management-Holding für die Tochtergesellschaften im Holz- und Blechblasinstrumentenbau. Neben B&S gehören auch die Marken Meinl Weston, Antoine Courtois (AC), Melton, Hans Hoyer, Scherzer und F. Arthur Uebel zur Unternehmensgruppe.
Quellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/JA_Musik
http://www.ja-musik.com
http://www.melton.de
BEKOMA
Bernhard Kohl Markneukirchen
Bernhard Kohl lebte von 1882 bis 1960 und war Metallblasinstrumentenmacher.
In Paul de Witts Weltadressbuch von 1932 wird er als Messinginstrumentenmachermeister benannt. Seine Adresse war die Apian-Bennewitz-Straße 6.
Weitere Informationen über diese Firma liegen mir nicht vor.
CASIM
Carl August Schuster
Die Firma Carl August Schuster in Markneukirchen wurde 1930 gegründet.
Casim war ein Musikinstrumenten- und Saitenversand. Um 1912 wurden in eigener Werkstatt sogar Akkordeons gefertigt.
Die Firma bestand noch bis 1982, als sie mit dem Tod der letzten Besitzerin, Frau Liesbeth Becker geb. Weiser, erlosch.
CEA
C. A. Wunderlich
Die Firma Cea wurde 1854 von Carl August Wunderlich in Siebenbrunn gegründet.
In der Firma wurden Blasinstrumente gebaut. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts fand ein Wandel hin zum Großhandel mit sämtlichen Musikinstrumenten statt.
Die Firma bestand noch bis zum 16.9.1966.
DÖLMA
Camphausen & Dölling Markneukirchen
Die Firma betrieb eine Streichinstrumentenferigung sowie einen Musikinstrumenten- und Saitenversand.
EFRANO
Ernst Frank
Die Firma wurde 1919 von dem Saitenmachermeister Ernst Frank in Zwota gegründet.
1949 übernahm sein Sohn Gerhard Frank den Betrieb, bis er dann 1989 das Unternehmen an seinen Sohn Wolfgang übergab.
Auch heute noch produziert das Unternehmen qualitativ hochwertige Darmsaiten für Streichinstrumente, Orgelbau, Uhrenbau und Historische Waffen.
EPTO
Ernst Paul Todt
Dieser gründete 1902 in Erlbach ein Versandgeschäft. Die Firma bestand mindestens bis 1932, da sie in jenem Jahr noch im Weltdressbuch von Paul de Witt verzeichnet ist.
EROMA
Ernst Heinrich Roth Markneukirchen
Die Firma wurde 1902 von Ernst Heinrich Roth aus Markneukirchen gegründet.
Er war Geigenmacher und hatte nebenbei ein Versandgeschäft.
Nach dem 2. Weltkrieg floh die Familie Roth nach Bubenreuth. Dort wurde die Firma 1953 neu gegründet.
Heute gibt es auch wieder eine Produktion in Markneukirchen. Dort und am Firmensitz in Bubenreuth werden Geigen, Bratschen, Cellos und Kontrabässe hergestellt.
ESTA
Emil Bruno Stark Die Firma Esta wurde 1918 von Emil Bruno Stark in Erlbach gegründet.
Esta war ein Hersteller von Streich- und Zupfinstrumenten, sowie ein Versandgeschäft.
ESTOMA
Ernst Stoll Markneukirchen
Die Firma Estoma existiert seit 1836. In jenem Jahr wurde sie von Ernst Stoll aus Markneukirchen gegründet.
Estoma produzierte Saiten für Musikinstrumente.
Die Firma existiert heute noch, produziert aber keine Saiten mehr, sondern Gummiseile und Tauwerk für Yachten.
FISOMA
J. G. Ficker & Sohn Markneukirchen
Fisoma war ein Saitenfabrikant und Versandgeschäft in Markneukirchen.
Die Firma wurde 1790 durch Johann Georg Ficker gegründet.
Der Name FISOMA ist von der Firmenbezeichnung “J. G. Ficker & Sohn Markneukirchen” abgeleitet. Die verkauften Instrumente und Saiten wurden mit unterschiedlichen Markennamen signiert, so unter anderem:
“J.G. Ficker&Sohn”
“Reform”
“Sonora”
“Triumph”
“Elite”
“Extra”
“Fisoma”
“Herculea”
“Immer lustig”
“Nymphe”
“Parish-Alvars”
“Rome”
“Accribella”
GEWA
Die Firma Gewa wurde 1925 von Georg Walther in Adorf gegründet.
Zunächst war die Firma ein Etuibauer, später kam ein Versandhandel hinzu.
1950 wurde der Firmensitz nach Mittenwald verlegt.
Seit 1990 ist das Zentrallager wieder in Adorf angesiedelt. Zur Zeit wird auch der Firmensitz samt der kompletten Verwaltung zurück nach Adorf verlegt.
GIAM
Aktiengesellschaft für Geigen-Industrie
Die Aktiengesellschaft für Geigenindustrie Markneukirchen kennzeichnete ihre Geigen mit Giam.
Gegründet wurde die Gesellschaft am 13.3.1906 in Markneukirchen. 23 Gründer kamen aus Markneukirchen und 2 aus Klingenthal.
Die Gesellschaft stellte Bestandteile für Streichinstrumente her und war auch Vertriebsfirma für selbige. Auch der An- und Verkauf von Holz gehörte zu den Geschäftsfeldern der AG. Später wurden auch fertige Streichinstrumente hergestellt. Ab 1913 gab es auch eine Zweigniederlassung in Berlin-Charlottenburg.
Die AG wurde Opfer der Weltwirtschaftskrise. Das Grundstück wurde am 15.7.1931 versteigert.
GURIEMA
Gumprecht & Riedel Markneukirchen
Die Firma Guriema ist ein noch recht junges Unternehmen und wurde erst nach der Wende gegründet. Der Name bedeutet, nach alter Markneukirchener Tradition, Gumprecht & Riedel Markneukirchen.
Zum Sortiment gehören Mandolinen, Lauten, Drehleiern, Waldzithern, Balaleikas, Windharmonikas sowie Zubehör zu den Instrumenten.
FEDOM
Fedom ist die Marke der Firma Ernst Dölling Markneukirchen
Die Firma ist im “Musique Adresses Universel”, einem französischen Adressbuch der Musikinstrumentenindustrie in allen hier vorliegenden Ausgaben von 1928-1931 verzeichnet als Blechblasinstrumenten- und Bestandteilefabrik.
HEMOSCH
Heinrich Moritz Schuster
Die Firma Hemosch gehört Heinrich Moritz Schuster und wurde bereits 1871 in Markneukirchen gegründet. Der Eintrag als Handelsgeschäft erfolgte am 22.11.1897 unter Firma “Heinr. Moritz Schuster”, ab 21.12.1906 hieß die Firma “Musikhaus Heinr. Moritz Schuster”. Nach dem Tod des Gründers im Jahr 1913 verkauften die Erben das Geschäft an den Kaufmann Paul Ficker. Dessen Tochter Gertraud führte das Großhandelsgeschäft noch bis 1973 weiter.
HERDIM
Heinrich Hermann Dick Makneukirchen
Die Firma von Heinrich Hermann Dick aus Markneukirchen wurde wahrscheinlich schon 1848 gegründet und war ein Versandgeschäft, welches Anfangs hauptsächlich mit Streich- und Zupfinstrumenten handelte. In den 1930er Jahren kamen alle weiteren Musikinstrumente hinzu. Außerdem fokusierte sich das Unternehmen auf mechanische Instrumente und vertrieb “Sprechmaschinen”, sowie “Schallplatten und Nadeln”.
HERWIGA
Wilhelm Herwig Markneukirchen = HERWIGA
HSM
Hermann Schmidt Metallblasinstrumente
Die Firma Hermann Schmidt Metallblasinstrumente (M nicht für Markneukirchen) wurde 1978 von Hermann Schmidt in Markneukirchen gegründet. Der Betrieb wurde zunächst als reiner Reparaturbetrieb für Metallblasinstrumente gegründet. Zur heutigen Produktpalette gehören neben Reparaturen auch Neuanfertigungen von Trompeten, Flügelhörnern, Tenorhörnern, Baritone, Posaunen und Tuben sowie Jagdhörner und Naturtrompeten. (siehe: http://www.hsm-brass.de)
Die Firma fertigt alles vom Schülerinstrument bis zum Spitzeninstrument für Profis. Dabei fertigt man sowohl Einzelstücke als auch Kleinserien.
Auch Sondermodelle und Kopien oder Nachbauten historischer Instrumente werden auf Kundenwunsch gefertigt.
HSM leistete einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung einer modernen Ophikleide.
JACOMA
F. W. Jacob Die Firma F. W. Jacob wurde 1875 gegründet.
Das Unternehmen war eine Saitenfabrik, deren Saiten unter anderem unter der Marke Jacoma vertrieben wurden.
K.M.E.
Klingenthaler Musikelektronik GmbH K.M.E: ist die Abkürzung für Klingenthaler Musikelektronik GmbH.
Dies ist, wie es der Name schon sagt, eine Firma, die Musikelektronik und Beschallungssysteme herstellt.
KLAWUS
Klaus Wunderlich Schönlind
Der Name Klawus steht für Klaus Wunderlich Schönlind.
Die Firma wurde ca. 1910 gegründet und stellt bis heute hochwertige Koffer und Etuis für Holzblasinstrumente her.
KUSTEMA
Kurt Stengel Markneukirchen
KUSTEMA ist die Qualitätsmarke von Kurt Stengel aus Markneukirchen. Zitat: fertigte hervorragende Mandolinen, Waldzithern und “tonstarke” Gitarren
vermerkt der Markneukirchener Geigenexperte Oskar Erich Heinel.
1960 übernahm Stengel die väterliche Werkstatt und kennzeichnete seine handgefertigten Instrumente mit KUSTEMA.
LEFIMA
Leberecht Fischer Markneukirchen
Die Firma Lefima wurde von Leberecht Fischer aus Markneukirchen im Jahre 1860 gegründet.
Lefima war und ist eine Trommelfabrik.
Ende der 1950er Jahre übersiedelte die Firma aufgrund der sich immer mehr verschlechterten politischen Lage in der DDR an den heutigen Standort nach Cham.
Das aktuelle Sortiment umfasst 120 unterschiedliche Trommel- und 10 Paukenmodelle und reicht vom Elementarbereich für Einsteiger bis hin zu Profiinstrumenten. Zielgruppen sind Schulen und Kindergärten, Spielmannszüge, Blaskapellen, sowie Sinfonieorchester und Solisten in aller Welt.
Lefima gilt heute als eine der größten Trommelfabriken weltweit.
LEKREMA
Lederer & Kreinberg Markneukirchen
Die Firma Lederer und Kreinberg, oder Lekrema, wurde 1898 gegründet.
Neben einem Versandgeschäft gab es zeitweise auch eine Saitenproduktion und eine Produktion von Musikinstrumentenbestandteilen.
LIHAMA
Lippold Hammig Markneukirchen
Die Firma wurde 1837 in Markneukirchen durch den Geigenmachermeister Carl Friedrich Lippold gegründet. Der Firmenname Lippold Hammig geht auf eine verwandschaftliche Beziehung der Familien Lippold und Hammig zurück.
Anfangs wurden Streichinstrumente produziert. Bald wurden auch Lauten, Gitarren und Mandolinen in die Produktion aufgenommen. Später änderte sich die Fertigung je nach Nachfrage auf dem Weltmarkt und es wurden u.a. Blechblasinstrumente und kleine Ziehharmonikas hergestellt.
Nach 1945 wurde die Eigenproduktion komplett eingestellt. Es erfolgte nur noch Großhandel.
Die Firma wurde 1974 verstaatlicht und hörte somit auf zu existieren.
MAFIMA
Max Fischer Markneukirchen
Max und Ernst Fischer aus Markneukirchen werden im Weltadressbuch Paul de Witt’s von 1932 als Inhaber der Firma Mafima genannt. Dort wird sie als “Musikinstrumenten-Fabrik und Versand” bezeichnet.
Marma
Musikhaus am Rhein Mainz
Marma ist das Musikhaus am Rhein, Mainz (nicht Markneukirchen), welches 1920 von Karl Bauer in Mainz gegründet wurde.
Bereits in Paul de Witts Weltadressbuch von 1926 ist eine Filiale in Markneukirchen verzeichnet. Zitat: WAB, deWit (1926): Wohlhausen, Erlbacher Straße 44, Filialgeschäft, Fabrikation und Grosshandlung der “Marma”-Streich- und Saiten-Instrumenten, sowie Darm- und Stahlsaiten, des “Guitarola”-Spielapparates, des “Tromon”-Capodastro, Bogen, Etuis und Metronome (Hauptgeschäft in Mainz). Nach dem 2. Weltkrieg kamen die Besitzer ins Vogtland, da ihr Geschäft in Mainz alliierten Bomben zum Opfer gefallen ist.
MASTRI
Mastri heißt “Markneukirchener Streichinstrumente” und bezeichnet eine Firma aus Erlbach, die sowohl Geigen, als auch Bratschen, Cellos und Kontrabässe sowie die dazugehörigen Bögen und weiteres Zubehör, wie Saiten und Etuis, verkauft.
Quelle:
http://www.mastri.de
MIGMA
Musikinstrumenten-Handwerker-Genossenschaft e.G. Markneukirchen
Migma ist die Abkürzung für: “Musikinstrumenten-Handwerker-Genossenschaft e.G. Markneukirchen”
und wurde 1943 gegründet.
Diese besteht heute noch und ist eine Einkaufs- und Vertriebsgenossenschaft, der sich viele Handwerksmeister der Region angeschlossen haben.
Das heutige Produktangebot umfasst nach eigenen Angaben:
– Streichinstrumente
– Bogen für Streichinstrumente
– Zupfinstrumente
– Blasinstrumente
– Orff Instrumente und Schlägel
– Drumsticks und Rods
Migma ist auch der Name eines Blasorchesters in Markneukirchen.
MOM
Max Otto Markneukirchen
Max Otto aus Markneukirchen hatte ein Versandgeschäft. die Firma wurde 1892 in Markneukirchen gegründet und war eine Großhandlung für den Export von Musikinstrumenten und Saiten.
MUSIMA
Musima heißt Musikinstrumentenbau Markneukirchen und ist eine Markenbezeichnung von Musikinstrumenten aus der ehemaligen DDR. Der Markenname ist eine Abkürzung des Herstellerbetriebes, des ehemaligen VEB Musima Markneukirchen.
Die Musima wurde 1952 als Treuhandbetrieb mit 20 Mitarbeitern gegründet. 1953 wurde die Firma in einen volkseigenen Betrieb umgewandelt. Eine neue Produktionsstätte wurde von 1963-67 gebaut. Ab 1967 war die Musima der Leitbetrieb für die Erzugnisgruppe Zupf- und Streichinstrumente. Auch Blockflöten, Saiten und Zubehör wurden gefertigt. Damit war die Musima einer der größten Betriebe im Musikinstrumentenbau in der ehemaligen DDR. Nach der Wende wurde der Betrieb in eine GmbH umgewandelt und 1992 von Helmut Stumph und Fritz Kropp (aus den alten Bundesländern) gekauft. Damit verbunden war die Umbenennung in MUSIMA “Manufaktur GmbH”. Das Engagement war nicht von geschäftlichem Erfolg gekrönt. So folgte am 1.5.1997 die Gesamtvollstreckung. Am 5.3.1998 übernahm der Cottbuser Bodo Bärwinkel das Hauptwerk, doch auch er meldete im Jahr 2003 Konkurs an.
OEBRA
Oertel Brambach Die Firma Oebra wurde 1908 von Richard Oertel in Bad Brambach gegründet.
Das Unternehmen bestand aus einer Bogenfabrik sowie einem Versandhandel.
OMI
Obervogtländische Musik-Industrie
H.&W. Kopp Die Firma wurde 1920 in Markneukirchen von H.&W. Kopp gegründet.
In Paul de Wits Adressbuch von 1926 steht als Geschäftsfeld der Firma: “Fabrikation und Export von Musikinstrumenten, Saiten und Bestandteilen”.
OSBAMA
Oswald Bachmann Markneukirchen
Oswald Bachmann aus Markneukirchen war Besitzer der Schutzmarke Osbama. Bachmann fertigte Zupfinstrumente. Seine Werkstatt hatte er in der Adorfer Str. 32, gleich neben der Geigenmanufaktur von Hermann Todt, der sein Schwiegervater war.
Otwin
Otto Windisch
Die Firma von Otto Windisch steht hinter dem Namen Otwin. Diese wurde 1886 vom Geigenmacher Otto Windisch aus Schilbach gegründet. Bereits 1898 machte dieser seinen Bruder Paul zum Teilhaber der Firma. Paul Windisch übernahm die Firma 1903. Im selben Jahr wurde eine Filiale in Schöneck eröffnet, die schnell zum Hauptunternehmen wurde und Weltruhm erlangte. In Schöneck wurden ständig 70-120 Mitarbeiter beschäftigt.
Gefertigt wurden Streich-und Zupfinstrumente. Zudem betrieb man Handel mit alten Meisterinstrumenten, Zubehör, Tonhölzern, Lautsprechern und mechanische Instrumenten. Die Firma errang zahlreiche Auszeichnungen und Medaillen, u.a. in Leipzig, Marseille und Nizza.
1935 übernahm Johannes Windisch, der Sohn von Otto Windisch, die Firma.
1973 wurde die Firma vom VEB Sinfonia Markneukirchen übernommen.
RIDI
Richard Dick
Die Firma Ridi wurde 1885 von Richard Dick in Markneukirchen gegründet.
Die Firma war ein Versandgeschäft. Im Weltadressbuch von Paul de Wit des Jahres 1930 ist auch eine “Streich- und Blasinstrumenten-Fabrikation” genannt.
ROA
Robert Oswald Adler
Die Firma Robert Oswald Adler aus Markneukirchen signierte mit ROA. Die Firma wurde 1890 oder 1891 gegründet. Es wurden zeitweise bis zu zehn Gesellen beschäftigt.
Robert Oswald Adler selbst war Holzblasinstrumentenbauer. Später kam eine Versandfirma hinzu. Er handelte mit Musikinstrumenten aller Art. Die Firma bestand bis 1961.
Robert Oswald Adlers Enkel Gottfried Meinert gründete im selben Jahr die Nachfolgefirma “Fa. Gottfried Meinert”. Man widmet sich dort ebenfalls dem Holzblasinstrumentenbau, aber auch weiterhin dem Handel mit Musikinstrumenten und Zubehör. Mittlerweile hat Gottfried Meinert die Firma an seinen Sohn Frank übergeben.
ROHEMA
Die Firma “Robert Hellinger Markneukirchen” wird mit Rohema abgekürzt.
Die Firma wurde bereits 1888 von Eduart Robert Hellinger gegründet. Die Unternehmensleitung befindet sich noch immer in Händen der Familie Hellinger. Mittlerweile ist die 5. Generation ins Unternehmen eingetreten.
Rohema stellt Zubeör wie Trommelstöcke und Taktstöcke her. Auch Instrumente für Kinder gehören ebenso zum Sortiment, wie Stachel für Bass und Cello, Wischerstäbe, Geschenkartikel und Merchandise Produkte und verschiedene Holz- und Dreharbeiten.
Quelle:
www. rohema-percussion.de
SAMA
Die Signatur SAMA steht für die Firma von Erhard Sawatzki in Markneukirchen. SAMA steht dabei für die Anfangsbuchstaben von Sawatzki und Markneukirchen.
Erhard Sawatzki machte sich 1963 selbstständig. Zitat: Er fertigte neben Posaunen (Tenorposaunen, Jazzposaunen, Quartposaunen) u.a. auch Zylindertrompeten, Zylinderflügelhörner, Perinettrompeten, Kornetts mit Zylinder- sowie Perinetventilen, Tenorhörner, Wald- und Doppelhörner in vielen verschiedenen Ausführungen und Modellen an. Die Firma bestand bis 1990.
SML
Messieurs Strasser, Marigaux et Lemaire
Am 12. Januar 1935 gründeten die Herren Strasser, Marigaux und Lemaire in Paris ein Unternehmen, welches Holzblasinstrumente herstellt. Die Initialien der drei Gründer ergeben das Firmankürzel.
Nach mehreren Besitzerwechseln gelangt Hans Kreul 1991 in den Besitz von SML. 1996 wird das Unternehmen in die Triumph-Adler Gruppe überführt, die heutige JA Musik Gruppe.
SML ist heute Großhändler in Frankreich für die Instrumente der JA Musik Gruppe.
TACO
Tauscher & Co
Der Name Taco geht zurück auf den Geigenbauer Eduard Tauscher aus Erlbach. Dieser gründete 1889 die Firma Eduard Tauscher & Co.
Neben der Geigenherstellung wurde auch Handel mit anderen Musikintrumenten und mit Saiten betrieben. Die Firma war somit ein Versandgeschäft, welches weltweit Musikinstrumente vertrieb. Sogar in Sao Paulo wurde eine Filiale unterhalten.
Eduard Tauscher & Co. existierte noch bis ca. 1972/73. Letzter Besitzer der Firma war Günter Tauscher.
WILRI
Willy Richter 1896 wurde die Firma Wilri von Willy Richter aus Markneukirchen gegründet.
Die Firma war eine Saitenspinnerei.
Laut einem Eintrag im Weltadressbuch von Paul de Wit aus dem Jahr 1930 wurde auch mit Instrumenten gehandelt.
Der größte Teil der zusammengetragenen Daten stammt aus der MuM-Datenbank
Über Ergänzungen sind wir Dankbar!

Stand: Januar 2009

Kurzgeschichte zum Musikinstrumentenbau
in Markneukirchen von Heidrun Eichler

Die Besiedlung von Markneukirchen fand im 11. Jahrhundert durch Bauern aus dem oberpfälzisch – ostfränkischen Raum statt. Ähnlichkeiten in der Mundart sind bis heute deutlich zu hören. Markneukirchen war um 1650 eine kleine Stadt mit knapp 600 Einwohnern, vorrangig Handwerkern, Ackerbürgern und Landfuhrleuten. Infolge der Rekatholisierung Böhmens flüchteten viele Protestanten ins benachbarte Sachsen. Zu diesen Exulanten gehörten auch 12 Geigenbauer aus Graslitz, die 1677 in Markneukirchen eine Geigenmacherinnung gründeten- übrigens die älteste Innung dieser Art, die bis heute besteht.

Arbeiteten um 1700 in Markneukirchen etwa 30 Musikinstrumentenbauer, waren 100 Jahre später ca. 200 Menschen in Markneukirchen und Klingenthal mit dem Musikinstrumentenbau beschäftigt. Die Teilung von Instrumentenbau und Handel setzte sehr früh ein und war Mitte des 19. Jahrhunderts voll ausgeprägt. Ebenso typisch für die Region war die Spezialisierung und zunehmende Arbeitsteilung der Produzenten bereits im 18. Jahrhundert.
1828 gab es in der Musikstadt 61 Groß- und 35 Kleinhändler. Diese kauften die Ware meistens Dutzendweise vom Instrumentenbauer, der in der eigenen Werkstatt arbeitete.

Die Verleger, die im Volksmund “Fortschicker” genannt wurden, haben ihre Arbeit nicht uneigennützig getan. Bis zu 21 Millionäre hat es in der kleinen Stadt am Schwarzbach bis 1945 gegeben. Markneukirchen war zeitweilig der zweitgrößte Steuerzahler (pro Kopf gesehen) in Sachsen. Ein USA-Konsulat wurde Ende 1893 eingerichtet, um den Handel nach Übersee besser abwickeln zu können. Mit dem Eintritt der USA in den ersten Weltkrieg wurde das Konsulat geschlossen. Noch heute zeugen stattliche Bürgerhäuser und schmuckvolle Villen vom einstigen Reichtum der Musikstadt. Die beiden Weltkriege, Inflation und die Weltwirtschaftskrise wirkten sich sehr negativ auf den Instrumentenbau aus.

Nach 1946 wurden durch Enteignung von Großbetrieben, Zusammenlegung kleiner und mittlerer Betriebe und Gründung neuer Produktionsstätten vollkommen neue Strukturen im Musikinstrumentenbau geschaffen. Mit der Verstaatlichung von selbständigen oder halbstaatlichen Betrieben im Jahre 1972 fand eine weitere Konzentration der Produktion statt, die 1981 schließlich zur Gründung des Kombinates für Musikinstrumente führte. Der Absatz wurde zum größten Teil über die staatlich kontrollierte Außenhandelsgesellschaft DEMUSA Klingenthal abgewickelt.

Seit 1943 steht den privaten Musikinstrumentenbauern die Musikinstrumentenbaugenossenschaft MIGMA zur Seite. Ursprünglich von einzelnen Handwerkern gegründet, um sich gegenüber den Verlegern besser schützen zu können, hatte sie nach dem Krieg bis 1989 die Funktion einer Einkauf- und Liefergenossenschaft. Die selbständigen Instrumentenbauer konnten über die MIGMA Material einkaufen, was sie mangels westlicher Währung sonst nicht bekamen, waren aber dafür verpflichtet, einen Teil der Instrumente für den Verkauf an die Genossenschaft abzugeben. In den 1960iger Jahren wurde dem Nachwuchs die Übernahme oder Gründung von privaten Werkstätten nicht mehr gestattet, ein großer Fehler, der 1988 mit der zur Gründung der Fachschule für Musikinstrumentenbau (heute Westsächsische Hochschule Zwickau, Studiengang Musikinstrumentenbau Markneukirchen) korrigiert werden sollte. Heute ist die MIGMA eine Großhandelseinrichtung, die ihre Mitglieder regelmäßig bei Messen und Ausstellungen vertritt.

Die Entwicklung der industriellen Fertigung der Musikinstrumente nahm in den letzten Jahrzehnten einen ganz anderen Verlauf. Manufakturbetriebe entstanden bereits um 1900, wobei hier die Saitenfabrikation führend war. 1913 wurden 75% der Weltproduktion an Saiten durch Markneukirchen abgedeckt. Die Saitenherstellung war die Branche der Musikindustrie mit dem höchsten Anteil von Frauen. Tätigkeiten wie Saitenspinnen und -ringeln wurden auch häufig in Heimarbeit erledigt. Qualität konnte nur durch entsprechende Rohstoffe erreicht werden. Wurden Schafdärme zunächst aus England bezogen, so reisten die Handelsleute bald nach Mittelasien, um das Rohmaterial von dort zu beziehen.
Interessant ist dieser Umstand auch für die Geschichte des Museums, denn so mancher Weltreisende brachte für die Sammlung wertvolle Instrumente mit.

Erwähnenswert ist die von 1906 bis 1930 existierende Aktiengesellschaft für Geigenindustrie. Es war der erste Versuch der maschinellen Fertigung von Geigenschachteln (Boden, Zargen und Decke), die bis dahin hauptsächlich aus dem böhmischen Schönbach bezogen wurden.

Die industrielle Fertigung hatte einen weiteren Höhepunkt zu DDR-Zeiten. Bis zu 1200 Beschäftigte hatte der VEB MUSIMA, zu dem außer dem 1965 errichteten Hauptgebäude auch viele kleinere Betriebsteile gehörten, die 1972 bei der umfassenden Verstaatlichung mit angeschlossen wurden. Die Produktion umfasste täglich bis zu 2000 Blockflöten, 360 Gitarren und 20-30 Streichinstrumente.

Die Großbetriebe wurden in den 1990er Jahren privatisiert, stark verkleinert oder gingen- wie die MUSIMA- in Insolvenz. Es gab auch Neugründungen, allerdings ist der Produktionsumfang heute auf Grund der großen Konkurrenz aus dem Fernen Osten stark zurückgegangen.

Hohe Qualität und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis sind Voraussetzungen für Absatzchancen auf dem hart umkämpften Musikmarkt der Welt. Die langjährige Tradition des hiesigen Musikinstrumentenbaues und eine darauf aufbauende solide Ausbildung garantieren auch zukünftig den wirtschaftlichen Fortbestand der z.Z. ca. 120 Werkstätten und 6 mittelständischen Unternehmen.

Heidrun Eichler, 2008

© Heidrun Eichler

Framus – Die Anfänge

Artikel von Dr. Christian Hoyer und Stefan Lob

Erst einmal möchte ich mich ganz herzlich bei Dr. Christian Hoyer bedanken. Ich habe mit ihm regelmäßig E-Mail-Kontakt und es macht viel Freude, unsere Ideen und unser Wissen über Gitarren und deren Hersteller auszutauschen. So ist auch dieser Artikel entstanden.

Grundlegendes vorab

Framus war ursprünglich nicht nur als Herstellerfirma konzipiert, sondern auch als Vertrieb für andere kleinere Hersteller, als Auffang- und Sammelorganisation für alle ehemaligen Schönbacher Betriebe im Raum Erlangen. Framus sollte einerseits die Grundlagen für die Ansiedlung und den Aufbau in Bayern schaffen, Wohnungen suchen, Möbel für den Alltag beschaffen, Werkstätten errichten, Werkzeuge und Maschinen beschaffen, über Bezugsscheine die Materialien für den Bau von Instrumenten besorgen u. v. m.; andererseits sollte Framus für den Absatz der Instrumente Sorge tragen. Ab Anfang 1946 konnte so die Produktion in einigen kleinen Werkstätten bereits Ende 1945/ Anfang 1946 anlaufen, und für viele Heimarbeiter fungierte Framus in den Anfangsjahren als Vertrieb für ihre Instrumente. Die Framus-eigene Herstellung von Zupfinstrumenten wurde ab Anfang 1947 von Walter Höfner aufgebaut und geleitet, der im Wesentlichen auch die ersten Gitarrenmodelle entwickelte. Erst ab Ende 1948 gingen Framus und Höfner eigene Wege, die Werkstätten und die Belegschaft wurden geteilt. Und erst in den Folgejahren entstanden so zwei eigene, voneinander durch Stil, Arbeitsweise und Design unterscheidbare eigenständige Gitarrenschmieden. Mehr hierzu kann man in der Unternehmensgeschichte von Framus erfahren, in der die Aufbaujahre im Raum Erlangen detailliert nachgezeichnet werden.

(Christian Hoyer, Framus – Built in the Heart of Bavaria. Die Geschichte eines deutschen Musikinstrumentenherstellers. 1946-1977, Markneukirchen 2007, 292 S., über den Web Shop der Firma Framus-Warwick kann dieses Buch bezogen werden)

Um frühe Instrumente aus den Jahren 1946 bis 1950 geht es im Folgenden.

Christian Hoyer hat mir folgendes Bildmaterial zugeschickt und gefragt, was ich davon halte und ob ich eine Idee habe, wer die Gitarrenbauer hinter diesen Gitarrenmodellen sind.

Ich konnte anhand der Bilder auch keine sicheren Aussagen treffen, ich habe aber ein paar Ideen, die ich hier vorstellen möchte. Wer anderer Meinung ist, kann das gerne mitteilen!

Fangen wir mal mit einer sehr interessanten Gitarre an. An dieser Gitarre fällt zuerst der wunderschön gearbeitete Boden auf. Ich kenne nur einen Gitarrenbauer, der später in diesem Stil gearbeitet hat, nämlich Gitarren mit verschiedenen Furnieren zu verzieren. Er hieß Wolfgang Hüttl, stammte aus Schönbach und wurde 1946 vertrieben. Er hat anfangs bei Arnold Hoyer gearbeitet. Dann machte er sich selbstständig. Bald erscheint auch ein eigener W. Hüttl Artikel auf dieser Webseite.

© FRAMUS

Diese Gitarre weist noch viele Merkmale alter Gitarren aus dem Egerland auf. Besonders die Kopfplattenform, d. h. die zur Mitte hin geschwungene Form. Höfner, die ja auch mit Framus bis 1948 zusammenarbeiteten, hatten solche Kopfplatten schon vor dem 2. WK auf ihren Gitarren. Der Saitenhalter weist die Grundform der frühen „Bubenreuther Gitarren“ auf.

MESSE 1949
© FRAMUS

Dieses Foto stammt von der Mittenwalder Messe 1949. Im Koffer liegt die oben erwähnte Gitarre. So präsentiert, dass man den schönen Boden sieht. Unter dem Framus-Logo hängt eine HÖFNER-Mandoline, Modell 547.

Hier geht es aber um die beiden wundervollen Gitarren rechts und links. Bei diesen Gitarren würde ich auch auf Gitarrenbauer aus dem Egerland tippen. Einige Merkmale wurden später bei Höfner-Modellen wieder aufgegriffen, so dass ich davon ausgehe, dass diese von Gitarrenbauern stammen, die nach der Trennung von Framus und Höfner für die Fa. Höfner arbeiteten.

Messe 1950
Diese Gitarre ist äußerst interessant und eine wirkliche Schönheit

Die Korpusform erinnert stark an eine Gibson L5 aber die Wölbung der Decke ist stärker ausgearbeitet. Das Logo auf der Kopfplatte und dem Schlagbrett ist eine aufgebrochene Raute, wie sie auch Gibson als Kopfplatten-Einlage verwendete. Die Einlagen des Griffbretts sind Vorläufer des späteren „Perlmutt-Einlagen“-Typs, wie sie auf vielen „hochwertigen“ Gitarren aus Bubenreuther Produktion verwendet wurden. Diese Perlmut-Einlagen konnte man später serienmäßig bei Leopold Müller zukaufen. Der Saitenhalter erinnert auch ein wenig an eine Gibson Typ „Super 400“. Leider ist die Bildqualität nicht die beste. Aber die F-Löcher scheinen nicht eingefasst, sondern mit Schnitzarbeiten verziert worden zu sein.

Dies gab es auch bei Höfner, wie man an diesem sehr alten Höfner-Modell sehen kann.

Geteilte Schalllöcher

Diese Gitarre besitzt geteilte Schalllöcher. Eigentlich ein typisches Merkmal des Gitarrenbauers Artur Lang, aber diese Gitarre scheint mir von einem anderen Gitarrenbauer hergestellt worden sein, da es außer diesem Merkmal keine weiteren Übereinstimmungen gibt.

„sudetendeutschen Heimarbeiter“

Diese drei Gitarren Modelle stammen sicherlich von „sudetendeutschen Heimarbeitern“ und tragen schon die typischen Merkmale des frühen „Bubenreuther Gitarrenbaus“.

© FRAMUS
Wir suchen nach weiteren alten Modellen, Bildern, Katalogen aus der Vorkriegs- und frühen Nachkriegszeit!

Heinz Seifert

Ein Artikel von Stefan Lob

Quelle: Melodie& Rhythmus,
Nov 1966, Eddy Busch

Vorwort

Dieser Artikel über Heinz Seifert war mir ein ganz besonderes Anliegen, da er für mich einer der besten deutschen Gitarrenbauer war. Nach einer kurzen Biografie, einer Identifizierungshilfe und Modellerklärung, folgt ein Teil für Seifert-Fans. Ihr habt Euch auch eine Gitarre von Ihm bauen lassen? Dann schreibt mir doch einen kleinen Bericht darüber der dann in diesem Bereich veröffentlicht wird. Neben dem Artikel gibt es ein Werkverzeichnis (Galerie) indem Gitarren und Bässe, sortiert nach Ihrer Bauweise, genauer vorgestellt werden. Da ich möglichst viele Seifert Gitarren zeigen möchte bitte ich Euch um Mithilfe. Wenn Ihr Instrumente besitzt, die bereits im gleichen Stil gezeigt werden, bitte ich trotzdem um die Bilder. Dadurch kann ich Rückschlüsse auf Stückzahlen und Entwicklungsprozesse ziehen. Auch wenn Ihr nicht ganz sicher seid, ob Eure Gitarre eine Seifert ist, sendet mir einfach Fotos.

Ich schaue sie mir gerne an und teile Euch meine Meinung mit. Der ganze Seifert Artikel soll dynamisch Aufgebaut werden und lebt von Eurer regen Teilnahme.

Kurze Biografie

Seifert wurde am 15.04.1923 in Erlbach geboren. Sein Vater war Kurt Seifert. Kurt wurde am 16.09.1894, ebenfalls in Erlbach, geboren und war gelernter Geigenmacher und ein Spezialist für Celli. Er lernte bei Roland Stark und machte sich 1923, in der Lindenhöhe 10b in Erlbach, selbständig. 1925 legte er die Meisterprüfung ab. Nach dem Krieg fing er an Schlaggitarren zu bauen. Dieses hatte er mit vielen anderen Geigenmachern gemeinsam denn das Geschäft mit Gitarren florierte und nur wenig Kunden fragten nach Geigen oder Celli. Sein Sohn Heinz kam 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft und erlernte von 1949-1952 den Geigenbau und Gitarrenbau bei seinem Vater. 1952 legte er ebenfalls die Meisterprüfung ab und machte sich selbstständig. Vom ehemaligen Angestellten Eberhard Pfaff, der von 1957-1958 für Seifert arbeitete, habe ich erfahren, dass Vater und Sohn gemeinsam in der Werkstatt in der Klingenthaler Straße 25 arbeiteten. Wann genau der Umzug in diese Fabrikationsstätte war kann ich leider nicht sagen, aber es dürfte in den 50er Jahren gewesen sein. Pfaff erzählte mir, dass Heinz Seifert ein außerordentlich freundlicher, hilfsbereiter und sensibler Mann war, der mit seinen Angestellten ein kameradschaftliches Verhältnis pflegte. 1955 wurde er, ebenso wie sein Vater Kurt, Mitglied in der MIGMA, über die er einen Teil seiner Instrumente vertrieb. Bis 1990 war er dort Mitglied.

Von ehemaligen Kunden habe ich verschiedene Aussagen wie viele Angestellte bei ihm gearbeitet haben. Ich habe Zahlen zwischen1, 4 und 6 Angestellten. Das war in den 60er und 70er Jahren. Später arbeitete er wieder ganz alleine und nur noch im Kundenauftrag. Im Jahr 2002 verstarb Heinz Seifert. Er hat bis zu seinem Tode Instrumente gebaut. Dieses belegt der Bericht über die letzte unvollendete Seifert Schlaggitarre.

Zu den Gitarren und Bässen

Für Laien ist es nicht immer einfach eine Heinz Seifert Gitarre zu erkennen. Hier ein paar Bestimmungshilfen:

Viele der Seifert Gitarren wurden mit einem Stempel versehen

Ein weiteres eindeutiges Merkmal ist die Aufschrift „Favorit“ oder „FAVORIT-ELEKTRIC“

Hat man eine Gitarre mit der Aufschrift „Favorit“ kann man ziemlich sicher sein, eine Seifert in der Hand zu halten. Favorit war keine Modellbezeichnung sondern eine „Hausmarke“ die Seifert auf den unterschiedlichsten Gitarren und Bass Modellen verwendete. Bei den akustischen Modellen auf dem Saitenhalter oder dem Schlagbrett, bei den massiven E-Gitarren oft auf der Kopfplatte (Vorder-und Rückseite).

Es sind auch Gitarren aufgetaucht die einen Favorit-Schriftzug tragen aber eindeutig nicht von Heinz Seifert stammen. Es gab wohl Hersteller im Westen die auch diesen Namen verwendet haben. Diese Gitarren sind aber äußerst selten. In 99% aller Fälle ist es eine Heinz Seifert Gitarre!

Form des Halsfußes

Um Heinz Seifert Gitarren zu bestimmen, die nicht gestempelt sind oder die Favorit Aufschrift tragen, ist (für mich) das wichtigste Erkennungsmerkmal die Ausformung des Halsfußes.

Im Laufe der Jahre gibt es Variationen, aber er weicht nur selten von seiner klassischen Halbmondform ab.

Typische Halsfüße der frühen Schlaggitarren

Typische Halsfüße der Halbakustik-Schlaggitarren und Bässe

Typische Halsfüße der tropfenförmigen Gitarren und Bässe

Typische Halsfüße der massiven Elektro-Gitarren und Bässe mit Stempel

Ab den 80er/90er Jahren gab es bei den Schlaggitarren eine Änderung der typischen Halsfußform.
Der gestempelte Halsfuß (rechts) zeigt ein seltene, große Halsfuß Form einer Schlaggitarre, die sehr wahrscheinlich in den frühen 90er Jahren hergestellt worden ist. Die Halsfüße links und Mitte stammen von 1998er Modellen. Sie sind nicht mehr ganz so groß, aber deutlich größer als seine frühen Formen.

Griffbrett Einlagen

Frühe Griffbretteinlagen

Im Gegensatz zu seinem Vater Kurt, der seine Griffbretter mit Balkeneinlagen versah, arbeitete Heinz mit Dreieckseinlagen und Punkteinlagen.

Seine Dreieckeinlagen gab es in unterschiedlichen Ausführungen. Das Bild unten zeigt Griffbretter mit Dreieckseinlagen + drei Längsstreifeneinlagen, Dreieckseinlagen + schräger Längsstreifeneinlage, einfache Dreieckseinlagen. Die ersten beiden Typen sind ein Seifert Design aber die einfachen Dreieckseinlagen wurden auch von anderen Gitarrenbauern wie zum Beispiel Herbert Todt verwendet. Es gab auch über Migma vertriebene Halbresonanz-Schlaggitarren die sicherlich nicht von Seifert gebaut wurden, aber trotzdem diese einfachen Dreieckseinlagen besitzen.

60er Jahre Griffbretteinlagen

In den 60er Jahren kamen zwei weitere Typen von Griffbretteinlagen hinzu. Ganz typisch für seine Halbresonanz-Schlaggitarren waren die Punkteinlagen + schräge Längseinlage auf der Bassseite des Griffbretts, wobei er zwei Punkte auf dem 5. Bund und drei Punkte auf dem 12. Bund verwendete.

Die Einlagen unten nenne ich die „Würfelpunkt-Einlagen“, da er die typische Punktanordnung von Spielwürfeln verwendet. Diese „Würfelpunkt-Einlagen“ findet man allerdings auf vielen anderen Gitarren aus dem Vogtland. Seifert verwendetet diese meist bei seinen massiven Elektro-Gitarren und den tropfenförmigen Instrumenten.

Späte Griffbretteinlagen

Bei den modernen massiven Elektro-Gitarren der 90er Jahre verwendete er weiterhin die „Würfelpunkt-Einlagen“. Die modernen Schlaggitarren wurden wieder mit den typischen Dreieckseinlagen versehen. Manche Einlagen wurden jetzt aus Perlmutt gearbeitet. Den 12. und 24. Bund markierte er mit größeren Dreiecken.

Bis auf ein paar Sondermodelle blieb er seinem Stil treu. Diese Modelle zeige ich später in der Modellbeschreibung.

Seifert wurde unter den ostdeutschen Musikern bekannt für seine hochwertigen Instrumente. Besonders seine Hälse haben einen exzellenten Ruf. Da man die frühen Gitarren im Osten noch ohne einen Stahlstab oder eine Stahleinlage baute, war es die Regel, dass die Hälse, um einem Verziehen oder einer Krümmung vorzubeugen, sehr stark gearbeitet wurden. Seifert brachte es aber fertig schmale und gut spielbare Hälse zu bauen die, trotz hohem Saitenzug, über viele Jahre, (zum Teil bis heute) gerade blieben.

Kopfplatten

Kopfplatten von Schlaggitarren

Besonders auffällig sind diese asymmetrischen Kopfplatten mit einem lackierten , stilisierten „H“ für Heinz. Diese sind besonders oft bei den alten Modellen zu finden, aber es gibt auch neuere Modelle mit solchen Kopfplatten. Das Bild ganz rechts zeigt ein spätes Instrument aus den 70er/80er Jahren

Kopfplatten mit eingelegten, konstruktiven Strichen

Anfang des 20. Jahrhunderts gab es eine Kunstrichtung die sich Kostruktivismus nannte und mit klaren geometrischen Formen und abgegrenzten Farbfeldern arbeitete. Diese Kunstform spiegelt sich in vielen Alltagsgegenständender 50er Jahre wieder. Die zarten Stricheinlagen auf der Kopfplatte spiegeln den Stil dieser Zeit wider. Mit etwas Fantasie kann man ein abstraktes „H“ in der Verzierung erkennen.

Sammlung weiterer, typischer Kopfplatten von frühen Schlaggitarren

Von rechts nach links:

  • 1. Kopfplatte ohne Auflage. Durch die transparente Lackierung sieht man den mehrschichtig, aus verschieden farbigen Hölzern, verleimten Hals.
  • 2. Seltene Kopfplatte mit einer braunen, marmorierten Perloidauflage.
  • 3. Einfache Kopfplatte mit einem Holzfurnier.
  • 4. Dieses Kopfplattendesign, mit schwarzer Grundplatte und weißer Auflage, verwendet er meist für Gitarren die über andere Händler vertrieben wurden und die ein Logo in der Kopfplatte wünschten. Hier die Aufschrift „Verdi“ (leider kann ich keinen Händler zuordnen)
  • 5. Hier mit der Aufschrift „Triumph“ der ich auch keinen Händler zuordnen kann
  • 6. Diese Kopfplatte trägt die Aufschrift „OEBRA“ für Richard Oertel in Bad Brambach

Den Typ 4-6 gab es auch mit weißer Grundplatte und schwarzer Auflage für Schlaggitarren die er über die Migma verkaufte.

Kopfplatten der Halbresonanz Schlaggitarren und Bässen aus den 60er/70er Jahre
Bei diesen Modellen findet man, zum ersten Mal, die schlanke, längliche, asymmetrischer Form mit einreihiger Mechanikanordnung. Es gab auch Modelle mit symmetrischen 3L, 3R Kopfplatten.

Kopfplatten der Modelle in Tropfenform

Kopfplatten der Modelle im Jaguar Stil

Kopfplatten der Modelle im „Les Paul“ und „SG“ Stil
Die Kopfplatte rechts stammt von einer massiven E-Gitarre von 1985 mit Floyd Rose System

Kopfplatten der späten Schlaggitarren
Die Kopfplatte rechts ist keine typische Seifert Kopfplatte sondern eine Anfertigung auf Kundenwunsch

Verzierungen

Dreiecks Verzierung

Seine Vorliebe, Verzierungen im Dreiecksmuster anzufertigen, wurde schon bei den Griffbrettern erläuter. Es gab Modelle die er, rund um den Decken- und Bodenrand, mit kleinen und großen Dreiecken verzierte.

Zargen Verzierung

Einige seiner Schlaggitarren und Tropfenformmodelle haben einen oder zwei schwarz lackierte Streifen als auffällige Verzierung. Es gab auch Modelle mit Zierstreifen aus Celluloid.

Bei seinen späten Modellen, Ende der 90er Jahre, gab es weiterhin Modelle mit solch auffälligen Zargen.

Saitenhalter, Mechaniken, Elektronik und Schlagbretter 

Zu DDR Zeiten verarbeitete er auf seinen Gitarren die traditionellen, vogtländischen Zubehörteile. Verschiedene Standard Saitenhalter (auch mit Tremolo). Manche wurden mit einer Ziergravierung und dem „Favorit“ Schriftzug versehen. Die Elektronik kam bei den frühen Modellen von Willi Goller. Diese Gitarren hatten einen Rellog Gitona ins Griffbrett eingebaut. Später verwendete er SIMETO Tonabnehmer und Mischpulte. Er hatte unterschiedliche Formen der Schlagbretter aber seine Hauptform war dieses wellenförmige schwarze Schlagbrett. Wer mehr Schlagbrettformen sehen möchte schaut sich am besten das Werkverzeichnis an.

Wie mir des öfteren von ehemaligen Seifert Kunden berichtet wurde, konnte man selbst Gitarrenzubehör mitbringen (auch aus dem Westen) welches er dann einbaute.

Nach der Wende bezog er seine Mechaniken und Saitenhalter meisten von Schaller. Auf seine späten Schlaggitarrenmodelle baute er gerne Atilla Zoller floating Tonabnehmer von Shadow.

Bei vielen Vogtland-Gitarren mit Elektronik sieht man (wenn das Schlagbrett fehlt) dieses merkwürdig geformte untere Schallloch, mit einer großen Öffnung. Der Grund ist ganz einfach; es ist eine Einbau- und Reparaturöffnung um einfacher an die Elektronik zu gelangen. Da man diese Öffnung unter dem Schlagbrett nicht sehen kann war es eine ganz praktische Idee. Leider haben viele dieser Gitarren kein Schlagbrett mehr und so sieht es doch etwas seltsam aus.

Warum gibt es so viele Seifert Gitarren, denen das Schlagbrett fehlt?

Die ersten Thermoplaste (Plastomere) wurden aus Holz Cellulose gewonnen. Später verdrängten Kunstoffe die aus Öl gewonnen wurden die Kunststoffe aus Cellulose.

Der älteste Thermoplast ist Celluloid (Zelluloid), das als Nebenprodukt bei der Gewinnung von Dynamit anfällt. Durch diesen Kunststoff war man in der Lage, durch Einfärbung, hochwertige Luxusnaturstoffe wie Elfenbein, Perlmutter, Schildpatt, Ebenholz oder andere Hornsubstanzen nachzubilden. Ein weiterer Thermoplast mit ähnlichen Eigenschaften ist das Celluloseacetat (Acetylcellulose) welches in einer Reaktion mit Essigsäure gewonnen wird.

Dieses Celluloseacetat hat Seifert und viele andere Gitarrenbauer aus der DDR für seine Schlagbretter verwendet. Eigentlich ist das Material sehr langlebig. Es hat aber Feinde; Wärme und UV Strahlung verspröden den Weichmacher. In der Folge wird der Kunststoff brüchig und zerbröselt. Die Bilder zeigen eindrucksvoll diesen Zerfallsprozess.

Mit Informationen von Paco Jimenez Permuy und Herbert Rittinger

Gitarren und Bass Modelle

Um die Identifizierung zu erleichtern, zeige ich, in chronologischer Abfolge, typische Seifert Gitarren und Bässe, die er von den 50er Jahren bis zum Jahr 2001 gebaut hat. Es werden viele Instrumente und Bilder gezeigt, die man sich im Werkverzeichnis (Galerie) noch genauer, aus verschiedenen Perspektiven, anschauen kann.

Um wirklich eine umfassende Modellbeschreibung zu erstellen, fange ich erst einmal mit den Gitarren seines Vaters an.

Gitarrenmodelle von Kurt Seifert

Kurt Seiferts alte 50er Jahre Modelle hatten sehr ausgefallene, symmetrisch geformte Kopfplatten mit V-förmigen schwarz-weiß Auflagen. Es waren Modelle mit 3 Schalllöcher; einem runden und zwei langen, schmalen f-Löcher und einem extravaganten Schlagbrett mit schwarz-weißem, V-förmigen Design. Im Griffbrett verwendet er Balkeneinlagen wie auch bei seinen späten Modellen die er unter anderem über die Migma vertrieb. Diese Migma Modelle hatten Schalllöcher in Sichelform und eine asymmetrische Kopfplattenform.

Die Gitarre in der Mitte ist nicht nur sehr rar sondern hat eine interessante Geschichte. Sie wurde von Kurt Seifert 1952 gebaut und von Heinz Seifert 1998 restauriert und umgebaut. Wie es zu diesem ungewöhnlichen Umbau mit einem Saitenhalter im D´Aquisto Stil kam, berichte ich im unteren Teil der Modellbeschreibung.

Modelle von Heinz Seifert

Die frühen Schlaggitarren

Die nachfolgenden Bilder zeigen drei typische Schlaggitarren mit der „H“ Einlage in der Kopfplatte. Die Modelle in der Mitte und rechts sind die ältesten, da sie noch einen Rellog Tonabnehmer im Schlagbrett eingebaut haben. Die rot-schattierte Gitarre rechts wurde Anfang der 60er Jahre umgebaut und bekam SIMETO Tonabnehmer und ein Metallmischpult. Das sind sehr seltene SIMETO Tonabnehmer die es nur kurze Zeit gab. Es sind die Vorgänger der bekannten und in großen Stückzahlen gebauten SIMETO Modelle, in denen sich die Einstellschrauben in der Mitte befinden. (hier kommt noch ein Bild)

Die abgebildeten Modelle zeigen auch die unterschiedlichen Typen von Dreieckseinlagen. Das Schlagbrett der mittleren Gitarre zeigt die frühe Schlagbrettform. Diese wurden noch aus einem haltbaren Kunststoff hergestellt der sich nicht zersetzt.

Hier drei weitere frühe Schlaggitarrenmodelle. Auf den ersten Blick fällt auf, dass er immer die gleichen Schalllöcher in Tropfenform verwendet wurden, deren spitzes Ende geschwungen in Richtung Deckenrand verlaufen.

Diese Schalllöcher sind ein eindeutiges Merkmal für Seifert Gitarren. Die Korpusform lehnt sich, wie viele andere, an die traditionelle Gibson L5 Form an aber der Ausschnitt ist flacher ausgeformt und die Zargenhöhe ist geringer. Bei seinen Halbakustik- und Tropfenform-Gitarren verwendet er andere Schalllochformen, bei den vollen Schlaggitarren hingegen ändert er diese Tropfenform erst bei seinen späten Modellen. Bild 1 zeigt noch die alte Schlagbrettform in Bild 2 sieht man die neue, geschwungene Form. Die Gitarre aus Bild 2 kann man anhand der weißen Simeto Tonabnehmer auf die ganz frühen 60er Jahre datieren.

Frühe Schlaggitarren mit Kopfplattenaufschrift

  • „OEBRA“ für Richard Oertel in Bad Brambach.
  • „Verdi“ und „Triumph“ sind mir leider nicht Bekannt. Es könnten Handelsnamen sein.

Hier eine Schlaggitarre die Seifert über die Migma verkaufte

Halbresonanz Schlaggitarren

In der Beat Ära begann er mit außergewöhnlichen Formen zu arbeiten. Ein sehr ansprechendes und oft verkauftes Modell ist diese Halbresonanz Gitarre (auch als Bass) mit einer markanten, starken Asymmetrie der Korpusform; eine moderne aber doch sehr elegante Linienführung. Bei diesen Modellen verwendete er zum ersten Mal längliche asymmetrische Kopfplatten mit Mechaniken in einer Reihe. Es gab aber auch Modelle mit symmetrischen Kopfplatten. Weitere Neuerungen sind die Punkteinlagen im Griffbrett und gänzlich neue Schalllochformen.

Auf den Gitarren ist der weitverbreitetste SIMETO Tonabnehmer verbaut den es in der DDR gab. Er wurde in hohen Stückzahlen von 1964-1973 produziert. 1964 wurden von diesem Typ rund 4000 Stück hergestellt.

Tropfenform im Stil einer „VOX Teardrop“

Ein weitere Variante aus der Beat-Ära sind Gitarren & Bässe in Tropfenform. Um den goldenen Schnitt zu wahren bekamen diese Modell wieder symmetrische Kopfplatten, passend zur Form des Korpus. Mir gefallen besonders die Schalllöcher die in sichelförmig beginnen und als f-Loch enden. Diese Gitarren sind der Beginn einer neuen Seifert Ära. Hier verwendet er den Stil einer anderen Gitarre. Die erste Gitarre in Tropfenform stammt von dem englischen Hersteller VOX. Bekannt gemacht hat diese Gitarre Brian Jones und Bill Wymann, Gitarrist und Bassist der Rolling Stones. Für Bill Wymann gab es sogar ein Signatur Modell.

Die ersten VOX-Modelle wurden 1964 gebaut. Seifert hat bei seinen Modellen die Korpusform und die Anordnung der Tonabnehmer von VOX übernommen, zusätzlich aber eigene Stilelemente einfließen lassen.. Er verwendete gerne die Griffbrett-Punkteinlagen in Würfelmuster und im Gegensatz zum Original hatten seine Instrumente auch ein unteres Schalloch. Mir gefällt seine symmetrische Kopfplatte weitaus besser als die asymmetrische Kopfplatte des Originals aber das ist Geschmackssache.

Massive Elektro Gitarren

Seifert war bereits ein bekannter Gitarrenbauer, aber den exzellenten Ruf den er heute noch unter den Musikern der 70 und 80er Jahre besitzt, basiert auf seinen massiven Elektro Gitarren. Viele DDR Musiker suchten nach den richtigen Instrumenten um moderne Musik zu machen. Es war aber sehr schwer (wenn nicht unmöglich) an eine echte Fender oder Gibson zu kommen. Heinz Seifert half diesen Musikern weiter. Er baute Ihnen Kopien der berühmten amerikanischen Vorbilder in einer hervorragenden Qualität. Hätte er damals schon die Möglichkeit gehabt die originalen hochwertigen Tonabnehmer einzubauen, würden diese Gitarren einem Vergleich mit einem „von Hand gebauten Customshop-Modell“ ohne weiteres standhalten. Später rüstete er seine Instrumente öfters mit neuer Elektronik und modernen Tonabnehmern aus.

Quelle: pirun.ku.ac.th

Drei Typen die er immer wieder baute waren Gitarren und Bässe im Stil einer „Fender Jaguar“, einer „Gibson Les Paul“ und einer „Gibson SG“. Neben den Gitarren & Bässen nach amerikanischem Vorbild, baute er weiterhin Instrumente mit eigenem Design.


Massive E-Gitarren im Stil einer „Fender Jaguar“

Auffällig ist das Instrument ganz rechts. Im Gegensatz zu allen anderen Modellen hat es Blockeinlagen im Griffbrett. Entweder hat er das auf Kundenwunsch gemacht oder sein Vater Kurt hat dieses Griffbrett angefertigt. Die eckigen silbernen Tonabnehmer sind Simeto Modelle aus den 60er Jahren. Die Kopfplattenform ist leicht verändert gegenüber dem Vorbild.

 

Massive E-Gitarren im Stil einer „Gibson Les Paul“
Im Gegensatz zur Jaguar trägt diese Gitarre zwar Grundzüge einer “Les Paul” aber er hat die Korpusform so stark verändert dass ich nur noch wenig Parallelen zum Original sehe und hier lieber von einer eigenständigen Heinz Seifert Form sprechen möchte. Ich weiß jedoch, dass alle Besitzer solcher Gitarren von „Les Paul“ Modellen sprechen und Heinz Seifert auch diese Bezeichnung verwendete (nach Aussage eines Kunden). Die Gitarre rechts ist ein älteres Modell. Die Elektronik wurde hier in die große Kunststoffabdeckung eingebaut welche ein ähnliches Design wie auf der Jaguar hat. Die Gitarre links ist moderner und hat schon seine neue Kopfplattenform mit dem „Heinz Seifert“ Stempel.
Die Elektronik wurde jetzt, wie bei einer original „Les Paul“ eingebaut. Das Bass Modell hat eine etwas veränderte Form. Der obere Bereich des kleinen Bugs wurde noch einmal schwungvoll nach außen geleitet.

Massive E-Gitarren im Stil einer „Gibson SG“

Der Traum eines jeden DDR Rockers; ne coole SG!

Mit dieser Gitarre hat Seifer sicher viele Musiker glücklich gemacht. Im Gegensatz zum Original hat er die Wappenform nicht exakt beibehalten und den beiden Ausschnitten eine leichte Asymmetrie gegeben.

In den 90ern hat er auch mal eine Flying-V im Auftrag eines Kunden gebaut. Ein andere Kunde (Klaus Bellmann) erinnerte sich an einen nette Anekdote:

Heinz war damals gerade dabei eine Gitarre für einen Berliner Musiker zu bauen. Er war vermutlich nicht so glücklich, da es eine Kopie einer Flying-V werden sollte. Der Auftraggeber spielte damals sicher schon Heavy-Metal. Da die 2 V-Spitzen noch ungleich lang werden sollten, sagte Heinz im Thüringer Dialekt: ” Ist das denn eine Gitarre?” schüttelte mit dem Kopf und fügte hinzu ” Die bleibt ja nicht mal stehen!”.

Späte SG von 1994

  • Der Korpus wurde, auf Kundenwunsch, aus Mahagoni gebaut.
  • Gesperrt wurde er mit Pappelholz und Esche.
  • Auffällig ist der mittlere, einspulige Tonabnehmer!
Sondermodelle

Hier zwei ganz besonders ausgefallene Modelle. Bild 1 zeigt ein normales Tropfenmodell mit einer ganz besonderen Kopfplatte. Geformt wie ein Blatt mit einer Biegung in der Spitze. Die Schalllöcher wurden auch verändert und nähern sich in der Ausformung stark dem VOX Original.

Diese Gitarre hat ebenfalls eine blattförmige Kopfplatte. Eine sehr außergewöhnliche Korpusform welche ein wenig an eine Wappenform erinnert. Ausgefallene Elektronik mit diversen Schaltungsmöglichkeiten.

Die Griffbretteinlagen kenne ich nur von diesem Modell. Ungewöhnliche Schalllöcher in einer „S“ Form.

Spezielle Kundenaufträge

Heinz Seifert und Jürgen Matkowitz von “PRINZIP”


“Prinzip” – Quelle: http//www.ostmusik.de

Prinzip war eine bekannte Rockband aus Ostberlin (1973-1990). Bandchef und Gitarrist Jürgen “Matko” Matkowitz war ein Kunde von Heinz Seifert.

Seifert machte für Ihn einige Reparaturen (vor allem Fender Stratocaster) und Umbauten, wie der Einbau eines Kahler Vibrato die Umrüstung einer Casio-Midi-Gitarre mit einem DiMarzio Pick. Angefertigt wurde für Ihn eine Konzertgitarre und das außergewöhnliche Sondermodell (auf den Bildern unten) in Stratocaster Form. Diese Form habe ich noch nie bei Seifert gesehen und war ein Kundenwunsch von “Matko”. Die Gitarre wurde 1983-1984 gefertigt und mit Kahler Vibrato, Schaller Mechaniken, X2N Power plus Humbucker und einem Lautstärkeregler ausgestattet.

Metallsattel
Auffällig ist der Messingsattel. Dies war ein spezieller Kundenwunsch, denn ein Messingsattel verleiht der Gitarre mehr Sustain. Sie klingt auch mit Leersaite noch so, wie über einen Bund gespielt und er ist wesentlich haltbarer als ein Kunststoff-Sattel. Später hat Seifert diesen Messingsattel bei einigen seiner Rock E-Gitarren weiterverwendet.

Die Möven
Matthias Kunath von der Band “Regent” erzählte mir zum ersten mal von dieser außergewöhnlichen Gitarre. Er war auch ein begeisterter Seifert Kunde und hat seine Gitarren bei Ihm richten lassen.

Eines Tages sah er sie; die Gitarre mit den vier Möven. Seifert erzählte Ihm das diese Gitarre eine Spezialanfertigung für Jürgen Matkowitz sei. Später sah der “Prinzip” Fan die Gitarre im DDR Fernsehen. Es war die Übertragung eines “Rock für den Frieden” Konzertes aus dem Republik Palast. Bei Rockfans war das eine berühmte Konzertreihe von 1982 bis 1987. Neben “Prinzip” traten dort Bands wie die Puhdys, Karat und City auf.

Jürgen Matkowitz spielte diese Seifert Gitarre (über 2 x Marshall JCM800 ) fast bei jedem Konzert. In den 80er Jahren waren das jährlich mindestens 140 Auftritte. Heute noch schwärmt er von dieser Seifert. Ein bühnentaugliches, extrem gut verarbeitetes Arbeitsinstrument mit handgemalten Möven von Seifert.

Ein echtes, rares Unikat mit einer tollen Geschichte!

Korpusform einer Brian May “Red Special”

Diese Gitarre (unten) wurde im Kundenauftrag gebaut. Klaus Bellmann aus dem Erzgebirge (Trio De Zupfr) wollte gerne eine Gitarre wie die “Red Special” vom Queen Gitarristen Bryan May. Die orginal “Red Special” wurde von Mays Vater gebaut und später gab es zahlreiche Kopien. Die großen Herstellert Guild und Burns hatten diese Kopien im Programm.

Hier ein paar Zeilen von Klaus:

Das waren meine Vorstellungen und Heinz hat sie so gebaut wie ich das damals wollte!

Die Form war meine Vorgabe. Es sollte die Form der Gitarre von Bryan May werden, das ist mir aber nicht ganz gelungen. Heinz hatte mehrere Schablonen von Gitarrenkörpern. Eine, die der Form sehr nahe kam, hat er verwendent und ein bisschen abgeändert.
Bestellt habe ich sie 1983 und gekauft 1 Jahr später, im Juli 1984. Die Hälse die er gefertigt hat waren einzigartig und konnten mit jeder Fender mithalten. Ich kenne noch 2 Musiker in meiner näheren Umgebung die immernoch auf der guten alten Seifert spielen und diese vielen anderen Herstellern vorziehen.

Was mir an dieser Gitarre sofort auffiehl war der Metallsattel und das er nicht seine klassischen “Würfelbrett-Muster” ins Griffbrett einlegte sondern sich sehr an dem Original mit 1, 2 oder 3 Punkten in Längsanordnung ausrichtete. Er korrigierte allerdings die merkwürdige Doppeleinlage am 7. und 19. Bund und setzte sie, wie es sein sollte, auf den 5. und 17. Bund. Die Dreifacheinlage am 24. Bund ließ er weg, was ich optisch ansprechender finde.

Späteres Modell im “Red Special”- Stil

Ein paar Jahre später, baute er nochmal eine Gitarre in ähnlicher Form. Diese hatte jedoch abgerundete Zargen, einen mehrfach gesperrten Korpus und die Griffbretteinlagen waren wieder im typischen “Würfelmuster”. Auf besonderen Wunsch, baute er ein Floyd Rose Tremolo System ein.

Die späten Modelle

Wann genau Seifert seinen Stil änderte kann ich nicht sagen. Ich denke es hat mit der Wende 1989 zu tun. Das wäre eine logische Erklärung, da er ab diesem Zeitpunkt problemlos an die neuen Zubehörteile kam die er ab diesem Zeitpunkt verwendete.

Was änderte sich?

Die alten traditionelle Seifert Schallochform wurde durch eine noch ältere traditionelle f-Löcher ersetzt. Ich habe die Vermutung, er erinnerte sich an die frühen 50er Jahre und die f-Lochformen seines Vaters. Langgezogene, schmale Schlitze mit Endbäuchen die sich fast schließen. In den 90er Jahren gab es eine Renaissance im Jazzgitarrenbau und handgemachte, handwerklich hochwertige Gitarren fanden wieder Käufer. Diese wollten aber meist sehr traditionelle Instrumente oder extrem ausgefallene Gitarren. Seifert schaffte es, trotz der vorgenommenen Änderungen, den Wiedererkennungswert seiner Instrumente nicht zu verlieren und dennoch zeitlose schöne Gitarren zu bauen.

Er veränderte noch einmal seine Halsfußform und über eine paar Experimente kam er zu einer klassischen massiveren Form. Als Tonabnehmer verwendete er gerne Atilla Zoller Modelle von Shadow und Zubehör von Schaller.

Hier ein neues Modell. Der Halsfuß stammt aus der Entwicklungsphase zu den endgültigen Formen der späten 90er Jahre. Diese Gitarre war höchstwahrscheinlich eine der ersten Gitarren die er nach der Wende 1989 baute. Im Originalzustand war ein Schaller Saitenhalter auf der Gitarre. Der neue Saitenhalter ist eine Spezialanfertigung nach Entwurf eines anderen Jazzgitarrenbauers. Gotoh-Mechaniken und Shadow Atilla Zoller floating Tonabnehmer sprechen dafür, dass diese Gitarre nach der Wende gebaut wurde. Früher wäre er wohl kaum an das westdeutsche Zubehör gekommen. Der Hals ist aus Riegelahorn mit Sperreinlagen. Decke aus massiver Fichte und Boden und Zargen aus massivem Riegelahorn.

Auf diesem interessanten Bild aus Seiferts Werkstatt sieht man zwei weitere Schlaggitarren aus dem Jahr 1998. Hier kann man deutlich erkennen, dass trotz der Veränderungen der typische Seifert Stil immer noch vorhanden ist. Auf der rechten Schlaggitarre ist die typische, gestreifte Zarge zu erkennen. Äußerst interessant sind die massiven elektrischen Gitarren (SG-Stil) und Bässe. Die Bässe sind ebenfalls äußerst edle Instrumente im Precision Stil. Mir gefällt ganz besonders die rot-schwarze Verlaufslackierung der elektrischen-Instrumente. Auch hier wieder Seifert Stilelemente; die „Würfelpunkt-Einlagen“ im Griffbrett!

Heinz Seifert & Jimmy D´Aquisto

Die Überschrift klingt im ersten Moment etwas befremdlich aber wie es der Zufall will habe ich einen ehemaligen Kunden und Freund von Heinz Seifert kennengelernt der gerade 1998 in seiner Werkstatt war als er im Kundenauftrag ein 1:1 Kopie einer Jimmy D’Aquisto Solo DQ-Solo-N baute.

Hier ein paar Zeilen von Andreas Haake zu dieser außergewöhnlichen Arbeit:

Zur Geschichte meiner zweiten Seifert Jazzgitarre
Von Andreas Haake

Meine Jazzgitarre wurde 1998 in einer Serie von drei Gitarren gebaut. Heinz meinte damals, er baut jetzt noch drei Jazzgitarren, eine für einen besonderen Kunden, eine für sich selbst und eine für mich. Ich konnte mir von den letzen beiden eine aussuchen.

Die erste Gitarre war vorbestellt. Heinz hatte einen interessanten Mann (ich glaube aus Köln) kennengelernt, der bei Ihm eine besondere Gitarre bestellt hatte. Er hatte klare Vorstellung von der Form und den Hölzern der Gitarre. Diese Gitarre sollte dann in eine Wanderausstellung aufgenommen werden die auch in den USA ausgestellt werden sollte.

Zarge und Hals aus Ahorn, Decke aus Fichte, Griffbrett Ebenholz. Das Besondere war, alle Bauteile sollten aus Holz sein. Alle diese Hölzer waren in einer Spitzenqualität und aus seinem Lager aus dem Jahr 1956.
Der Steg und das Schlagbrett sollten aus grünem Ebenholz gefertigt werden. Dieses Material hatte der Kunde aus den USA eingeführt. So kam es, dass auch an meiner Gitarre diese Hölzer verbaut wurden.

Das Bildmaterial von Andreas zeigt diese besondere Gitarre für die Wanderausstellung

1998 – „D´Aquisto Stilelemente“

Nicht nur die Gitarre von Andreas Haake hat diese D´Aquisto Ausstattung bekommen. Zeitgleich arbeitete er 1998 an einer ganz besonderen Restauration. Ein Gitarre seines Vaters Kurt sollte restauriert und umgebaut werden. Wie man auf dem Bild rechts sieht, ist der Saitenhalter nur leicht verändert. Er wurde ohne die beiden kleinen Fenster gearbeitet. Das neue Schlagbrett hat er so ausgeschnitten, dass man das untere f-Loch vollständig sehen kann.

Diese ist übrigens eine ganz alte Idee aus dem Vogtland.
Bei ganz alten Schlaggitarren kann man so etwas sehen.

Eine äußert rares Sammlerstück mit einer schönen Geschichte!

Nachdem ich Andreas Haake die Bilder dieser alten 3 Loch Seifert zeigte, fiel ihm noch eine weitere Begebenheit ein:

In diesem alten Kurt Seifert Stil baute er noch ein ganz neues Modell. Das interessanteste an dieser Gitarre war eine Kopfplatte in der Form eines Geigenkopfs und sie hatte einen sehr vollen akustischen Ton. Leider gibt es davon kein Foto! Andreas erinnert sich, dass er mit der Gitarre nebenan zu Eberhard Kreul ging um sie diesem zu zeigen. Kreul war vom Klang und der handwerklichen Ausführung total begeistert, hatte sich aber auch über den Geigenkopf gewundert.
Und zum Schluss „Die Unvollendete Seifert“

Eigentlich sollten die Gitarren 1998 die letzten sein die Heinz Seifert bauen wollte, aber ich habe einen weiteren Kunden von ihm kennengelernt, der bei ihm 2001 eine Gitarre in Auftrag gegeben hat und sich erinnert, dass Seifert zu diesem Zeitpunkt zwei weitere Gitarren fertiggestellt hatte, eine rote und eine blonde. Eigentlich wollte er keinen Auftrag mehr annehmen, aber schließlich tat er es dann doch.

Diese sollte sein letzter Auftrag sein denn über den Bau der Gitarre verstarb er leider. Der Auftraggeber bekam den fast fertigen Korpus und den Hals. Mit diesen Teilen ging er zu dem Berliner Gitarrenbauer
Frank Deimel (Deimel Guitarworks). Dieser hat die Gitarre nach Kundenwunsch weiter gebaut.

Auf besonderen Wunsch hat Seifert einen etwas kleineren Korpus gefertigt. Das schöne Holzbinding (Mahagoni und Ebenholz) war schon fertiggestellt und die F-Löcher gestochen.

Frank Deimel wollte den Hals mit einer klassischer Schwalbenschwanz Verbindung befestigen aber der fertige Hals war dafür nicht zu verwenden. Deshalb fertigte Deimel einen zweiten Hals im gleichen Stil an. Das Logo ist übrigens ein Original, da Deimel für Seifert schon früher solch ein Logo ausgesägt hatte. Die gesamten Perlmuttintarsien, der Saitenhalter und das Ebenholzschlagbrett stammen von Frank Deimel. Die aufwendigen Perlmuttintarsien entstanden auf Wunsch des Kunden. Der Tonabnehmer stammt von Harry Häussel. Die Gitarre wurde am 03.09.2005 fertiggestellt.

Bilder vom originalen Hals

Danksagung und Quellen

Herzlichen Dank für Eure Erzählungen und das Bildmaterial! Danke an Andreas Haake, Hannes Schweickhardt, Michael G. Stewart www.michaelgstewart.com, Andreas Behringer, Frank Deimel, Herbert Rittinger, Matthias Kunath von der Band "Regent", Norbert Schnepel MK Dorsten, Dieter aus Sachsen, DMa, Paco Jimenez Permuy, André Ponath von www.vintageaudioberlin.de, Ralf Winter, Steve Nagel, www.voxguitars.net, Konrad von Brück, www.lordbizarre.com, Stephan Mühl, Olaf Kleinhempel, Stephan Sueß, Sören Marotz und den anonymen Freunden!

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