RESTAURATION EINER ROGER-LUXUS VON FRANZ HIRSCH

Ich bin ein Mensch der davon überzeugt ist, dass es keine Zufälle gibt, sondern alles was passiert, einer Bestimmung folgt.

Das trifft, in besonderem Maße, auf mein Erlebnis mit einer mysteriösen Schlaggitarre zu.

Im August 2016 bekam ich per Email eine Anfrage zu einer ROGER-NON-CUT. Es handelte sich um ein Nachkriegsmodell, ohne Cutaway,  mit gewölbter Decke und gewölbtem Boden, gebaut von Franz Hirsch.

An sich nichts ungewöhnliches, wäre da nicht eine Schnitzerei im Boden der Gitarre, mit dem Motiv vom Brandenburger Tor. 

Meine Vermutung war, dass es sich um ein Messemodell handelt.

Natürlich habe ich dem Besitzer aus Berlin ein Kaufangebot gemacht, da dieses ausgefallene Modell gut in meine Sammlung gepasst hätte. Bernd brachte es allerdings nicht übers Herz sich von dem guten Stück zu trennen.

Zweieinhalb Jahre später erhielt ich eine unerwartete Email von Bernd mit der Frage, ob ich die Gitarre noch haben wollte – ja, und ob ich wollte…!

Vielleicht war der bemitleidenswerte Zustand des Instruments mit ein Grund, warum es letztendlich bei mir gelandet ist.

Die nachfolgende Untersuchung offenbarte interessante Details, die Aufschluss geben über die bewegte Zeitgeschichte dieser Gitarre.

Im Inneren befindet sich ein Label aus der Berliner Zeit, auf dem, bei genauerer Betrachtung, der verblichene Modellname LUXUS und die Seriennummer 479 erkennbar sind. Gemäß meiner Seriennummernliste ist das Geburtsdatum das Jahr 1947.

Die Gitarre wurde später auf der Herbstmesse 1951 in Leipzig von Wenzels Sohn  Roger ausgestellt. Da dieser erst ein halbes Jahr zuvor den Betrieb übernommen hatte, konnte er nicht viel auf der Messe zeigen. In der Berliner Niederlassung, in der Lützowstraße, befanden sich nur noch alte oder halbfertige Instrumente und Komponenten, die sein Vater Wenzel nicht nach Markneukirchen mitgenommen hatte. Die ROGER Nr. 479 war Teil dieser Bestände.  So kam man auf die Idee den Boden dieser alten HIRSCH werbewirksam mit einer Schnitzerei zu versehen. Das Motiv repräsentierte den Standort Berlin, wo sich das Geschäft befand.

Nach dem Ende der Messe kehrte die 479 wieder in die Werkstatt zurück. Zu dieser Zeit herrschte bei ROGER ein akuter Mangel an Zubehörteilen, da das gesamte Inventar der Filiale in Markneukirchen von den Behörden konfisziert worden war. Aus diesem Grund musste sie ihre Hardware an ihre moderneren Schwestern abtreten.

Erst als wieder genügend Bauteile vorhanden waren, konnte der Torso erneut komplettiert und verkauft werden. Dies geschah im Zeitraum von 1952 bis 53.  Typisch ist der Saitenhalter, es gab ihn nur in der Roger-Ära, von 1951 bis 53.

Ausführliche Infos über diesen Zeitraum gibt es hier. Einfach klicken!


Somit ist diese Gitarre eine der letzten die von Franz Hirsch an Wenzel Rossmeisl geliefert wurden.

Zustand der ROGER 479 vor der Restauration

Wie oben schon erwähnt befand sich die Gitarre in einem desolaten Zustand.

Nachfolgend eine Auflistung der Mängel:

  • Decken- und Bodenablösung am großen Bug mit gravierendem Zargenüberstand
  • Überzählige Bohrlöcher in Korpus und Hals
  • Abgelöstes Binding an der Kopfplatte
  • Lose Bindings an Korpus und Hals
  • Lackierung stark verwittert, rissig und mit Macken
  • Hals gekrümmt
  • Offene Leimfugen zwischen der Halssperrung
  • Griffbrett mit Kerben
  • Bundstäbe teilweise lose
  • Mechanik-Bohrungen in der Kopfplatte unfachmännisch nachgearbeitet
  • Fehlendes Holzsegment am Stegfuß  
  • Mechaniken nicht original
  • Saitenhalter nicht original

Bilder vor der Restauration

Schadensdokumentation

Bilder vom Korpus innen

 

 

Restaurationsbericht:

Die einzelnen Arbeitsschritte, von denen die meisten zwischenzeitlich für mich zur Routine geworden sind, können der nachfolgenden Auflistung entnommen werden.

Kopfzerbrechen hat mir jedoch die Restaurierung der Bodenlackierung bereitet.

Eine Entlackung kam wegen der Schnitzerei nicht in Betracht. Bei der Entfernung des obersten, verwitterten, transparenten Deckmaterials war äußerste Vorsicht geboten, denn im Falle einer Verletzung der darunterliegenden Farbschicht wäre der Schaden erheblich gewesen. Diese Arbeit musste trocken durchgeführt werden um ein Eindiffundieren von Farb-und Schmutzpartikeln in bestehende Lackrisse zu vermeiden; eine überaus staubige und giftige Angelegenheit.

Die nachfolgende Retusche der ausgebesserten Schadstellen war eine Herausforderung und extrem zeitraubend.

Die Arbeiten im Einzelnen:

  • Gitarre demontiert und innen gereinigt
  • Decke und Boden verleimt
  • Zargen gelöst, gekürzt und neu verleimt
  • Halskrümmung beseitigt
  • Offene Leimfugen in der Halssperrung verleimt
  • Überzählige Bohrungen von Korpus und Hals verschlossen
  • Lose Bindings an Korpus, Griffbrett und Kopfplatte verleimt
  • Kopfplatteneinlage nachverleimt und verschliffen
  • Kopfplattenbohrungen mit Epoxy ausgegossen und neu verbohrt
  • Bundstäbe unterkoffert
  • Bünde abgerichtet, profiliert und poliert
  • Griffbrett geschliffen, gebeizt, poliert und gewachst
  • Korpus, Zargen und Hals entlackt und feingeschliffen
  • Lackierung des Bodens überarbeitet, retuschiert und transparent überlackiert
  • Korpus, Zargen und Hals neu lackiert, feingeschliffen, poliert und retuschiert
  • abgebrochenes Holzsegment am Stegfuß erneuert
  • Nachbau des originalen Saitenhalters inklusive Gravur
  • Schlagplatte überarbeitet und neu verschraubt
  • montiert, besaitet und justiert
  • dokumentiert und fotografiert


Mit dem Ergebnis bin ich überaus zufrieden.
Besonders angetan bin ich von der Klangfülle und der leichten Ansprache.
Ein großes Kompliment an den Erbauer Franz Hirsch, der die Entwicklung der Schlaggitarre in Deutschland beeinflusst hat wie kein anderer.  

Herbert Rittinger


Bilder nach der Restauration

 

Nachrüstung

  • 1 Satz Original-Mechaniken + Einschlaghülsen
  • Originalkopie Saitenhalter
  • 2 Gurtpins
  • 1 Satz Saiten

Datenblatt