Historische Vorlagen im Schlaggitarrenbau

Artikel von Stefan Lob

Es gibt einige Elemente im Schlaggitarenbau, die sich auf den historischen Instrumentenbau zurückführen lassen. Diese Elemente waren sicherlich den meisten Instrumentenbauern bekannt. Solche Techniken wurden von Handwerkern über Generationen weitergegeben. Im Schlaggitarrenbau gibt es heute Elemente, die als einzigartig und modern bezeichnet werden aber in Wahrheit uralte Überlieferungen und klare Entwicklungslinien des historischen Instrumentenbaus sind.

Röhrenförmig profilierter Boden

Anfangen möchte ich mit einer Gitarre, die als eine der berühmtesten Schlaggitarren aus deutscher Produktion gilt.

Die Hoyer „Bianka“ entstand aus einer Entwicklungslinie. Es ist eine Weiterentwicklung von der Hoyer „Special“ über die „Hoyer Special SL“ die zur „Bianka“ führte. Das Besondere an der Bianka sind ihre röhrenförmig profilierte Decke & Boden.

Dieses Gestaltungsmerkmal lässt sich allerdings auf ein historisches Instrument zurückführen.

Die spanische „VIHUELA“ aus dem 16. Jhd. hatte einen ähnlich gestalteten Boden und diente wahrscheinlich als historische Vorlage!

Verzierungen und Einlegearbeiten

Verzierungen und Einlegearbeiten (Intarsien), wie man sie bei Neubauer, Hüttel und anderen sieht, wurden schon vor vielen hundert Jahren an diversen historischen Streich- und Zupfinstrumenten
verwendet.

Kopfplatte aus Metall

Auch die Idee, eine Kopfplatte aus Metall zu verwenden, stammt aus alten Zeiten. Besonders beim Bau von Kontra- und Schrammelgitarren dienten diese Metallauflagen zur Stabilisation der Kopfplatte.

Es gab solche Metallauflagen für die Kopfplatten auf der Vorderseite aber auch für die Rückseite. Es gab auch fertige Mechaniksätze, welche mit einer Metallplatte verbunden waren.

Der berühmteste Gitarrenbauer der Metallplatten auf seinen Schlaggitarren-Kopfplatten verwendet hat, war sicherlich Artur Lang aber auch Gutav Glassl und Rudi Kreul (ROAL) haben solche Auflagen verwendet

Saitenhalter und verstellbarer Aufstellsteg

Saitenhalter aus Metall wurden ebenfalls bereits vor vielen hundert Jahren auf historischen Instrumenten verwendet. Bevor es die typischen Saitenhalter im Schlaggitarrenbau gab, wurde viel experimentiert. Im Mandolinenbau gab es sogenannte Ärmelschützer, welche hinter den Saitenaufhängunswinkel geklemmt wurden. Solch eine Kombination ist im Endeffekt das gleiche was wir heute als typischen Saitenhalter im Schlaggitarrenbau bezeichnen. Saitenhalter wurden im Streichinstrumentenbau in der Regel aus Holz geschnitzt, aber es gab auch immer wieder Instrumente die mit Saitenhaltern aus Metall versehen waren. Im Hawaii-Gitarrenbau spielte eine variable Einstellung der Saitenhöhe eine große Rolle. Dort verwendete man einen höhenverstellbare Aufstellsteg. Diesen Aufstellsteg gab es einzeln oder auch in Kombination mit einem Saitenhalter aus Metall.

Saitenhalter

Besonders interessant ist die Entwicklung im Harfen-Gitarrenbau. Historische Gitarren haben in der Regel auf die Decke geleimte Brücken. Mit Hilfe von kleinen Holzpinnchen wurden die Saiten verankert. Dieses Prinzip ist schon sehr alt und wird heute immer noch im Westerngitarrenbau verwendet.

Auf diesem wunderschönen Foto von Gregg Miner / Harpguitars kann man deutlich sehen wie man bei Gibson versuchte diese Konstruktion zu verstärken. Der Schritt zum Metall-Saitenhalter in Kombination mit einem verstellbaren Aufstellsteg war nicht weit und eine logische Entwicklung.

Moderne Gitarrenbauer verwenden auch gerne wieder traditionelle Saitenhalter aus Holz.

Schalllochformen

Schalllochformen sind natürlich ein Kapitel für sich und werden hier auch bald gesondert betrachtet. Zwei kleine Beispiele möchte ich hier dennoch aufzeigen.

Die Schallöcher der Höfner 461 sind keine modernen Schallöcher, wie so oft behauptet wird. Diese Schalllochform ist auch schon sehr alt und wurde auf der Viola Dámore verwendet. Auf der Collage sieht man auch eine ganz alte Schlaggitarre, (vermutlich Ende der 20er bis Anfang der 30er Jahre) die diese Schalllochform verwendet.

Im Schlaggitarrenbau gab es immer wieder Modelle mit einem runden oder ovalen Mittelschallloch und zwei weiteren Schalllöchern (f / Sichel/Tropfen usw.).

Auch dies ist ein Merkmal, das es bereits beim historischen Instrumentenbau gab. Besonders Zupf- und Streichinstrumente aus der Barock- und Renaissancezeit weisen unglaublich aufwendige Dekorationen auf. Besonders die Mittelschalllöcher wurden mit unglaublich filigranen und oft auch dreidimensionalen Schnitzarbeiten versehen.

Im Vergleich mit vielen dieser alten Instrumente kommt es mir oft so vor, als ob der Konservatismus im Instrumentenbau mit fortschreitender Zeit immer größer wurde.

Dieser kleine Artikel sollte nur einen kleinen Einblick in die wirklich interessante Geschichte des Gitarrenbaus zeigen. Um sich näher mit dem Thema zu beschäftigen, empfehle ich die unten genannten Webseiten.

Quellen
4 Lindberg Kataloge
Bilder von mehr als 200 Gitarren
55 Bilder von datierten Instrumenten
Untersuchung von mehr als 30 Instrumenten

Danksagung:

Vielen Dank an Stephen Candib, Simon Deobald, Frankpaush, Johann Frisch, Rolf Gückel, Kim Jensen, Herbert Rittinger, Ol'Fret , Snap, Wietse und viele andere Teilnehmer des "Euroguitars Forums" und viele eBayer weltweit, die mir Bilder und anderes Material zur Verfügung stellten.

Danksagung von Stefan Lob

Vielen Dank an Kield "Lacquercracks" für diese sensationelle Bestimmungshilfe, Herrn Martin Haberfellner für die vielen Informationen, Herbert Rittinger der mich als erster auf Rod. Hoyer Gitarren aufmerksam machte und durch ein Aufkleber in einer seiner Gitarren auch den Herkunftsort nennen konnte. Durch diese Informationen war es mir erst möglich weiter zu forschen. Natürlich auch Dank an die zahlreichen Leser und Freunde, die dieses Projekt unterstüzten.

Kield "Lacquercracks" und Stefan Lob für "www.schlaggitarren.de" im Dezember 2009