RESTAURATION EINER ZWEITEN OSBAMA-TANGO

von Herbert Rittinger

 

Eines Tages rief mich Stefan Lob an und fragte mich, ob ich eine OSBAMA-TANGO für meine Sammlung gebrauchen könne. Natürlich konnte ich nicht nein sagen. Als ich die Gitarre dann in den Händen hielt wurde mir schnell klar, dass enorm viel Arbeit nötig sein würde, um aus diesem Wrack ein spielbares, gut aussehendes Instrument zu machen.
Der Hals war krumm und deshalb nur sehr eingeschränkt spielbar, was aber den Vorteil hatte, dass die Bundstäbe nur minimal abgenutzt waren und so auf eine Neubundierung verzichtet werden konnte. Den Zustand der Lackierung brauche ich nicht näher zu beschreiben; die Bilder sprechen für sich. Grosse Teile vom Korpus waren aus dem Leim gegangen und die Decke zierten zwei offene Risse. Drei Bohrlöcher in der Zarge, im Bereich des großen Bugs zeigten an, dass an dieser Stelle einmal eine Armauflage montiert war. Stefan war so freundlich, mir das gleiche Modell aus seiner Sammlung zur Verfügung zu stellen und so war ich in der glücklichen Lage, fehlende Teile originalgetreu replizieren zu können. Zum Dank für seine stete Hilfsbereitschaft habe ich ihm seine TANGO restauriert.

Nach Abschluss aller notwendigen Arbeiten darf ich eine wundervolle Gitarre meiner Sammlung hinzufügen. Der Klang ist ausgewogen und brillant und sie lässt sich trotz des kräftigen Halses mühelos spielen. Angenehm überrascht bin ich von der guten elektrischen Abnahme durch den in den Hals eingebauten RELLOG. Viele im Hals eingebaute Pickups haben das Problem, dass das Signal der beiden äußeren Saiten, bedingt durch die geringe Breite des Tonabnehmers, schwächer ist. Dieser Nachteil ist bei diesem Abnehmer nicht feststellbar.

Vor der Restauration


© HR

 

Durchgeführte Arbeiten:

01. Schritt: Halskrümmung beseitigt
02. Schritt: Bundstäbe beidseitig unterkoffert
03. Schritt: Bunddrahtenden verrundet und poliert
04. Schritt: Bünde abgerichtet, profiliert und poliert
05. Schritt: Griffbrett abgezogen, poliert und gewachst
06. Schritt: Decken-und Bodenablösung + lose Zargen + Bindings verleimt
07. Schritt: Hals-Korpusverbindung überarbeitet
08. Schritt: Gitarre komplett entlackt und zum Lackieren vorbereitet
09. Schritt: Gitarre lackiert, patiniert, geschliffen und poliert
10. Schritt: Steg überarbeitet und angepasst
11. Schritt: Mechaniken überholt, Wellen gekürzt
12. Schritt: fehlende Armauflage incl. Verzierungen + Halter angefertigt
13. Schritt: montiert, besaitet und justiert
14. Schritt: dokumentiert und fotografiert

Bilder Nach der Restauration


© HR

 

Diese Gitarre wurde von Erich Neudel 1959 für OSBAMA gebaut


© HR

 

Nachwort:

Es gibt viele unterschiedliche Meinungen über Sinn und Zweck von Restaurationen bei Gitarren. Bevor man mit einer Restauration beginnt, sollte man versuchen, das Ziel zu definieren. Dazu ist es notwendig alle wichtigen Kriterien zu erfassen und durch eine Bestimmung der Wertigkeit in die richtige Reihenfolge zu bringen. Aus diesen Vorgaben ergibt sich die Art und der Umfang der notwendigen Arbeiten.
Meine Kriterien und deren Wertigkeit, gültig für den überwiegenden Teil meiner Projekte:

OPTIMALER KLANG / 40%
OPTIMALE BESPIELBARKEIT / 30%
ORIGINALES AUSSEHEN / 30%

Natürlich existieren auch Ausnahmen bei denen ich, bedingt durch besondere menschliche, konstruktive und historische Gegebenheiten, die Vorgaben verändert habe.
Das Ergebnis wird aber immer ein Kompromiss sein, denn auch hier gilt: die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht.

Nach weit über hundert durchgeführten Restaurationen, bei denen die klangliche Optimierung der Instrumente immer im Vordergrund gestanden hatte, bin ich erstaunt darüber, wie wenig Bedeutung (Sorgfalt) der optimalen Gestaltung der Passflächen von Hals-Korpusverbindungen beigemessen wurde. Dabei zählt die Hals-Korpusverbindung, ebenso wie die Lackierung zu den klangrelevanten Einflussgrößen.

DATENBLATT


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