Kurzgeschichte zum Musikinstrumentenbau
in Markneukirchen von Heidrun Eichler

Die Besiedlung von Markneukirchen fand im 11. Jahrhundert durch Bauern aus dem oberpfälzisch – ostfränkischen Raum statt. Ähnlichkeiten in der Mundart sind bis heute deutlich zu hören. Markneukirchen war um 1650 eine kleine Stadt mit knapp 600 Einwohnern, vorrangig Handwerkern, Ackerbürgern und Landfuhrleuten. Infolge der Rekatholisierung Böhmens flüchteten viele Protestanten ins benachbarte Sachsen. Zu diesen Exulanten gehörten auch 12 Geigenbauer aus Graslitz, die 1677 in Markneukirchen eine Geigenmacherinnung gründeten- übrigens die älteste Innung dieser Art, die bis heute besteht.

Arbeiteten um 1700 in Markneukirchen etwa 30 Musikinstrumentenbauer, waren 100 Jahre später ca. 200 Menschen in Markneukirchen und Klingenthal mit dem Musikinstrumentenbau beschäftigt. Die Teilung von Instrumentenbau und Handel setzte sehr früh ein und war Mitte des 19. Jahrhunderts voll ausgeprägt. Ebenso typisch für die Region war die Spezialisierung und zunehmende Arbeitsteilung der Produzenten bereits im 18. Jahrhundert.
1828 gab es in der Musikstadt 61 Groß- und 35 Kleinhändler. Diese kauften die Ware meistens Dutzendweise vom Instrumentenbauer, der in der eigenen Werkstatt arbeitete.

Die Verleger, die im Volksmund “Fortschicker” genannt wurden, haben ihre Arbeit nicht uneigennützig getan. Bis zu 21 Millionäre hat es in der kleinen Stadt am Schwarzbach bis 1945 gegeben. Markneukirchen war zeitweilig der zweitgrößte Steuerzahler (pro Kopf gesehen) in Sachsen. Ein USA-Konsulat wurde Ende 1893 eingerichtet, um den Handel nach Übersee besser abwickeln zu können. Mit dem Eintritt der USA in den ersten Weltkrieg wurde das Konsulat geschlossen. Noch heute zeugen stattliche Bürgerhäuser und schmuckvolle Villen vom einstigen Reichtum der Musikstadt. Die beiden Weltkriege, Inflation und die Weltwirtschaftskrise wirkten sich sehr negativ auf den Instrumentenbau aus.

Nach 1946 wurden durch Enteignung von Großbetrieben, Zusammenlegung kleiner und mittlerer Betriebe und Gründung neuer Produktionsstätten vollkommen neue Strukturen im Musikinstrumentenbau geschaffen. Mit der Verstaatlichung von selbständigen oder halbstaatlichen Betrieben im Jahre 1972 fand eine weitere Konzentration der Produktion statt, die 1981 schließlich zur Gründung des Kombinates für Musikinstrumente führte. Der Absatz wurde zum größten Teil über die staatlich kontrollierte Außenhandelsgesellschaft DEMUSA Klingenthal abgewickelt.

Seit 1943 steht den privaten Musikinstrumentenbauern die Musikinstrumentenbaugenossenschaft MIGMA zur Seite. Ursprünglich von einzelnen Handwerkern gegründet, um sich gegenüber den Verlegern besser schützen zu können, hatte sie nach dem Krieg bis 1989 die Funktion einer Einkauf- und Liefergenossenschaft. Die selbständigen Instrumentenbauer konnten über die MIGMA Material einkaufen, was sie mangels westlicher Währung sonst nicht bekamen, waren aber dafür verpflichtet, einen Teil der Instrumente für den Verkauf an die Genossenschaft abzugeben. In den 1960iger Jahren wurde dem Nachwuchs die Übernahme oder Gründung von privaten Werkstätten nicht mehr gestattet, ein großer Fehler, der 1988 mit der zur Gründung der Fachschule für Musikinstrumentenbau (heute Westsächsische Hochschule Zwickau, Studiengang Musikinstrumentenbau Markneukirchen) korrigiert werden sollte. Heute ist die MIGMA eine Großhandelseinrichtung, die ihre Mitglieder regelmäßig bei Messen und Ausstellungen vertritt.

Die Entwicklung der industriellen Fertigung der Musikinstrumente nahm in den letzten Jahrzehnten einen ganz anderen Verlauf. Manufakturbetriebe entstanden bereits um 1900, wobei hier die Saitenfabrikation führend war. 1913 wurden 75% der Weltproduktion an Saiten durch Markneukirchen abgedeckt. Die Saitenherstellung war die Branche der Musikindustrie mit dem höchsten Anteil von Frauen. Tätigkeiten wie Saitenspinnen und -ringeln wurden auch häufig in Heimarbeit erledigt. Qualität konnte nur durch entsprechende Rohstoffe erreicht werden. Wurden Schafdärme zunächst aus England bezogen, so reisten die Handelsleute bald nach Mittelasien, um das Rohmaterial von dort zu beziehen.
Interessant ist dieser Umstand auch für die Geschichte des Museums, denn so mancher Weltreisende brachte für die Sammlung wertvolle Instrumente mit.

Erwähnenswert ist die von 1906 bis 1930 existierende Aktiengesellschaft für Geigenindustrie. Es war der erste Versuch der maschinellen Fertigung von Geigenschachteln (Boden, Zargen und Decke), die bis dahin hauptsächlich aus dem böhmischen Schönbach bezogen wurden.

Die industrielle Fertigung hatte einen weiteren Höhepunkt zu DDR-Zeiten. Bis zu 1200 Beschäftigte hatte der VEB MUSIMA, zu dem außer dem 1965 errichteten Hauptgebäude auch viele kleinere Betriebsteile gehörten, die 1972 bei der umfassenden Verstaatlichung mit angeschlossen wurden. Die Produktion umfasste täglich bis zu 2000 Blockflöten, 360 Gitarren und 20-30 Streichinstrumente.

Die Großbetriebe wurden in den 1990er Jahren privatisiert, stark verkleinert oder gingen- wie die MUSIMA- in Insolvenz. Es gab auch Neugründungen, allerdings ist der Produktionsumfang heute auf Grund der großen Konkurrenz aus dem Fernen Osten stark zurückgegangen.

Hohe Qualität und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis sind Voraussetzungen für Absatzchancen auf dem hart umkämpften Musikmarkt der Welt. Die langjährige Tradition des hiesigen Musikinstrumentenbaues und eine darauf aufbauende solide Ausbildung garantieren auch zukünftig den wirtschaftlichen Fortbestand der z.Z. ca. 120 Werkstätten und 6 mittelständischen Unternehmen.

Heidrun Eichler, 2008

© Heidrun Eichler

Framus – Die Anfänge

Artikel von Dr. Christian Hoyer und Stefan Lob

Erst einmal möchte ich mich ganz herzlich bei Dr. Christian Hoyer bedanken. Ich habe mit ihm regelmäßig E-Mail-Kontakt und es macht viel Freude, unsere Ideen und unser Wissen über Gitarren und deren Hersteller auszutauschen. So ist auch dieser Artikel entstanden.

Grundlegendes vorab

Framus war ursprünglich nicht nur als Herstellerfirma konzipiert, sondern auch als Vertrieb für andere kleinere Hersteller, als Auffang- und Sammelorganisation für alle ehemaligen Schönbacher Betriebe im Raum Erlangen. Framus sollte einerseits die Grundlagen für die Ansiedlung und den Aufbau in Bayern schaffen, Wohnungen suchen, Möbel für den Alltag beschaffen, Werkstätten errichten, Werkzeuge und Maschinen beschaffen, über Bezugsscheine die Materialien für den Bau von Instrumenten besorgen u. v. m.; andererseits sollte Framus für den Absatz der Instrumente Sorge tragen. Ab Anfang 1946 konnte so die Produktion in einigen kleinen Werkstätten bereits Ende 1945/ Anfang 1946 anlaufen, und für viele Heimarbeiter fungierte Framus in den Anfangsjahren als Vertrieb für ihre Instrumente. Die Framus-eigene Herstellung von Zupfinstrumenten wurde ab Anfang 1947 von Walter Höfner aufgebaut und geleitet, der im Wesentlichen auch die ersten Gitarrenmodelle entwickelte. Erst ab Ende 1948 gingen Framus und Höfner eigene Wege, die Werkstätten und die Belegschaft wurden geteilt. Und erst in den Folgejahren entstanden so zwei eigene, voneinander durch Stil, Arbeitsweise und Design unterscheidbare eigenständige Gitarrenschmieden. Mehr hierzu kann man in der Unternehmensgeschichte von Framus erfahren, in der die Aufbaujahre im Raum Erlangen detailliert nachgezeichnet werden.

(Christian Hoyer, Framus – Built in the Heart of Bavaria. Die Geschichte eines deutschen Musikinstrumentenherstellers. 1946-1977, Markneukirchen 2007, 292 S., über den Web Shop der Firma Framus-Warwick kann dieses Buch bezogen werden)

Um frühe Instrumente aus den Jahren 1946 bis 1950 geht es im Folgenden.

Christian Hoyer hat mir folgendes Bildmaterial zugeschickt und gefragt, was ich davon halte und ob ich eine Idee habe, wer die Gitarrenbauer hinter diesen Gitarrenmodellen sind.

Ich konnte anhand der Bilder auch keine sicheren Aussagen treffen, ich habe aber ein paar Ideen, die ich hier vorstellen möchte. Wer anderer Meinung ist, kann das gerne mitteilen!

Fangen wir mal mit einer sehr interessanten Gitarre an. An dieser Gitarre fällt zuerst der wunderschön gearbeitete Boden auf. Ich kenne nur einen Gitarrenbauer, der später in diesem Stil gearbeitet hat, nämlich Gitarren mit verschiedenen Furnieren zu verzieren. Er hieß Wolfgang Hüttl, stammte aus Schönbach und wurde 1946 vertrieben. Er hat anfangs bei Arnold Hoyer gearbeitet. Dann machte er sich selbstständig. Bald erscheint auch ein eigener W. Hüttl Artikel auf dieser Webseite.

© FRAMUS

Diese Gitarre weist noch viele Merkmale alter Gitarren aus dem Egerland auf. Besonders die Kopfplattenform, d. h. die zur Mitte hin geschwungene Form. Höfner, die ja auch mit Framus bis 1948 zusammenarbeiteten, hatten solche Kopfplatten schon vor dem 2. WK auf ihren Gitarren. Der Saitenhalter weist die Grundform der frühen „Bubenreuther Gitarren“ auf.

MESSE 1949
© FRAMUS

Dieses Foto stammt von der Mittenwalder Messe 1949. Im Koffer liegt die oben erwähnte Gitarre. So präsentiert, dass man den schönen Boden sieht. Unter dem Framus-Logo hängt eine HÖFNER-Mandoline, Modell 547.

Hier geht es aber um die beiden wundervollen Gitarren rechts und links. Bei diesen Gitarren würde ich auch auf Gitarrenbauer aus dem Egerland tippen. Einige Merkmale wurden später bei Höfner-Modellen wieder aufgegriffen, so dass ich davon ausgehe, dass diese von Gitarrenbauern stammen, die nach der Trennung von Framus und Höfner für die Fa. Höfner arbeiteten.

Messe 1950
Diese Gitarre ist äußerst interessant und eine wirkliche Schönheit

Die Korpusform erinnert stark an eine Gibson L5 aber die Wölbung der Decke ist stärker ausgearbeitet. Das Logo auf der Kopfplatte und dem Schlagbrett ist eine aufgebrochene Raute, wie sie auch Gibson als Kopfplatten-Einlage verwendete. Die Einlagen des Griffbretts sind Vorläufer des späteren „Perlmutt-Einlagen“-Typs, wie sie auf vielen „hochwertigen“ Gitarren aus Bubenreuther Produktion verwendet wurden. Diese Perlmut-Einlagen konnte man später serienmäßig bei Leopold Müller zukaufen. Der Saitenhalter erinnert auch ein wenig an eine Gibson Typ „Super 400“. Leider ist die Bildqualität nicht die beste. Aber die F-Löcher scheinen nicht eingefasst, sondern mit Schnitzarbeiten verziert worden zu sein.

Dies gab es auch bei Höfner, wie man an diesem sehr alten Höfner-Modell sehen kann.

Geteilte Schalllöcher

Diese Gitarre besitzt geteilte Schalllöcher. Eigentlich ein typisches Merkmal des Gitarrenbauers Artur Lang, aber diese Gitarre scheint mir von einem anderen Gitarrenbauer hergestellt worden sein, da es außer diesem Merkmal keine weiteren Übereinstimmungen gibt.

„sudetendeutschen Heimarbeiter“

Diese drei Gitarren Modelle stammen sicherlich von „sudetendeutschen Heimarbeitern“ und tragen schon die typischen Merkmale des frühen „Bubenreuther Gitarrenbaus“.

© FRAMUS
Wir suchen nach weiteren alten Modellen, Bildern, Katalogen aus der Vorkriegs- und frühen Nachkriegszeit!

Stromgitarren in der DDR

Alles zum Wohle des Yeah, Yeah,Yeah! – Artikel & Bilder von Sören Marotz

Der Mangel an brauchbaren Instrumenten und Verstärkern aus einheimischer Produktion ließ viele Musiker zum Lötkolben oder besser gleich zu den großen West-Marken greifen. Schätzungen zufolge lag deren Anteil im Profi-Bereich bei etwa 80 bis 90%. Das Equipment aus dem kapitalistischen Westen wurde somit ironischer weise die Grundlage zum Erfolg im Osten.

„NIEMAND IN UNSEREM STAATE HAT ETWAS GEGEN EINE GEPFLEGTE BEAT-MUSIK“

Irgendwie erinnert der Honecker-Satz über die „gepflegte Beat-Musik” an das „gepflegte Bier” aus dem Zapfhahn in der Eckkneipe. Nur lässt sich weder das Bier noch die Beat-Musik pflegen. Vielmehr wollte Erich Honecker, der letzte Staatsfürst der DDR, gegenüber dem Nachwuchs auf Schmusekurs gehen, schließlich war er als ehemaliger Vorsitzender der FDJ (Freie Deutsche Jugend) der Berufsjugendlichkeit verpflichtet.
Beat-Musik ist nicht pflegbar. Diese Erkenntnis trug Walter Ulbricht im Dezember 1965 auf derselben Veranstaltung (11 . Plenum des ZK der SED) vor, als er die bis dahin florierende Beat-Szene der DDR waidgerecht zerlegte: „Ich bin der Meinung, Genossen, mit der Monotonie des YEAH, YEAH, YEAH und wie das alles heißt, sollte man doch Schluss machen … Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, kopieren müssen?” Danach war einige Jahre Sendepause für die Jungs mit ihren lärmenden Gitarren.

Ab 1970 begann wieder ein Aufschwung, der bis zur Krise des traditionellen DDR-Rock Ende der achtziger Jahre anhielt und auch von der Ausbürgerung Wolf Biermanns nicht nen-nenswert gestoppt werden konnte.

Diese Krise hing wesentlich mit der beginnenden Implosion des Landes zusammen, die Ursachen waren zum Teil auch hausgemacht. So wurde Rock-Musik im Voraus, oft von der FDJ, eingekauft und bezahlt, egal wie viele Zuhörer erwartet wurden. Auch der Konkurrenzdruck war gering. Sobald sich Rock-Musiker in ein bestimmtes Schema eingeordnet hatten, gab es feste Gagen für die „Muggen”. Entscheidend für deren Höhe war die „Einstufung” (Spielberechtigung). Dieses an sich aberwitzige System, das die Instrumentenbeherrschung und nicht den Publikumserfolg bewertete, sorgte für eine böse Diskrepanz: „Die Bomhastjauler EIektra z. B. spielten im Berliner Kulturpark vor dreißig Zuschauern für weit mehr als 7000 Mark, während Konzerte von „Die anderen’“ und „Die Art“ immer überfüllt waren …” schrieb Heinrich Hecht 1999 in der Zeitung „Junge Welt”. Hier entstand parallel zu den etablierten Alt-Rockern eine neue Szene, die sich nicht integrieren lassen wollte. „In beiden Lagern wurde sich totgemuggt … West-Bands purzelten nach der Wende ins Essen, wenn ihnen Zwanzigjährige erzählten, sie hätten 1500 Konzerte absolviert …” schrieb Hecht dazu weiter.

Während die FDJ ab 1987 in Berlin große Rock-Konzerte mit internationalen Musikern veranstaltete, wollte die Cottbusser Punk-Band Sandow mit Ihrem Song „Born In The GDR“ (der Titel bezog sich auf Bruce Springsteens „Born In The USA“) hierzu einen Gegenpol schaffen. Der Film „Flüstern & Schreien – Ein Rock-Report” (1988), der die Gruppen Feeling B, Silly, Chicoree und eben Sandow porträtierte, skizzierte die Deformation des Arbeiter- und Bauernstaates. „Wo wir gespielt haben, brannte die Luft und die Dielen wurden herausgeruppt für ein paar schräge Akkorde und die Wahrheit gratis dazu.

Dieses ständige Improvisieren, dieses Leben als gerechter Indianer und dieser imaginäre Druck einer Staatsmacht vermittelten einem viel mehr amerikanische Werte vom freien Leben, als dem Osten je lieb war und im Westen je erfahrbar sein wird”, stellt Kai-Uwe Kohlschmidt von Sandow treffend fest. Ob staatstragend oder systemkritisch, das war also nicht die Frage: Die E-Gitarre gehörte bei protegierten Gruppen (Puhdys, Karat, City), wie auch bei unangepassten Combos (Renft, Feeling B, Sandow) einfach dazu. Die Beschaffung des Equipments dagegen spielte eine besondere Rolle, die nachfolgend näher betrachtet wird.

West- Gitarren im rockenden 0sten

Der Mangel an brauchbaren E-Gitarren, Effektgeräten und Verstärkern einheimischer Produktion sowie deren geringes Prestige ließ fast alle Profi-Musiker zu den großen Namen wie Fender oder Gibson greifen. Aber auch mit einer Ibanez machte man schon ordentlich was her. Die meisten Instrumente und Zubehörteile wurden vermutlich von der Oma oder dem Westonkel als Geschenk in die DDR mitgebracht. Problematisch war es jedoch, dem spendablen, aber technisch unbedarften Verwandten zu benennen, welcher Artikel aus dem großen Angebot konkret gewünscht war. Prospekte oder gar Preislisten standen kaum zur Verfügung.
Eine andere Möglichkeit bestand darin, sich die Traumgitarre im Westen selbst zu kaufen oder sie sich mitbringen zu lassen. Dafür war jedoch Westgeld von Nöten, das teuer auf dem Schwarzmarkt eingetauscht oder im Westen erspielt werden musste. So kaufte sich Uwe Hassbecker (Stern Meissen, Gitarreros, Silly) 1977 anlässlich eines Auftrittes im Westberliner Quartier Latin eine Ibanez im Les-Paul-Look. D-Mark oder genauer Forum-Schecks brauchte auch, wer im Musiker-Intershop in Berlin-Altglienicke einkaufen wollte. In den späten 70er Jahren stand der Kurs noch bei 1:4, Ende der 80er zum Teil schon bei 1:10. Die Anschaffung einer E-Gitarre für 800 DM konnte so durchaus das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Arbeiters verschlingen.
Daneben soll es auch offiziell über das Kulturministerium bezogene West-Gitarren gegeben haben. Diese Bezugsform war aber sicher noch seltener als die Art, wie Uwe Hassbecker seine Ibanez  
Roadstar erhielt: Er bekam sie 1987 als Gage für seine Studiomusiker-Parts auf der Solo-LP von Quaster (Puhdys).
Natürlich konnte man auch versuchen, die Wunsch-Gitarre über den staatlichen An- und Verkauf oder von einem Musiker für DDR-Mark zu kaufen. Toni Krahl (Gitarrist der Gruppe City) zum Beispiel war eine beliebte Anlaufstelle bei Instrumentenwünschen. Vielfach ging die Gage der Bands drauf, um Kredite für die Musikanlage abzuzahlen und Instrumente zu kaufen. Trotzdem musste keiner am Hungertuch nagen, schließlich ließ sich auch der alte Kram weiterverkaufen. Zuerst aber brauchte man eine „Einstufung” (Spielberechtigung), um sich zum Beispiel einen 120Watt-Peavey-Combo-Amp für stolze 6000 DDR-Mark erspielen zu können.

Volkseigene Gitarren

Die beschauliche Kleinstadt Markneukirchen im Vogtland war im umzäunten Teil Deutschlands das Zentrum des Musikinstrumentenbaus. Dieser Produktionszweig blieb auch nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten. 1953 erfolgte die Gründung des VEB Musikinstrumentenbau Markneukirchen (Musima).

Hier wurden, neben vielen anderen Musikinstrumenten, seit den 60er Jahren E-Gitarren in Serie hergestellt. Instrumentenverstärker und sonstige Bühnentechnik wurden in erster Linie im VEB Vereinigte Mundharmonikawerke (Vermona) in Klingenthal gebaut. Anders als bei den akustischen Gitarren oder den Geigen, wo die handwerkliche Produktion immer eine bedeutende Rolle spielte, wurde die E-Gitarrenproduktion der Musima 1967 in einen DDR-Zweckbau am Stadtrand von Markneukirchen verlegt, der das Hauptgebäude des volkseigenen Betriebes darstellte. Bis dahin produzierte man bereits in einem unscheinbar wirkenden Wohnhaus im Zentrum der Stadt.

Die Vielfalt der Baureihen und Modellbezeichnungen mag anfangs Erstaunen hervorrufen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, dass die Unterschiede zwischen den Modellen oft marginal waren und schon geringe Ausstattungsänderungen zu neuen Bezeichnungen führten. Bundesdeutsche Firmen wie Höfner oder Framus agierten da nicht anders. Einzelne Modelle konnten sich, von Ausnahmen abgesehen, nur schwer etablieren. So sind die Musima Modellreihen Eterna, Elgita, Elektra oder Record meist nur Insidern bekannt.

Etwas anders sieht es mit den zuletzt produzierten Modellreihen aus. Kurt Fiedel, letzter Betriebsdirektor der Musima, stellte Ende der 80er Jahre die Leadstar, den Action-Bass sowie das Modell Heavy vor. Speziell die Leadstar ist heute noch ab und an in Proberäumen zu finden, zog doch hier die Qualität noch einmal an. Zuvor wurden vor allem klobige Hälse, unsauber verarbeitete Bundstäbe sowie simple Mechaniken bemängelt. Ob die insgesamt niedrige Qualität eine Folge der „volkseigenen Produktionsweise” oder des allgemein geringen staatlichen Interesses für E-Gitarren war, ist sicher in hohem Maß Spekulationssache. Die Frage, ob die Instrumentenbauer nicht wollten, nicht konnten oder nicht durften, ist aber letzten Endes so müßig wie die Klage darüber, dass der Trabant zum Schluss schon als Oldtimer ausgeliefert wurde.

Eigenbauten & Meisterstücke

Ohne West-Bühnentechnik war man am Basteln. In jeder Band verstand sich zumindest einer der Musiker darauf. Alles was fehlte, wurde abenteuerlich zusammengelötet. Auch wenn sich die Lage spätestens seit den 80er Jahren etwas entspannte, blieb ein grundlegender Mangel an Equipment aus eigener Produktion bis zum Ende der DDR bestehen.

Bevor 1965 die erste Beat-Platte der DDR mit E-Gitarrenmusik erschien, fühlte sich ein auf diesem Album vertretener Gitarrist von der staatlichen Produktion besonders benachteiligt: Dieter Franke vom Franke-Echo-Quintett. Franke spielte damals eine selbstgebaute dreihalsige (!) E-Gitarre.
In der Ausgabe Nr. 23 der Zeitschrift Melodie und Rhythmus von 1964 beklagte er sich darüber, dass der Handel ausschließlich ungeeignete Resonanzgitarren anbot: „…empfindliche Tonabnehmer, gut ansprechende Glissando-Hebel, niedrigste Saitenlage sowie flache Bünde und Hälse waren nun aber einmal Voraussetzung für den im Kommen be-findlichen Gitarren-Sound”. Die Gruppe bediente den Lötkolben anscheinend nicht weniger virtuos als ihre Instrumente, stellte der Autor Michael Rauhut dazu in seinem Buch „Rock in der DDR” richtig fest.

Im Handwerksbereich gab es jedoch auch exzellente Gitarrenbauer, die meist auf Bestellung arbeiteten. Sie wurden in Produktionsgenossenschaften des Handwerks, wie der PGH Marma (Markneukirchen-Mainz) zusammengefasst, waren also nicht dem VEB Musima zugeordnet. Über die Musikinstrumenten-Handwerker-Genossenschaft Migma e.G., die seit 1943 besteht, wurde der ge¬meinsame Einkauf und Vertrieb abgewickelt, während der Export über die Demusa GmbH (Deutsche Musikinstrumenten- und Spielwaren Außenhandels-Gesellschaft mbH) vorge¬nommen wurde. Der chronische Devisen mangel der DDR und die Handelsverpflichtungen mit der Sowjetunion führten dazu, dass kaum gute Musikinstrumente im Land blieben.

Obwohl sie nicht eigenständig auf Messen in Erscheinung treten konnten, waren die Werkstätten von Otto Windisch (Otwin), Oswald-Bachmann-Markneukirchen (Osbama) und Heinz Seifert gefragte Adressen für handgemachte Jazz-Gitarren mit Tonabnehmern. Vor allem der 2002 verstorbene Heinz Seifert baute individuelle Instrumente auf Bestellung und entwickelte sich zu einer Anlaufstelle für DDR-Musiker, die sich auch Westgitarren von ihm nachbauen ließen. Dass diese Tradition nach der Wende im Vogtland abriss, lag nicht nur an den veränderten Marktbedingungen, sondern auch daran, dass viele Handwerksmeister bereits nicht mehr am Leben waren oder ihr Glück in den alten Bundesländen suchten.

Was blieb übrig?

Direkt nach der Wende führte das Wegbrechen der Märkte im Osten, wie im ehemaligen Westen zu einer schnellen Auflösung des E-Gitarrenbaus. Zum Teil konnte auf eine andere Produktion umgestellt werden. So brachte es die neue Lage am heimischen Markt mit sich, dass in Schöneck (Vogtland) nun Satellitenanlagen statt Musikinstrumente hergestellt wurden.
Wer heute nach Spuren der DDR-Stromgitarrenproduktion im vogtländischen Musikwinkel sucht wird wahrscheinlich wenig Erfolg haben oder bei Warwick bzw. Framus in Markneukirchen landen. Der Traditionsbetrieb aus dem Fränkischen siedelte sich nach der Wende hier im Gewerbegebiet an.

Das Hauptgebäude der Musima in Markneukirchen steht zwar noch, die Produktion von akustischen Gitarren wurde aber 2003 eingestellt, da die Musima Bärwinkel KG als letzter Nachfolger Konkurs anmelden musste und eine Übernahme nicht in Sicht ist.
Selbst im Musikinstrumentenmuseum Markneukirchen reicht der Platz nicht aus, um die vorhandenen E-Gitarren auszustellen. So bleiben nur einzelne museale Initiativen wie 2003 eine Ibanez-Sonderausstellung im Technischen Landesmuseum Schwerin oder die Präsentation des Basses von Klaus Jentzsch (Gruppe „Renft”) im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig. Eine Sammlerszene, wie es sie in der alten Bundesrepublik gab, war in der DDR nicht auszumachen, da die spielbereiten Instrumente selten ungenutzt blieben.

Die Sonderausstellung “STROMgitarren” zur Kulturgeschichte der E-Gitarre ist von 2004-2006 in Mannheim, Berlin und Bern gezeigt worden. Sie war eine Gemeinschaftsproduktion des Landesmuseum für Technik und Arbeit Mannheim und des Deutschen Technikmuseums Berlin. Sören Marotz, Autor des Katalogartikels zum E-Gitarrenbau in der DDR war als Kurator an der Ausstellung mit beteiligt.

"Sören Marotz hat anlässlich des Tanz- und Folkfestes Rudolstadt auch die Ausstellung "E-Gitarren aus dem Vogtland" gemacht, die erstmals einen Querschnitt elektrisch verstärkter Gitarren ostdeutscher Produktion gezeigt hat."

„Kohldampf“ mit Gitarrensoli

Nachkriegsabitur im Musikwinkel unter abenteuerlichen Umständen
Von Helmar Meinel, Köln

Markneukirchener Oberschüler, die in den ersten Nachkriegsjahren ihr Abitur abgelegt haben, müssten auf die Frage, für welches Fach sie damals die meiste Zeit zur Vorbereitung auf das Examen aufwenden mussten, wahrheitsgemäß antworten: fürs Eisenbahnfahren. Die An- und Abreisen zum Unterricht in der „Deutschen Einheitsschule“ (dem heutigen Julius-Mosen-Gymnasium) in der Kreisstadt Oelsnitz waren nach 1945 ein täglich neues Abenteuer. Ähn-liche Zustände heute wären ein Fall für die Menschenrechtskommission und den Kinder-schutzbund – es mußten ja auch erst zehnjährige Schülerinnen und Schüler die Strapazen ertragen.

Und doch hatten die Fahrschüler aus dem Musikwinkel ein besonderes Privileg, das aus der Vertreibung der Langeweile unterwegs duch eine Handvoll besonders musisch begabter Mitschüler bestand. Die spielten trotz klammer Finger unterwegs munter auf ihren mitgeführten Instrumenten auf und verkürzten so die Zeit. Der Star unter ihnen war der später im Westen berühmt gewordene Gitarrenbauer Dieter Hense (Jahrgang 1929), der als Gitarrist der damals im Vogtland gefeierten Kultband „Die weißen Raben“ immer die neuesten Hits bis hin den beliebten, aber in der Sowjetzone eigentlich verbotenen amerikanischen Swingversionen im Programm hatte.

Besonders in dem harten Winter 1946/47 mit Temperaturen bis 15 Grad minus waren die Fahrschüler aus dem Musikwinkel schlimmen Zuständen ausgesetzt. In den klapperigen, oft ungeheizten und unbeleuchteten Zügen drängten sich die Fahrgäste wie die Heringe in der Dose. Verspätungen bis zu vier Stunden waren an der Tagesordnung. Wartezeiten von einer Stunde beim Umsteigen auf dem zugigen Adorfer Bahnhof galten als normal. Blieb der schwer prustende Zug mit der Dampflokomotive in Hundsgrün in einer Schneewehe stecken, wurde er von den umliegenden Bauern, die im langweiligen Winter nur auf ein wenig Abwechslung warteten, freigeschippt.

Aber die Beförderungsmisere wurde von den Pennälern aus dem Musikwinkel ohnehin ideenreich angegangen. Als wir einmal den Lastwagen eines Kohlenhändlers aus Mark-neukirchen in den Nähe der Schule entdeckten, bekamen wir von Oberstudiendirektor Karl Claus für den Rest des Tages schulfrei, um uns auf der Brikettladung nach Hause kutschieren zu lassen. Wir sahen hinterher aus wie die Essenkehrer. Als Anhalter bei einem Zugausfall nahm uns ein russischer Armeelaster mit. Auf der offenen Ladefläche entzückten wir unsere Sowjet-Chauffeure unter dem immer zu einem Jokus aufgelegten Mitschüler Maxi Adler als Dirigenten mit russischen Gesängen wie „Sei gegrüßt, Rote Armee!“, aber auch jugendlich unverfroren mit suspekten alten Liedern aus der Hitlerjugend. Der Towarisch am Steuer sang begeistert mit, und erst als er uns kurz vor Adorf die von ihm und seinem Beifahrer schon halb geleerte Wodkaflasche nach hinten reichte, wurde es uns etwas mulmig. (Max Adler, Familienerbe der Markneukirchener Firma Johannes Adler, machte nach seiner Flucht in den Westen nach Bräuningshof bei Erlangen 1959 in der Musikwelt von sich reden, als ihm das Patent Nr. 1792819 zur Herstellung von zerlegbaren und zargenlosen Gitarren erteilt wurde).

Die Vorbereitungen für die ersten Abiturprüfungen nach der Wiederaufnahme des Schulbetriebs am 1.Oktober 1945 fanden in jeder Beziehung unter Ausnahmebedingungen statt, die heute nur schwer vorstellbar sind. Von ein paar gut genährten Bauernjungen abge-sehen, schoben alle Fahrschüler aus dem Musikwinkel „Kohldampf“. Mittags wurden von zu Hause mitgebrachte „Dittscherle“, aus Mehl oder Kartoffeln und meist ohne Fett ausge-backene handgroße Fladen, auf den Heizkörpern in der Klasse aufgewärmt – falls diese funk-tionierten. Die Markneukirchener Textilhändlerin Gertrud Camphausen konnte sich damals nicht erklären, wieso plötzlich ihre alten Bestände an „Stopfpilzen“ aus einer Wachs- und Stearinmischung, mit deren Hilfe die feinen Damen eigentlich ihre Laufmaschen in den Seidenstrümpfen fixieren sollten, reißend weggingen: damit wurden mangels Butter oder Margarine die Bratpfannen ausgeschmiert. Schon als fürstlich galt bei den Oberschülern die Einnahme einer dünnen, mit Unmengen von Majoran gewürzten „Zoudelsupp“ im Hotel „Stadt Dresden“ in Oelsnitz, die man gegen Abgabe von drei rohen Kartoffeln von einem hochnäsigen Oberkellner serviert bekam.

Die Überlebensstrategien, die das ganze Land erfasst hatten, übertrugen sich auch auf die Abiturienten. Zeitweise glichen die Oberklassen einer Schwarzmarktzentrale. Es wurde getauscht und verscherbelt, was nicht niet- und nagelfest war. Ami-Zigaretten, das Stück zu acht Mark, gegen Butter, Schnaps gegen Zement, Zigarren aus Schöneck gegen Büstenhalter. aus Oelsnitz. Die Markneukirchener lagen im Vorteil, wenn sie Instrumente von der Block-flöte bis zur Mandoline besorgen konnten

Höhepunkt der illegalen Beschaffungsaktivität im Schulwesen war der Tag, an dem in der Lateinstunde unvermittelt ein in einem Kartoffelsack unter der Bank versteckter lebender Hahn mit fröhlichem „Kikeriki“ loskrähte. Wolfgang Schneider aus dem ländlichen Taltitz hatte das Zuchttier für den Klassenkameraden Erich Lang aus Bad Elster zum Tausch gegen einem aus Roßbach „gepaschten“ Anzugstoff eingeschmuggelt. Das „Hallo“ in der Klassse war riesengroß, und unsere hübsche blonde Lehrerin Wera Kohlenz, frisch von der Universität Prag im vogtländischen Schuldienst gelandet, jünger als mancher ihrer Schüler und wegen ihrer kurvenreichen Figur von den Flegeln in der Klasse frech als „Fräulein Lehrkörper“ angesprochen, hatte alle Mühe, zu den alten Lateinern zurückzufinden.

Die außergewöhnlichen Alltagsumstände wirkten sich jedoch erstaunlich wenig auf das Lernpensum und die Intensität des Unterrichts aus. Knifflige mathematische Gleichungen wurden bibbernd im umgefärbten Soldatenmantel mit hochgeschlagenem Kragen und Woll-mütze an der Tafel gelöst. Der betagte und durch die Flucht aus dem Osten total verarmte Professor Hartmann verschlang derweil ungeniert am Pult sein ihm von einem Schüler aus Mühlhausen regelmäßig spendiertes Pausenbrot. Da es keine neuen Bücher gab, versorgte mein Banknachbar Peter-Emil Rupp die halbe Schule mit Literatur aus dem Bestand seines Vaters. (Als der spätere Ehrenbürger der Kreisstadt, der als Automobilmanager in allen fünf Erdteilen gewirkt hatte, im Jahr 2006 starb, vermachte er seine Privatbibliothek mit über 10.000 Bänden seiner alten Schule). Der Lehrstoff wurde erstaunlich zügig bewältigt, denn alle hatten nur ein Ziel: möglichst schnell die im Krieg verlorene Zeit aufzuholen, um mit dem Reifezeignis ins langsam erwachende Leben zu treten.

Dabei hatten wir älteren Prüflinge (der älteste war ein 32jähriger Major a.D. und Träger des „Deutschen Kreuzes“ in Gold) bereits ein Abitur in der Tasche. Das sogenannte „Notabitur“ mit Berechtigung zum Studium war uns Oberschülern der Jahrgänge 1923 bis 1928 im Krieg „nachgeworfen“ worden, wenn wir zur Flak oder zur Wehrmacht eingezogen wurden. Nach dem Krieg stellte sich dieser „Reifevermerk“ als wertloser „Wisch“ heraus, und die Prüfung mußte nachgeholt werden. Es gab sogar Pechvögel, die es auf gleich drei Reifezeugnisse brachten: wer später in den Westen ging, wo das vorher in der Sowjetzone nachgeholte Abitur nur bis zum Stichjahr 1949 anerkannt wurde, mußte sich ein drittes Mal dem Examen unterziehen.

Die Bilanz des einfach, doppelt oder gar dreifach genähten Abiturs in den schweren Nach-kriegsjahren fiel bei den Klassentreffen zum „Goldenen“ und „Diamantenen Abitur“ nach der Wiedervereinigung durchweg positiv aus. Aus allen war „was geworden“. Der Oelsnitzer Abiturjahrgang 1948 stellte gleich fünf Professoren, 16 Doktoren und Ehrendoktoren und einen Nationalpreisträger. Rang eins stand mit einer Nominierung für den Nobelpreis unan-gefochten unserem Klassenkameraden Eberhard Zeitler aus Bad Elster zu, der erst einmal Bäcker gelernt hatte, ehe aus ihm ein angesehener Medizinprofessor und hochkarätiger Wis-senschaftler mit weltweit anerkannten Pionierleistungen zur Herzkatheteruntersuchung wurde. Als ein personifizierter Treppenwitz der Schulgeschichte mußte ausgerechnet er damals fürs heiß begehrte Abitur noch eine „Ehrenrunde“ drehen. Aber vielleicht hatte er ja auch nur den seit Generationen beliebten Übersetzungssatz aus der Unterstufe Latein zu wörtlich genom-men: „Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir.“

Hier gibt es bei Wikipedia mehr Informationen über den Kölner Autor Helmar Meinel!

Russenschnäppchen im Musikwinkel von Helmar Meinel

Für den kräftigen Marsch, der den Deutschen nach dem Krieg von den Siegern geblasen werden sollte, mussten die Verlierer auch noch selber die Pauken und Trompeten stellen, jedenfalls bei den Russen. Als Reparation verlangte die Sowjetunion von 1946 bis 1949 die Lieferung von über 50.000 Musikinstrumenten aus ihrer Besatzungszone, darunter die kompletten Ausstattungen für 500 Blasorchester. Helmar Meinel beobachtete damals die Transporte.

alte Postkarte

Schauplatz der musikalischen Zwangsvollstreckung war der sogenannte Musikwinkel im idyllischen Vogtland mit den Städtchen Markneukirchen und Klingenthal an der tschechischen Grenze im südlichsten Zipfel der Ostzone. Dort, wo seit dem 17.Jahrhundert der Instrumentenbau Namen und Klang hatte und in nahezu jedem Haus von Generation zu Generation weitervererbt wurde, lag das künstlerische Handwerk 1945 völlig am Boden. Vom einstigen Glanz Markneukirchens, der um 1900 im Verhältnis zur Einwohnerzahl reichsten Stadt Deutschlands mit vielen Millionären und einem eigenen US-Konsulat für die regen Exportbeziehungen, war fast nichts geblieben. Vorbei die Zeiten, als aus dem Musikwinkel 80 Prozent aller in der Welt gespielten Orchesterinstrumente kamen.

Meinel & Herold Katalog

Die Meister waren im Krieg gefallen, saßen in Gefangenschaft oder hatten sich schon in den Westen abgesetzt, als sich im Sommer 1945 die Amerikaner vereinbarungsgemäß aus dem Vogtland nach Bayern zurückzogen und die Rote Armee mit Pferd und Panjewagen nachrückte. Die neuen Besatzer mit ihrer kindlichen Freude am Musizieren, aber auch der Wertschätzung der künstlerischen Arbeit der Instrumentenbauer als Teil der “Kultura” kümmerte die desolate Lage des Gewerbes nicht. Die Reparationsorder für Markneukirchen lautete: Ablieferung von jährlich 3000 Gitarren, 2000 Mandolinen, 500 Balalaikas, 500 Domras (das sind dreisaitige russische Zupfinstrumente) und, schier unmöglich, die komplette Ausstattung von 125 Blasorchestern zu je 23 Instrumenten von der Tuba bis zur Piccoloflöte. Aus Klingenthal kamen Tausende Exemplare des beliebtesten russischen Volksinstruments, der Ziehharmonika, hinzu.

Die Russen waren keineswegs auf industrielle Massenware aus, sondern verlangten höchste Qualität. In den meist als Familienunternehmen geführten Werkstätten fehlte es jedoch an allen Ecken und Kanten. Es gab kein Edelholz, kein Buntmetall und kein neues Werkzeug. Die Genossenschaft der Musikstadt musste eigens einen Beschaffer, einen “Materialnik”, einstellen. Die Wahl fiel auf den umsichtigen Heimkehrer Herbert Roth, der dann in der gesamten Ostzone herumgeisterte, um etwas zu ergattern. Wenn er von der vorgesetzten Dienststelle der Sowjetischen Militäradministration Deutschlands (SMAD) in Berlin-Karlshorst oder in Dresden Beistand wollte, stieß er auf ein spezielles System, um sich Bittsteller vom Leibe zu halten. Die Russen hatten sich nämlich nicht nur die Einführung der Weltrevolution in ihrer Zone vorgenommen, sondern auch noch gleich eine weitere Geisel der Menschheit erfunden: die erste “Hotline” der Geschichte. Wie sie funktionierte, schilderte der 2009 verstorbene Zeitzeuge Roth in seinen nachgelassenen privaten Aufzeichnungen:

“An der Hauswand des Gebäudes – wir sprachen damals von der Klagemauer – hingen ein paar Telefonhörer, und damit musste man sich einen Gesprächspartner im Gebäude suchen, was aufgrund der Sprachschwierigkeiten nicht ganz leicht war. Nun lag es in dessen Gunst, vom Einlassdienst einen Passierschein ausfertigen zu lassen. Darauf konnte man bei Wind und Wetter nochmals eine Stunde oder länger warten. Hatte man den Zutritt erreicht, erhielt man bestenfalls einen Bezugschein für eine bestimmte Menge Buntmetall, und das war weiter nichts als ein Stück wertloses Papier.”

Den regelmäßigen Lieferterminen sahen die deutschen Zwangsproduzenten im Vogtland stets mit höchster Anspannung entgegen. Herbert Roth fasste es in einem Satz zusammen: “Die Prüfer konnten sehr gefährlich werden!” Die Russen fuhren mit großen, oft offenen Armeelastwagen mit einem Offizier und vier bis fünf Rotarmisten vor. Die Sichtung der Ware erfolgte in Stichproben und war sehr penibel. Einer der Offiziere, vom Gemüt klassischer russischer Choleriker, pflegte, wie sich Roth noch 50 Jahre später aufregte, beanstandete Instrumente zornentbrannt und fluchend auf den Fußboden zu werfen und mit seinen Stiefeln im Stakkato zu Kleinholz zu zerlegen, auch wenn sie vielleicht nur einen kleinen Lackschaden aufwiesen. “Stalinorgel” war der heimliche Spitzname dieses Wüterichs.

Für den weiten Transport der empfindlichen Instrumente waren die Russen weniger pingelig. Sie verlangten weder die üblichen Etuis noch Kisten, sondern schichteten die Mandolinen oder Gitarren einfach in Papiersäcken akkurat Reihe für Reihe auf die Lastwagen und legten obendrauf lediglich eine Lage Wellpappe. Als Krönung der sowjetischen Verpackungskunst machte es sich für die Fahrt dann manchmal noch ein robuster Rotarmist auf den Instrumenten gemütlich – nicht ohne die geschröpften Deutschen mit einem zu Herzen gehenden Abschiedslied des Genres “Kalinka, Kalinka…” und manchmal sogar einem Salutschuss aus seiner Kalaschnikow zu verwöhnen. “Mandolinenbomber” nannten wir damaligen Oberschüler diese Gefahrentransporte, auf denen uns die Russen schon mal großmütig als „Fahrschüler“ mit in die Kreisstadt nahmen.

Höhepunkt der Übergabezeremonie war immer die “Weihnachtsbescherung”. Der Kommandoführer, schilderte Roth die bewegende Zeremonie, öffnete eine streng bewachte dicke Ledertasche und kippte den Inhalt auf den Tisch: 50.000 bis 60.000 mehr oder weniger wertlose alte Reichsmark und später Ostmark gab es als Almosen für die Instrumentenbauer – damit es nicht ganz so nach sozialistischer Ausbeutung aussah. Die gelieferten Instrumente waren in der Regel das Zehnfache, auf dem schwarzen Markt noch viel mehr wert.

Die letzte Lieferung der Schnäppchen aus dem Musikwinkel ging 1949 in die Sowjetunion. Nach der Gründung der DDR im Oktober dieses Jahres verzichtete Moskau auf die Reparationen. Mehr als ein halbes Jahrhundert später, im Jahr 2001, schloß sich für mich als Urlauber und ehemaliger Zeitzeuge der musikalischen Kriegsbeute aus dem Vogtland zufällig der Kreis. Als das Kulturensemble der russischen Schwarzmeerflotte auf dem in Sewastopol ankernden deutschen Kreuzfahrtschiff MS “Europa” für gute Devisen vom ehemaligen Klassenfeind ein glanzvolles, umjubeltes Konzert gab, konnte ich in der Pause an einigen der abgestellten und gut gepflegten Instrumente eindeutig Markneukirchener Brand- oder Prägestempel und sogar Meisterzettel entdecken.

Hier gibt es bei Wikipedia mehr Informationen über den Kölner Autor Helmar Meinel!

Hier gibt es bei Wikipedia mehr Informationen über den Kölner Autor Helmar Meinel!

Heinz Seifert

Ein Artikel von Stefan Lob

Quelle: Melodie& Rhythmus,
Nov 1966, Eddy Busch

Vorwort

Dieser Artikel über Heinz Seifert war mir ein ganz besonderes Anliegen, da er für mich einer der besten deutschen Gitarrenbauer war. Nach einer kurzen Biografie, einer Identifizierungshilfe und Modellerklärung, folgt ein Teil für Seifert-Fans. Ihr habt Euch auch eine Gitarre von Ihm bauen lassen? Dann schreibt mir doch einen kleinen Bericht darüber der dann in diesem Bereich veröffentlicht wird. Neben dem Artikel gibt es ein Werkverzeichnis (Galerie) indem Gitarren und Bässe, sortiert nach Ihrer Bauweise, genauer vorgestellt werden. Da ich möglichst viele Seifert Gitarren zeigen möchte bitte ich Euch um Mithilfe. Wenn Ihr Instrumente besitzt, die bereits im gleichen Stil gezeigt werden, bitte ich trotzdem um die Bilder. Dadurch kann ich Rückschlüsse auf Stückzahlen und Entwicklungsprozesse ziehen. Auch wenn Ihr nicht ganz sicher seid, ob Eure Gitarre eine Seifert ist, sendet mir einfach Fotos.

Ich schaue sie mir gerne an und teile Euch meine Meinung mit. Der ganze Seifert Artikel soll dynamisch Aufgebaut werden und lebt von Eurer regen Teilnahme.

Kurze Biografie

Seifert wurde am 15.04.1923 in Erlbach geboren. Sein Vater war Kurt Seifert. Kurt wurde am 16.09.1894, ebenfalls in Erlbach, geboren und war gelernter Geigenmacher und ein Spezialist für Celli. Er lernte bei Roland Stark und machte sich 1923, in der Lindenhöhe 10b in Erlbach, selbständig. 1925 legte er die Meisterprüfung ab. Nach dem Krieg fing er an Schlaggitarren zu bauen. Dieses hatte er mit vielen anderen Geigenmachern gemeinsam denn das Geschäft mit Gitarren florierte und nur wenig Kunden fragten nach Geigen oder Celli. Sein Sohn Heinz kam 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft und erlernte von 1949-1952 den Geigenbau und Gitarrenbau bei seinem Vater. 1952 legte er ebenfalls die Meisterprüfung ab und machte sich selbstständig. Vom ehemaligen Angestellten Eberhard Pfaff, der von 1957-1958 für Seifert arbeitete, habe ich erfahren, dass Vater und Sohn gemeinsam in der Werkstatt in der Klingenthaler Straße 25 arbeiteten. Wann genau der Umzug in diese Fabrikationsstätte war kann ich leider nicht sagen, aber es dürfte in den 50er Jahren gewesen sein. Pfaff erzählte mir, dass Heinz Seifert ein außerordentlich freundlicher, hilfsbereiter und sensibler Mann war, der mit seinen Angestellten ein kameradschaftliches Verhältnis pflegte. 1955 wurde er, ebenso wie sein Vater Kurt, Mitglied in der MIGMA, über die er einen Teil seiner Instrumente vertrieb. Bis 1990 war er dort Mitglied.

Von ehemaligen Kunden habe ich verschiedene Aussagen wie viele Angestellte bei ihm gearbeitet haben. Ich habe Zahlen zwischen1, 4 und 6 Angestellten. Das war in den 60er und 70er Jahren. Später arbeitete er wieder ganz alleine und nur noch im Kundenauftrag. Im Jahr 2002 verstarb Heinz Seifert. Er hat bis zu seinem Tode Instrumente gebaut. Dieses belegt der Bericht über die letzte unvollendete Seifert Schlaggitarre.

Zu den Gitarren und Bässen

Für Laien ist es nicht immer einfach eine Heinz Seifert Gitarre zu erkennen. Hier ein paar Bestimmungshilfen:

Viele der Seifert Gitarren wurden mit einem Stempel versehen

Ein weiteres eindeutiges Merkmal ist die Aufschrift „Favorit“ oder „FAVORIT-ELEKTRIC“

Hat man eine Gitarre mit der Aufschrift „Favorit“ kann man ziemlich sicher sein, eine Seifert in der Hand zu halten. Favorit war keine Modellbezeichnung sondern eine „Hausmarke“ die Seifert auf den unterschiedlichsten Gitarren und Bass Modellen verwendete. Bei den akustischen Modellen auf dem Saitenhalter oder dem Schlagbrett, bei den massiven E-Gitarren oft auf der Kopfplatte (Vorder-und Rückseite).

Es sind auch Gitarren aufgetaucht die einen Favorit-Schriftzug tragen aber eindeutig nicht von Heinz Seifert stammen. Es gab wohl Hersteller im Westen die auch diesen Namen verwendet haben. Diese Gitarren sind aber äußerst selten. In 99% aller Fälle ist es eine Heinz Seifert Gitarre!

Form des Halsfußes

Um Heinz Seifert Gitarren zu bestimmen, die nicht gestempelt sind oder die Favorit Aufschrift tragen, ist (für mich) das wichtigste Erkennungsmerkmal die Ausformung des Halsfußes.

Im Laufe der Jahre gibt es Variationen, aber er weicht nur selten von seiner klassischen Halbmondform ab.

Typische Halsfüße der frühen Schlaggitarren

Typische Halsfüße der Halbakustik-Schlaggitarren und Bässe

Typische Halsfüße der tropfenförmigen Gitarren und Bässe

Typische Halsfüße der massiven Elektro-Gitarren und Bässe mit Stempel

Ab den 80er/90er Jahren gab es bei den Schlaggitarren eine Änderung der typischen Halsfußform.
Der gestempelte Halsfuß (rechts) zeigt ein seltene, große Halsfuß Form einer Schlaggitarre, die sehr wahrscheinlich in den frühen 90er Jahren hergestellt worden ist. Die Halsfüße links und Mitte stammen von 1998er Modellen. Sie sind nicht mehr ganz so groß, aber deutlich größer als seine frühen Formen.

Griffbrett Einlagen

Frühe Griffbretteinlagen

Im Gegensatz zu seinem Vater Kurt, der seine Griffbretter mit Balkeneinlagen versah, arbeitete Heinz mit Dreieckseinlagen und Punkteinlagen.

Seine Dreieckeinlagen gab es in unterschiedlichen Ausführungen. Das Bild unten zeigt Griffbretter mit Dreieckseinlagen + drei Längsstreifeneinlagen, Dreieckseinlagen + schräger Längsstreifeneinlage, einfache Dreieckseinlagen. Die ersten beiden Typen sind ein Seifert Design aber die einfachen Dreieckseinlagen wurden auch von anderen Gitarrenbauern wie zum Beispiel Herbert Todt verwendet. Es gab auch über Migma vertriebene Halbresonanz-Schlaggitarren die sicherlich nicht von Seifert gebaut wurden, aber trotzdem diese einfachen Dreieckseinlagen besitzen.

60er Jahre Griffbretteinlagen

In den 60er Jahren kamen zwei weitere Typen von Griffbretteinlagen hinzu. Ganz typisch für seine Halbresonanz-Schlaggitarren waren die Punkteinlagen + schräge Längseinlage auf der Bassseite des Griffbretts, wobei er zwei Punkte auf dem 5. Bund und drei Punkte auf dem 12. Bund verwendete.

Die Einlagen unten nenne ich die „Würfelpunkt-Einlagen“, da er die typische Punktanordnung von Spielwürfeln verwendet. Diese „Würfelpunkt-Einlagen“ findet man allerdings auf vielen anderen Gitarren aus dem Vogtland. Seifert verwendetet diese meist bei seinen massiven Elektro-Gitarren und den tropfenförmigen Instrumenten.

Späte Griffbretteinlagen

Bei den modernen massiven Elektro-Gitarren der 90er Jahre verwendete er weiterhin die „Würfelpunkt-Einlagen“. Die modernen Schlaggitarren wurden wieder mit den typischen Dreieckseinlagen versehen. Manche Einlagen wurden jetzt aus Perlmutt gearbeitet. Den 12. und 24. Bund markierte er mit größeren Dreiecken.

Bis auf ein paar Sondermodelle blieb er seinem Stil treu. Diese Modelle zeige ich später in der Modellbeschreibung.

Seifert wurde unter den ostdeutschen Musikern bekannt für seine hochwertigen Instrumente. Besonders seine Hälse haben einen exzellenten Ruf. Da man die frühen Gitarren im Osten noch ohne einen Stahlstab oder eine Stahleinlage baute, war es die Regel, dass die Hälse, um einem Verziehen oder einer Krümmung vorzubeugen, sehr stark gearbeitet wurden. Seifert brachte es aber fertig schmale und gut spielbare Hälse zu bauen die, trotz hohem Saitenzug, über viele Jahre, (zum Teil bis heute) gerade blieben.

Kopfplatten

Kopfplatten von Schlaggitarren

Besonders auffällig sind diese asymmetrischen Kopfplatten mit einem lackierten , stilisierten „H“ für Heinz. Diese sind besonders oft bei den alten Modellen zu finden, aber es gibt auch neuere Modelle mit solchen Kopfplatten. Das Bild ganz rechts zeigt ein spätes Instrument aus den 70er/80er Jahren

Kopfplatten mit eingelegten, konstruktiven Strichen

Anfang des 20. Jahrhunderts gab es eine Kunstrichtung die sich Kostruktivismus nannte und mit klaren geometrischen Formen und abgegrenzten Farbfeldern arbeitete. Diese Kunstform spiegelt sich in vielen Alltagsgegenständender 50er Jahre wieder. Die zarten Stricheinlagen auf der Kopfplatte spiegeln den Stil dieser Zeit wider. Mit etwas Fantasie kann man ein abstraktes „H“ in der Verzierung erkennen.

Sammlung weiterer, typischer Kopfplatten von frühen Schlaggitarren

Von rechts nach links:

  • 1. Kopfplatte ohne Auflage. Durch die transparente Lackierung sieht man den mehrschichtig, aus verschieden farbigen Hölzern, verleimten Hals.
  • 2. Seltene Kopfplatte mit einer braunen, marmorierten Perloidauflage.
  • 3. Einfache Kopfplatte mit einem Holzfurnier.
  • 4. Dieses Kopfplattendesign, mit schwarzer Grundplatte und weißer Auflage, verwendet er meist für Gitarren die über andere Händler vertrieben wurden und die ein Logo in der Kopfplatte wünschten. Hier die Aufschrift „Verdi“ (leider kann ich keinen Händler zuordnen)
  • 5. Hier mit der Aufschrift „Triumph“ der ich auch keinen Händler zuordnen kann
  • 6. Diese Kopfplatte trägt die Aufschrift „OEBRA“ für Richard Oertel in Bad Brambach

Den Typ 4-6 gab es auch mit weißer Grundplatte und schwarzer Auflage für Schlaggitarren die er über die Migma verkaufte.

Kopfplatten der Halbresonanz Schlaggitarren und Bässen aus den 60er/70er Jahre
Bei diesen Modellen findet man, zum ersten Mal, die schlanke, längliche, asymmetrischer Form mit einreihiger Mechanikanordnung. Es gab auch Modelle mit symmetrischen 3L, 3R Kopfplatten.

Kopfplatten der Modelle in Tropfenform

Kopfplatten der Modelle im Jaguar Stil

Kopfplatten der Modelle im „Les Paul“ und „SG“ Stil
Die Kopfplatte rechts stammt von einer massiven E-Gitarre von 1985 mit Floyd Rose System

Kopfplatten der späten Schlaggitarren
Die Kopfplatte rechts ist keine typische Seifert Kopfplatte sondern eine Anfertigung auf Kundenwunsch

Verzierungen

Dreiecks Verzierung

Seine Vorliebe, Verzierungen im Dreiecksmuster anzufertigen, wurde schon bei den Griffbrettern erläuter. Es gab Modelle die er, rund um den Decken- und Bodenrand, mit kleinen und großen Dreiecken verzierte.

Zargen Verzierung

Einige seiner Schlaggitarren und Tropfenformmodelle haben einen oder zwei schwarz lackierte Streifen als auffällige Verzierung. Es gab auch Modelle mit Zierstreifen aus Celluloid.

Bei seinen späten Modellen, Ende der 90er Jahre, gab es weiterhin Modelle mit solch auffälligen Zargen.

Saitenhalter, Mechaniken, Elektronik und Schlagbretter 

Zu DDR Zeiten verarbeitete er auf seinen Gitarren die traditionellen, vogtländischen Zubehörteile. Verschiedene Standard Saitenhalter (auch mit Tremolo). Manche wurden mit einer Ziergravierung und dem „Favorit“ Schriftzug versehen. Die Elektronik kam bei den frühen Modellen von Willi Goller. Diese Gitarren hatten einen Rellog Gitona ins Griffbrett eingebaut. Später verwendete er SIMETO Tonabnehmer und Mischpulte. Er hatte unterschiedliche Formen der Schlagbretter aber seine Hauptform war dieses wellenförmige schwarze Schlagbrett. Wer mehr Schlagbrettformen sehen möchte schaut sich am besten das Werkverzeichnis an.

Wie mir des öfteren von ehemaligen Seifert Kunden berichtet wurde, konnte man selbst Gitarrenzubehör mitbringen (auch aus dem Westen) welches er dann einbaute.

Nach der Wende bezog er seine Mechaniken und Saitenhalter meisten von Schaller. Auf seine späten Schlaggitarrenmodelle baute er gerne Atilla Zoller floating Tonabnehmer von Shadow.

Bei vielen Vogtland-Gitarren mit Elektronik sieht man (wenn das Schlagbrett fehlt) dieses merkwürdig geformte untere Schallloch, mit einer großen Öffnung. Der Grund ist ganz einfach; es ist eine Einbau- und Reparaturöffnung um einfacher an die Elektronik zu gelangen. Da man diese Öffnung unter dem Schlagbrett nicht sehen kann war es eine ganz praktische Idee. Leider haben viele dieser Gitarren kein Schlagbrett mehr und so sieht es doch etwas seltsam aus.

Warum gibt es so viele Seifert Gitarren, denen das Schlagbrett fehlt?

Die ersten Thermoplaste (Plastomere) wurden aus Holz Cellulose gewonnen. Später verdrängten Kunstoffe die aus Öl gewonnen wurden die Kunststoffe aus Cellulose.

Der älteste Thermoplast ist Celluloid (Zelluloid), das als Nebenprodukt bei der Gewinnung von Dynamit anfällt. Durch diesen Kunststoff war man in der Lage, durch Einfärbung, hochwertige Luxusnaturstoffe wie Elfenbein, Perlmutter, Schildpatt, Ebenholz oder andere Hornsubstanzen nachzubilden. Ein weiterer Thermoplast mit ähnlichen Eigenschaften ist das Celluloseacetat (Acetylcellulose) welches in einer Reaktion mit Essigsäure gewonnen wird.

Dieses Celluloseacetat hat Seifert und viele andere Gitarrenbauer aus der DDR für seine Schlagbretter verwendet. Eigentlich ist das Material sehr langlebig. Es hat aber Feinde; Wärme und UV Strahlung verspröden den Weichmacher. In der Folge wird der Kunststoff brüchig und zerbröselt. Die Bilder zeigen eindrucksvoll diesen Zerfallsprozess.

Mit Informationen von Paco Jimenez Permuy und Herbert Rittinger

Gitarren und Bass Modelle

Um die Identifizierung zu erleichtern, zeige ich, in chronologischer Abfolge, typische Seifert Gitarren und Bässe, die er von den 50er Jahren bis zum Jahr 2001 gebaut hat. Es werden viele Instrumente und Bilder gezeigt, die man sich im Werkverzeichnis (Galerie) noch genauer, aus verschiedenen Perspektiven, anschauen kann.

Um wirklich eine umfassende Modellbeschreibung zu erstellen, fange ich erst einmal mit den Gitarren seines Vaters an.

Gitarrenmodelle von Kurt Seifert

Kurt Seiferts alte 50er Jahre Modelle hatten sehr ausgefallene, symmetrisch geformte Kopfplatten mit V-förmigen schwarz-weiß Auflagen. Es waren Modelle mit 3 Schalllöcher; einem runden und zwei langen, schmalen f-Löcher und einem extravaganten Schlagbrett mit schwarz-weißem, V-förmigen Design. Im Griffbrett verwendet er Balkeneinlagen wie auch bei seinen späten Modellen die er unter anderem über die Migma vertrieb. Diese Migma Modelle hatten Schalllöcher in Sichelform und eine asymmetrische Kopfplattenform.

Die Gitarre in der Mitte ist nicht nur sehr rar sondern hat eine interessante Geschichte. Sie wurde von Kurt Seifert 1952 gebaut und von Heinz Seifert 1998 restauriert und umgebaut. Wie es zu diesem ungewöhnlichen Umbau mit einem Saitenhalter im D´Aquisto Stil kam, berichte ich im unteren Teil der Modellbeschreibung.

Modelle von Heinz Seifert

Die frühen Schlaggitarren

Die nachfolgenden Bilder zeigen drei typische Schlaggitarren mit der „H“ Einlage in der Kopfplatte. Die Modelle in der Mitte und rechts sind die ältesten, da sie noch einen Rellog Tonabnehmer im Schlagbrett eingebaut haben. Die rot-schattierte Gitarre rechts wurde Anfang der 60er Jahre umgebaut und bekam SIMETO Tonabnehmer und ein Metallmischpult. Das sind sehr seltene SIMETO Tonabnehmer die es nur kurze Zeit gab. Es sind die Vorgänger der bekannten und in großen Stückzahlen gebauten SIMETO Modelle, in denen sich die Einstellschrauben in der Mitte befinden. (hier kommt noch ein Bild)

Die abgebildeten Modelle zeigen auch die unterschiedlichen Typen von Dreieckseinlagen. Das Schlagbrett der mittleren Gitarre zeigt die frühe Schlagbrettform. Diese wurden noch aus einem haltbaren Kunststoff hergestellt der sich nicht zersetzt.

Hier drei weitere frühe Schlaggitarrenmodelle. Auf den ersten Blick fällt auf, dass er immer die gleichen Schalllöcher in Tropfenform verwendet wurden, deren spitzes Ende geschwungen in Richtung Deckenrand verlaufen.

Diese Schalllöcher sind ein eindeutiges Merkmal für Seifert Gitarren. Die Korpusform lehnt sich, wie viele andere, an die traditionelle Gibson L5 Form an aber der Ausschnitt ist flacher ausgeformt und die Zargenhöhe ist geringer. Bei seinen Halbakustik- und Tropfenform-Gitarren verwendet er andere Schalllochformen, bei den vollen Schlaggitarren hingegen ändert er diese Tropfenform erst bei seinen späten Modellen. Bild 1 zeigt noch die alte Schlagbrettform in Bild 2 sieht man die neue, geschwungene Form. Die Gitarre aus Bild 2 kann man anhand der weißen Simeto Tonabnehmer auf die ganz frühen 60er Jahre datieren.

Frühe Schlaggitarren mit Kopfplattenaufschrift

  • „OEBRA“ für Richard Oertel in Bad Brambach.
  • „Verdi“ und „Triumph“ sind mir leider nicht Bekannt. Es könnten Handelsnamen sein.

Hier eine Schlaggitarre die Seifert über die Migma verkaufte

Halbresonanz Schlaggitarren

In der Beat Ära begann er mit außergewöhnlichen Formen zu arbeiten. Ein sehr ansprechendes und oft verkauftes Modell ist diese Halbresonanz Gitarre (auch als Bass) mit einer markanten, starken Asymmetrie der Korpusform; eine moderne aber doch sehr elegante Linienführung. Bei diesen Modellen verwendete er zum ersten Mal längliche asymmetrische Kopfplatten mit Mechaniken in einer Reihe. Es gab aber auch Modelle mit symmetrischen Kopfplatten. Weitere Neuerungen sind die Punkteinlagen im Griffbrett und gänzlich neue Schalllochformen.

Auf den Gitarren ist der weitverbreitetste SIMETO Tonabnehmer verbaut den es in der DDR gab. Er wurde in hohen Stückzahlen von 1964-1973 produziert. 1964 wurden von diesem Typ rund 4000 Stück hergestellt.

Tropfenform im Stil einer „VOX Teardrop“

Ein weitere Variante aus der Beat-Ära sind Gitarren & Bässe in Tropfenform. Um den goldenen Schnitt zu wahren bekamen diese Modell wieder symmetrische Kopfplatten, passend zur Form des Korpus. Mir gefallen besonders die Schalllöcher die in sichelförmig beginnen und als f-Loch enden. Diese Gitarren sind der Beginn einer neuen Seifert Ära. Hier verwendet er den Stil einer anderen Gitarre. Die erste Gitarre in Tropfenform stammt von dem englischen Hersteller VOX. Bekannt gemacht hat diese Gitarre Brian Jones und Bill Wymann, Gitarrist und Bassist der Rolling Stones. Für Bill Wymann gab es sogar ein Signatur Modell.

Die ersten VOX-Modelle wurden 1964 gebaut. Seifert hat bei seinen Modellen die Korpusform und die Anordnung der Tonabnehmer von VOX übernommen, zusätzlich aber eigene Stilelemente einfließen lassen.. Er verwendete gerne die Griffbrett-Punkteinlagen in Würfelmuster und im Gegensatz zum Original hatten seine Instrumente auch ein unteres Schalloch. Mir gefällt seine symmetrische Kopfplatte weitaus besser als die asymmetrische Kopfplatte des Originals aber das ist Geschmackssache.

Massive Elektro Gitarren

Seifert war bereits ein bekannter Gitarrenbauer, aber den exzellenten Ruf den er heute noch unter den Musikern der 70 und 80er Jahre besitzt, basiert auf seinen massiven Elektro Gitarren. Viele DDR Musiker suchten nach den richtigen Instrumenten um moderne Musik zu machen. Es war aber sehr schwer (wenn nicht unmöglich) an eine echte Fender oder Gibson zu kommen. Heinz Seifert half diesen Musikern weiter. Er baute Ihnen Kopien der berühmten amerikanischen Vorbilder in einer hervorragenden Qualität. Hätte er damals schon die Möglichkeit gehabt die originalen hochwertigen Tonabnehmer einzubauen, würden diese Gitarren einem Vergleich mit einem „von Hand gebauten Customshop-Modell“ ohne weiteres standhalten. Später rüstete er seine Instrumente öfters mit neuer Elektronik und modernen Tonabnehmern aus.

Quelle: pirun.ku.ac.th

Drei Typen die er immer wieder baute waren Gitarren und Bässe im Stil einer „Fender Jaguar“, einer „Gibson Les Paul“ und einer „Gibson SG“. Neben den Gitarren & Bässen nach amerikanischem Vorbild, baute er weiterhin Instrumente mit eigenem Design.


Massive E-Gitarren im Stil einer „Fender Jaguar“

Auffällig ist das Instrument ganz rechts. Im Gegensatz zu allen anderen Modellen hat es Blockeinlagen im Griffbrett. Entweder hat er das auf Kundenwunsch gemacht oder sein Vater Kurt hat dieses Griffbrett angefertigt. Die eckigen silbernen Tonabnehmer sind Simeto Modelle aus den 60er Jahren. Die Kopfplattenform ist leicht verändert gegenüber dem Vorbild.

 

Massive E-Gitarren im Stil einer „Gibson Les Paul“
Im Gegensatz zur Jaguar trägt diese Gitarre zwar Grundzüge einer “Les Paul” aber er hat die Korpusform so stark verändert dass ich nur noch wenig Parallelen zum Original sehe und hier lieber von einer eigenständigen Heinz Seifert Form sprechen möchte. Ich weiß jedoch, dass alle Besitzer solcher Gitarren von „Les Paul“ Modellen sprechen und Heinz Seifert auch diese Bezeichnung verwendete (nach Aussage eines Kunden). Die Gitarre rechts ist ein älteres Modell. Die Elektronik wurde hier in die große Kunststoffabdeckung eingebaut welche ein ähnliches Design wie auf der Jaguar hat. Die Gitarre links ist moderner und hat schon seine neue Kopfplattenform mit dem „Heinz Seifert“ Stempel.
Die Elektronik wurde jetzt, wie bei einer original „Les Paul“ eingebaut. Das Bass Modell hat eine etwas veränderte Form. Der obere Bereich des kleinen Bugs wurde noch einmal schwungvoll nach außen geleitet.

Massive E-Gitarren im Stil einer „Gibson SG“

Der Traum eines jeden DDR Rockers; ne coole SG!

Mit dieser Gitarre hat Seifer sicher viele Musiker glücklich gemacht. Im Gegensatz zum Original hat er die Wappenform nicht exakt beibehalten und den beiden Ausschnitten eine leichte Asymmetrie gegeben.

In den 90ern hat er auch mal eine Flying-V im Auftrag eines Kunden gebaut. Ein andere Kunde (Klaus Bellmann) erinnerte sich an einen nette Anekdote:

Heinz war damals gerade dabei eine Gitarre für einen Berliner Musiker zu bauen. Er war vermutlich nicht so glücklich, da es eine Kopie einer Flying-V werden sollte. Der Auftraggeber spielte damals sicher schon Heavy-Metal. Da die 2 V-Spitzen noch ungleich lang werden sollten, sagte Heinz im Thüringer Dialekt: ” Ist das denn eine Gitarre?” schüttelte mit dem Kopf und fügte hinzu ” Die bleibt ja nicht mal stehen!”.

Späte SG von 1994

  • Der Korpus wurde, auf Kundenwunsch, aus Mahagoni gebaut.
  • Gesperrt wurde er mit Pappelholz und Esche.
  • Auffällig ist der mittlere, einspulige Tonabnehmer!
Sondermodelle

Hier zwei ganz besonders ausgefallene Modelle. Bild 1 zeigt ein normales Tropfenmodell mit einer ganz besonderen Kopfplatte. Geformt wie ein Blatt mit einer Biegung in der Spitze. Die Schalllöcher wurden auch verändert und nähern sich in der Ausformung stark dem VOX Original.

Diese Gitarre hat ebenfalls eine blattförmige Kopfplatte. Eine sehr außergewöhnliche Korpusform welche ein wenig an eine Wappenform erinnert. Ausgefallene Elektronik mit diversen Schaltungsmöglichkeiten.

Die Griffbretteinlagen kenne ich nur von diesem Modell. Ungewöhnliche Schalllöcher in einer „S“ Form.

Spezielle Kundenaufträge

Heinz Seifert und Jürgen Matkowitz von “PRINZIP”


“Prinzip” – Quelle: http//www.ostmusik.de

Prinzip war eine bekannte Rockband aus Ostberlin (1973-1990). Bandchef und Gitarrist Jürgen “Matko” Matkowitz war ein Kunde von Heinz Seifert.

Seifert machte für Ihn einige Reparaturen (vor allem Fender Stratocaster) und Umbauten, wie der Einbau eines Kahler Vibrato die Umrüstung einer Casio-Midi-Gitarre mit einem DiMarzio Pick. Angefertigt wurde für Ihn eine Konzertgitarre und das außergewöhnliche Sondermodell (auf den Bildern unten) in Stratocaster Form. Diese Form habe ich noch nie bei Seifert gesehen und war ein Kundenwunsch von “Matko”. Die Gitarre wurde 1983-1984 gefertigt und mit Kahler Vibrato, Schaller Mechaniken, X2N Power plus Humbucker und einem Lautstärkeregler ausgestattet.

Metallsattel
Auffällig ist der Messingsattel. Dies war ein spezieller Kundenwunsch, denn ein Messingsattel verleiht der Gitarre mehr Sustain. Sie klingt auch mit Leersaite noch so, wie über einen Bund gespielt und er ist wesentlich haltbarer als ein Kunststoff-Sattel. Später hat Seifert diesen Messingsattel bei einigen seiner Rock E-Gitarren weiterverwendet.

Die Möven
Matthias Kunath von der Band “Regent” erzählte mir zum ersten mal von dieser außergewöhnlichen Gitarre. Er war auch ein begeisterter Seifert Kunde und hat seine Gitarren bei Ihm richten lassen.

Eines Tages sah er sie; die Gitarre mit den vier Möven. Seifert erzählte Ihm das diese Gitarre eine Spezialanfertigung für Jürgen Matkowitz sei. Später sah der “Prinzip” Fan die Gitarre im DDR Fernsehen. Es war die Übertragung eines “Rock für den Frieden” Konzertes aus dem Republik Palast. Bei Rockfans war das eine berühmte Konzertreihe von 1982 bis 1987. Neben “Prinzip” traten dort Bands wie die Puhdys, Karat und City auf.

Jürgen Matkowitz spielte diese Seifert Gitarre (über 2 x Marshall JCM800 ) fast bei jedem Konzert. In den 80er Jahren waren das jährlich mindestens 140 Auftritte. Heute noch schwärmt er von dieser Seifert. Ein bühnentaugliches, extrem gut verarbeitetes Arbeitsinstrument mit handgemalten Möven von Seifert.

Ein echtes, rares Unikat mit einer tollen Geschichte!

Korpusform einer Brian May “Red Special”

Diese Gitarre (unten) wurde im Kundenauftrag gebaut. Klaus Bellmann aus dem Erzgebirge (Trio De Zupfr) wollte gerne eine Gitarre wie die “Red Special” vom Queen Gitarristen Bryan May. Die orginal “Red Special” wurde von Mays Vater gebaut und später gab es zahlreiche Kopien. Die großen Herstellert Guild und Burns hatten diese Kopien im Programm.

Hier ein paar Zeilen von Klaus:

Das waren meine Vorstellungen und Heinz hat sie so gebaut wie ich das damals wollte!

Die Form war meine Vorgabe. Es sollte die Form der Gitarre von Bryan May werden, das ist mir aber nicht ganz gelungen. Heinz hatte mehrere Schablonen von Gitarrenkörpern. Eine, die der Form sehr nahe kam, hat er verwendent und ein bisschen abgeändert.
Bestellt habe ich sie 1983 und gekauft 1 Jahr später, im Juli 1984. Die Hälse die er gefertigt hat waren einzigartig und konnten mit jeder Fender mithalten. Ich kenne noch 2 Musiker in meiner näheren Umgebung die immernoch auf der guten alten Seifert spielen und diese vielen anderen Herstellern vorziehen.

Was mir an dieser Gitarre sofort auffiehl war der Metallsattel und das er nicht seine klassischen “Würfelbrett-Muster” ins Griffbrett einlegte sondern sich sehr an dem Original mit 1, 2 oder 3 Punkten in Längsanordnung ausrichtete. Er korrigierte allerdings die merkwürdige Doppeleinlage am 7. und 19. Bund und setzte sie, wie es sein sollte, auf den 5. und 17. Bund. Die Dreifacheinlage am 24. Bund ließ er weg, was ich optisch ansprechender finde.

Späteres Modell im “Red Special”- Stil

Ein paar Jahre später, baute er nochmal eine Gitarre in ähnlicher Form. Diese hatte jedoch abgerundete Zargen, einen mehrfach gesperrten Korpus und die Griffbretteinlagen waren wieder im typischen “Würfelmuster”. Auf besonderen Wunsch, baute er ein Floyd Rose Tremolo System ein.

Die späten Modelle

Wann genau Seifert seinen Stil änderte kann ich nicht sagen. Ich denke es hat mit der Wende 1989 zu tun. Das wäre eine logische Erklärung, da er ab diesem Zeitpunkt problemlos an die neuen Zubehörteile kam die er ab diesem Zeitpunkt verwendete.

Was änderte sich?

Die alten traditionelle Seifert Schallochform wurde durch eine noch ältere traditionelle f-Löcher ersetzt. Ich habe die Vermutung, er erinnerte sich an die frühen 50er Jahre und die f-Lochformen seines Vaters. Langgezogene, schmale Schlitze mit Endbäuchen die sich fast schließen. In den 90er Jahren gab es eine Renaissance im Jazzgitarrenbau und handgemachte, handwerklich hochwertige Gitarren fanden wieder Käufer. Diese wollten aber meist sehr traditionelle Instrumente oder extrem ausgefallene Gitarren. Seifert schaffte es, trotz der vorgenommenen Änderungen, den Wiedererkennungswert seiner Instrumente nicht zu verlieren und dennoch zeitlose schöne Gitarren zu bauen.

Er veränderte noch einmal seine Halsfußform und über eine paar Experimente kam er zu einer klassischen massiveren Form. Als Tonabnehmer verwendete er gerne Atilla Zoller Modelle von Shadow und Zubehör von Schaller.

Hier ein neues Modell. Der Halsfuß stammt aus der Entwicklungsphase zu den endgültigen Formen der späten 90er Jahre. Diese Gitarre war höchstwahrscheinlich eine der ersten Gitarren die er nach der Wende 1989 baute. Im Originalzustand war ein Schaller Saitenhalter auf der Gitarre. Der neue Saitenhalter ist eine Spezialanfertigung nach Entwurf eines anderen Jazzgitarrenbauers. Gotoh-Mechaniken und Shadow Atilla Zoller floating Tonabnehmer sprechen dafür, dass diese Gitarre nach der Wende gebaut wurde. Früher wäre er wohl kaum an das westdeutsche Zubehör gekommen. Der Hals ist aus Riegelahorn mit Sperreinlagen. Decke aus massiver Fichte und Boden und Zargen aus massivem Riegelahorn.

Auf diesem interessanten Bild aus Seiferts Werkstatt sieht man zwei weitere Schlaggitarren aus dem Jahr 1998. Hier kann man deutlich erkennen, dass trotz der Veränderungen der typische Seifert Stil immer noch vorhanden ist. Auf der rechten Schlaggitarre ist die typische, gestreifte Zarge zu erkennen. Äußerst interessant sind die massiven elektrischen Gitarren (SG-Stil) und Bässe. Die Bässe sind ebenfalls äußerst edle Instrumente im Precision Stil. Mir gefällt ganz besonders die rot-schwarze Verlaufslackierung der elektrischen-Instrumente. Auch hier wieder Seifert Stilelemente; die „Würfelpunkt-Einlagen“ im Griffbrett!

Heinz Seifert & Jimmy D´Aquisto

Die Überschrift klingt im ersten Moment etwas befremdlich aber wie es der Zufall will habe ich einen ehemaligen Kunden und Freund von Heinz Seifert kennengelernt der gerade 1998 in seiner Werkstatt war als er im Kundenauftrag ein 1:1 Kopie einer Jimmy D’Aquisto Solo DQ-Solo-N baute.

Hier ein paar Zeilen von Andreas Haake zu dieser außergewöhnlichen Arbeit:

Zur Geschichte meiner zweiten Seifert Jazzgitarre
Von Andreas Haake

Meine Jazzgitarre wurde 1998 in einer Serie von drei Gitarren gebaut. Heinz meinte damals, er baut jetzt noch drei Jazzgitarren, eine für einen besonderen Kunden, eine für sich selbst und eine für mich. Ich konnte mir von den letzen beiden eine aussuchen.

Die erste Gitarre war vorbestellt. Heinz hatte einen interessanten Mann (ich glaube aus Köln) kennengelernt, der bei Ihm eine besondere Gitarre bestellt hatte. Er hatte klare Vorstellung von der Form und den Hölzern der Gitarre. Diese Gitarre sollte dann in eine Wanderausstellung aufgenommen werden die auch in den USA ausgestellt werden sollte.

Zarge und Hals aus Ahorn, Decke aus Fichte, Griffbrett Ebenholz. Das Besondere war, alle Bauteile sollten aus Holz sein. Alle diese Hölzer waren in einer Spitzenqualität und aus seinem Lager aus dem Jahr 1956.
Der Steg und das Schlagbrett sollten aus grünem Ebenholz gefertigt werden. Dieses Material hatte der Kunde aus den USA eingeführt. So kam es, dass auch an meiner Gitarre diese Hölzer verbaut wurden.

Das Bildmaterial von Andreas zeigt diese besondere Gitarre für die Wanderausstellung

1998 – „D´Aquisto Stilelemente“

Nicht nur die Gitarre von Andreas Haake hat diese D´Aquisto Ausstattung bekommen. Zeitgleich arbeitete er 1998 an einer ganz besonderen Restauration. Ein Gitarre seines Vaters Kurt sollte restauriert und umgebaut werden. Wie man auf dem Bild rechts sieht, ist der Saitenhalter nur leicht verändert. Er wurde ohne die beiden kleinen Fenster gearbeitet. Das neue Schlagbrett hat er so ausgeschnitten, dass man das untere f-Loch vollständig sehen kann.

Diese ist übrigens eine ganz alte Idee aus dem Vogtland.
Bei ganz alten Schlaggitarren kann man so etwas sehen.

Eine äußert rares Sammlerstück mit einer schönen Geschichte!

Nachdem ich Andreas Haake die Bilder dieser alten 3 Loch Seifert zeigte, fiel ihm noch eine weitere Begebenheit ein:

In diesem alten Kurt Seifert Stil baute er noch ein ganz neues Modell. Das interessanteste an dieser Gitarre war eine Kopfplatte in der Form eines Geigenkopfs und sie hatte einen sehr vollen akustischen Ton. Leider gibt es davon kein Foto! Andreas erinnert sich, dass er mit der Gitarre nebenan zu Eberhard Kreul ging um sie diesem zu zeigen. Kreul war vom Klang und der handwerklichen Ausführung total begeistert, hatte sich aber auch über den Geigenkopf gewundert.
Und zum Schluss „Die Unvollendete Seifert“

Eigentlich sollten die Gitarren 1998 die letzten sein die Heinz Seifert bauen wollte, aber ich habe einen weiteren Kunden von ihm kennengelernt, der bei ihm 2001 eine Gitarre in Auftrag gegeben hat und sich erinnert, dass Seifert zu diesem Zeitpunkt zwei weitere Gitarren fertiggestellt hatte, eine rote und eine blonde. Eigentlich wollte er keinen Auftrag mehr annehmen, aber schließlich tat er es dann doch.

Diese sollte sein letzter Auftrag sein denn über den Bau der Gitarre verstarb er leider. Der Auftraggeber bekam den fast fertigen Korpus und den Hals. Mit diesen Teilen ging er zu dem Berliner Gitarrenbauer
Frank Deimel (Deimel Guitarworks). Dieser hat die Gitarre nach Kundenwunsch weiter gebaut.

Auf besonderen Wunsch hat Seifert einen etwas kleineren Korpus gefertigt. Das schöne Holzbinding (Mahagoni und Ebenholz) war schon fertiggestellt und die F-Löcher gestochen.

Frank Deimel wollte den Hals mit einer klassischer Schwalbenschwanz Verbindung befestigen aber der fertige Hals war dafür nicht zu verwenden. Deshalb fertigte Deimel einen zweiten Hals im gleichen Stil an. Das Logo ist übrigens ein Original, da Deimel für Seifert schon früher solch ein Logo ausgesägt hatte. Die gesamten Perlmuttintarsien, der Saitenhalter und das Ebenholzschlagbrett stammen von Frank Deimel. Die aufwendigen Perlmuttintarsien entstanden auf Wunsch des Kunden. Der Tonabnehmer stammt von Harry Häussel. Die Gitarre wurde am 03.09.2005 fertiggestellt.

Bilder vom originalen Hals

Danksagung und Quellen

Herzlichen Dank für Eure Erzählungen und das Bildmaterial! Danke an Andreas Haake, Hannes Schweickhardt, Michael G. Stewart www.michaelgstewart.com, Andreas Behringer, Frank Deimel, Herbert Rittinger, Matthias Kunath von der Band "Regent", Norbert Schnepel MK Dorsten, Dieter aus Sachsen, DMa, Paco Jimenez Permuy, André Ponath von www.vintageaudioberlin.de, Ralf Winter, Steve Nagel, www.voxguitars.net, Konrad von Brück, www.lordbizarre.com, Stephan Mühl, Olaf Kleinhempel, Stephan Sueß, Sören Marotz und den anonymen Freunden!

Meine besondere Empfehlung: Ostmusik von Peter Günther

Eine sehr informative Seite über Ostdeusche Musik und Ihre Musiker.
Absolut sehenswert!
 

Max Zimmer

von Paco Jimenez Permuy & Stefan Lob

Kurzes Vorwort

Ich freue mich sehr, dass ich meinen spanischen Gitarrenkollegen Paco Jimenez Permuy für diesen Artikel gewinnen konnte. Er hat ein sehr profundes Wissen über das Thema „deutscher Gitarrenbau“. In zahlreichen E-Mails hat er mir seine Ideen und Theorien näher gebracht. Besonders beim Thema „Max Zimmer, in Verbindung mit der Star Serie, der Musima, der Migma und Meinel & Herold“ gibt es mehr Theorien als gesicherte Fakten. In diesem Artikel versuchen wir gemeinsam, Licht ins Dunkel zu bringen.

Max Zimmer

Zimmer ist ein relativ häufiger Name im Vogtland und es war nicht einfach an seine Daten zu gelangen. Mit Hilfe des Musikinstrumentenmuseums und der Kirchengemeinde Markneukirchen ist dies jedoch gelungen. Max Arno Zimmer wurde am 08.12.1901 in Markneukirchen geboren. Er war gelernter Lautenmacher und anhand einer MIGMA Mitgliederliste von 1958 und den uns bekannten, unterschriebenen Migma Zetteln, geht klar hervor, dass er seine Instrumente über die MIGMA vertrieb. Am 12. Mai 1977 (10:00 Uhr) ist er in Markneukirchen verstorben.

Es gibt noch einen weiteren Gitarrenbauer mit dem Namen Max Zimmer. Dieser wurde am 29.03.1874 in Großzöbern im Vogtland geboren und hatte den Zweitnamen Albin. Er lernte bei seinem Bruder Otto Zimmer, Zithern- Lauten- und Geigenmacher und arbeitete später bei Johann Haslwanter in München sowie in Worms und in der Schweiz. Mit August Strohmer arbeitete er bei August Schulz in Nürnberg. Seit 1898 war er in Roßbach (Niederbayern) selbständig und ging 1906 nach Nürnberg. In Nürnberg begann er den Lauten-und Geigenbau und erwarb durch saubere Arbeit und Klangschönheit seiner Instrumente sehr bald große Anerkennung. In seinem Zettel ist der Zusatz Nürnberg vermerkt „Max Zimmer Nürnberg“ und er verwendete ein Brandzeichen mit den Initialen „M.Z.N“. Wir gehen davon aus, dass es keine verwandtschaftliche Beziehung zu unserem Max Zimmer aus Markneukirchen gab.

Zu den Gitarren

Frühes Modell

Hier eine frühe Nachkriegsschlaggitarre mit flachem Boden und Decke. Neben den breiten f-Löchern gibt es ein drittes Mittelschallloch mit einer schön, verzierten Rosette. Die Kopfplatte ist mit unterschiedlichen Furnieren, V-förmig belegt und im Griffbrett befinden sich acht dreiteilige Perloideinlagen, aufgeteilt in eine breite Mitteleinlage und zwei Stricheinlagen. Der Hals mit dem schmalen Halsfuß ist eingeleimt.

© www.vintageaudioberlin.de

Modell im Roger-Stil

Typisch für die Zeit sind die Gitarren im Roger-Stil. Im Vogtland haben viele Gitarrenbauer diese Stilrichtung übernommen. Die f-Löcher werden länger und schlanker. Der Halsfuß bekommt eine große, eckige Form und der Hals ist jetzt geschraubt. Die fehlende oder schwache Riegelung des Ahornbodens wird durch eine spezielle Lackierung, die man auch bei vielen anderen Gitarren aus dem Vogtland findet, kaschiert

© Norbert Klute

Die Form ändert sich

Um das Jahr 1960 ändert Zimmer sein Design radikal. Vielleicht wurde er durch das „Sondermodell“ der Musima Record inspiriert und ging völlig neue Wege. Wie beim „Sondermodell“ der Record formte er die Zarge asymmetrisch und auf der Diskantseite bekam sie eine „Cello-artige“ Ausbuchtung. Die Schalllöcher stach er in einer ganz eigenen Form. Da man die unterschiedlichen Schallloch- Formen durch Metaphern wie Katzenaugen, Tropfenform oder Kometen-Schweif beschreibt würde ich diese als „Peperoni-Schalllöcher“ bezeichnen.

Vom „Sondermodell“ der Record gab es auch ein Modell mit solchen „Peperoni-Schalllöchern“ jedoch um 180° gewendet. Dies kann man in meinem Musima Bericht bei den Bildern der Band „Polars“ sehen (Link setzen).

Gleicher Korpus, andere Kopfplatte

Diese Gitarre hat eine andere Kopfplatte die sehr an die Musima „Paddelform“ Kopfplatte erinnert.

Paco Jimenez Permuy

Paco lebt in Spanien und ist sehr am Gitarrenbau interessiert. Eines seiner Lieblingsthemen sind die deutschen Gitarren, besonders die Ost-Deutschen. Er ist ein bekennender MUSIMA-Fan und mit seinem Nickname „Snap“ ist er eine treibende Kraft im „European Guitars Forum“. Dieses Forum sehe ich als eine Bereicherung zu meiner Webseite. Bei den vielen Beiträgen die ich alleine schreibe, versuche ich, das Wesentliche in komprimierter Form, allgemeinverständlich zu dokumentieren. Im European Guitar Forum geht es sehr oft in die Tiefe und es werden Details so lange diskutiert, bis auch die letzten Fragen geklärt scheinen. Pacos Frau, Ainara LeGardon, ist auch Musikerin und Gitarristin. Auf Ihrer Webseite mit super Videos gibt es Infos über sie. Paco betreibt auch eine Heimwerkstatt in der er seine „Lieblinge“ restauriert. Ich bin froh, dass wir es endlich einmal geschafft haben, einen Artikel gemeinsam zu schreiben. Danke Paco für alle Deine Anregungen und Kommentare.

Quellen
4 Lindberg Kataloge
Bilder von mehr als 200 Gitarren
55 Bilder von datierten Instrumenten
Untersuchung von mehr als 30 Instrumenten

Danksagung:

Vielen Dank an Stephen Candib, Simon Deobald, Frankpaush, Johann Frisch, Rolf Gückel, Kim Jensen, Herbert Rittinger, Ol'Fret , Snap, Wietse und viele andere Teilnehmer des "Euroguitars Forums" und viele eBayer weltweit, die mir Bilder und anderes Material zur Verfügung stellten.

Danksagung von Stefan Lob

Vielen Dank an Kield "Lacquercracks" für diese sensationelle Bestimmungshilfe, Herrn Martin Haberfellner für die vielen Informationen, Herbert Rittinger der mich als erster auf Rod. Hoyer Gitarren aufmerksam machte und durch ein Aufkleber in einer seiner Gitarren auch den Herkunftsort nennen konnte. Durch diese Informationen war es mir erst möglich weiter zu forschen. Natürlich auch Dank an die zahlreichen Leser und Freunde, die dieses Projekt unterstüzten.

Kield "Lacquercracks" und Stefan Lob für "www.schlaggitarren.de" im Dezember 2009

Willy Wolfrum

Artikel von Stefan Lob

Der Gitarrenmacher Willy*Johannes Wolfrum stammt aus Plauen/Dröda im Vogtland.
Er wurde am 6 Juli 1899 in Dröda, Kreis Oelsnitz (Vogtland), als Sohn des Gitarrenmachers Ernst Wolfrum, geboren.

Willy Wolfrum absolviert von 1914-1917 seine Lehre als Gitarren-, Lauten- und Mandolinenmacher bei Ernst Wilhelm Kunze in Markneukirchen (Mandolinenmacher). 1921 macht er in Markneukirchen seine Gesellenprüfung. Vom 15.07.1919 bis 1923 arbeitet er als Geselle bei seinem Vater Ernst in Dröda. Von Januar bis Oktober 1924 ist er als Gitarrenmacher in Nürnberg bei August Schulz beschäftigt. Zwischenzeitlich legt er, am 2 Februar 1924, seine Meisterprüfung im Mandolinenmacher-Handwerk in der Musikinstrumentenfachschule Markneukirchen ab. Von 1925 bis 1939 betrieb er in der Taltitzer Straße 41 in Oberweischlitz (Vogtland) eine Meisterwerkstätte für Gitarrenbau. Vom 26.08.1939 bis 30.08.1940 leistet er seinen Wehrdienst ab.
Willy Wolfrum zog am 01.07.1948 mit seiner Frau Lotte sowie den beiden Töchtern Rosemarie und Edith nach Wiedersberg (10km von Dröda entfernt) Kreis Oelsnitz/Vogtland, wo er, zusammen mit einem Lehrling, eine kleine „Zupfinstrumentenmacherei“ betreibt. Ab 1954 ist er als Gitarrenbauer mit einer eigenen Werkstatt in der Fritz-Reuter-Straße 1 in Plauen (Vogtland). Willy Wolfrum ist am 2. Oktober 1964 in Plauen verstorben.

Zu den Gitarren

Willy Wolfrum stellte bis Kriegsende typisch vogtländische Zupfinstrumente her. 1946/1947 besuchte ihn der Gitarrist Thomas Buhé. Er hatte ein besonderes Anliegen. Für seine neuformierte Tanzkapelle „die schwarzen Spatzen“ wollte er sich von Wolfrum eine schwarze Schlaggitarre bauen lassen, passend zur Bühnenkleidung, in schwarz/weiß.

© Thomas Buhé

Decke und Boden besaßen noch keine Wölbung, aber es gab ein rundes Schallloch am Halsansatz. Da Wolfrum seine Gitarren zu dieser Zeit mit traditionellen Querbalken ausstattete und diese genau durch das Schalloch hindurch zu sehen waren, färbte er diese schwarz. Seine späteren Schlaggitarren mit gewölbter Decke und Boden hatten ebenfalls eine Querverbalkung die durch die tropfenförmigen Schallöcher sichtbar war. Die schwarze Einfärbung sollte sie weniger auffällig machen.

Warum eine Querverbalkung?

Ich denke, es hat mit seiner Ausbildung als Mandolinenmacher zu tun. Eine traditionelle Bebalkung einer Mandoline besteht aus 3 Boden- und 3 Deckenleisten. Dieses ist notwendig, da die kleinen zierlichen Instrumente, mit 8 (oder mehr) Saiten, einer enormen Zugkraft stand halten müssen. Da Wolfrum ein Neuling auf dem Gebiet des Schlaggitarenbaus war, versuchte er sein Wissen als Mandolinenmacher auf seine ersten Schlaggitarren zu übertragen.
In meiner Sammlung befindet sich sehr schönes Modell mit einer Farbverlauflackierung von braun nach schwarz. Der OTWIN Tonabnehmer wurde später angebracht. Diese Gitarren mit der extrem starken Bebalkung haben einen trockenen und sehr eigenen Klang. Es sind mehr Sammlerstücke als Spielerinstrumente

Hier eine schwarze Wolfrum aus der Sammlung von Ralf Winter. Auch ein altes Modell mit Querverbalkung.

Wolfrum lernte schnell und bald schon entstanden die ersten Modelle mit einer parallelen Längs-Verbalkung unter der Decke. Neben der extravaganten und sehr schönen Optik kam jetzt auch ein hervorragender Klang dazu.

WOLFRUM und Meinl&Herold

Seine Schlaggitarren wurden nicht nur unter dem Namen „WOLFRUM“ verkauft. Der Großhändler Meinel&Herold aus Klingenthal hatte auch Wolfrum Gitarren im Programm. Bestückt mit einem Tonabnehmer wurden diese unter dem Namen „Combo“ angeboten. Das Modell „Fakir“ hingegen besaß zwei Tonabnehmer, eine Trickschaltung und ein Ebenholzgriffbrett, während das exklusivste Modell „Venus“ darüber hinaus über ein Mischpult verfügte. Seine Gitarren gehörten damals schon zu den sehr hochpreisigen Modellen.

Ausgestattet waren diese Modelle mit späten RELLOG (Willy Goller) Tonabnehmern. Bei der Version mit 2 Tonabnehmern konnte man diese über eine Bodenschiene verschieben.

Bei Wolfrum Gitarren fällt zuerst die enorme Korpusgröße ins Auge

Ich glaube nicht, dass Wolfrum mit einer Zargenform gearbeitet hat. Deshalb haben sein Gitarren große Schwankungen in der Korpusgröße und der Zargenhöhe. Die mir bekannten Modelle habe alle andere Maße wobei ich drei Kategorien erkennen kann. Es gab ein kleines, ein mittleres und ein großes Modell. Aber auch innerhalb dieser Einstufung gibt es Abweichungen. „Klein“ muss hier relativ gesehen werden, da das kleinste Modell schon enorme Ausmaße für eine vogtländische Schlaggitarre hat. Die Zargenhöhe ist auch größer als im Vogtland üblich und durch die extrem breiten Ziereinlagen bekommt die Gitarre ein wuchtiges Aussehen.

Um diese zu verdeutlichen habe ich eine kleine Tabelle aufgebaut.

Auf ein paar Daten warte ich noch. Über weitere WOLFRUM Gitarrenfotos und Bemaßungen würde ich mich sehr freuen.

Hier ein spätes WOLFRUM Modell
Für mich ist sie die „Super-400“ des Vogtlandes!

Wolfrum legte viel Wert auf optische Merkmale. Die Randeinfassungen/Zierstreifen sind meist mehrlagig, sehr breit und oft zweifarbig. Kopfplatten und Schlagbretter sind kunstvoll verziert und in verschiedenen, eigenständigen Ausformungen. Er verwendete gerne florale Motive. Besonders die Meinel&Herold Modelle hatten außergewöhnliche Verzierungen. Die mir bekannten Gitarren sind alle aus dem vollen Holz gearbeitet. Ein verspielter und kreativer Gitarrenbauer der einerseits variierte, aber nie seinen unverkennbaren Stil verlor.

Seine Gitarren wurden blond (ein besonderer wasserheller Schwedenlack),schwarz, rubinrot und mit Farbverlauf lackiert. Es gab sie als symmetrisches und asymmetrisches Modell.

Manchmal war der Name WOLFRUM im Saitenhalter oder in der Kopfplatte zu erkennen. Viele der Wolfrum Gitarren sind mit Meinel & Herold Logos und den typischen kleinen Meinel & Herold Firmenschildchen, auf der Rückseite der Kopfplatte, ausgestattet.

Wolfrum Gitarren haben meist tropfenförmige Schalllöcher, aber es gab auch ältere Modelle wie die SOLIST mit Schalllöchern in Katzenaugenform.

Bei den Mechaniken verwendete er meist Einzelmechaniken und nur ganz selten Bänder.
Die Form der Kopfplatten entwickelte sich von einer recht einfachen und klobigen Form zu einem schlanken, schwungvoll ausgeformten Kopfplattendesign. Die Form des Halsfußes änderte sich auch im Laufe der Jahre.

Für mich gehört Willy Wolfrum zu den besten Gitarrenbauern des Vogtlandes und er hätte weitaus mehr internationale Wertschätzung unter Sammlern verdient.

Quellen
4 Lindberg Kataloge
Bilder von mehr als 200 Gitarren
55 Bilder von datierten Instrumenten
Untersuchung von mehr als 30 Instrumenten

Danksagung:

Vielen Dank an Stephen Candib, Simon Deobald, Frankpaush, Johann Frisch, Rolf Gückel, Kim Jensen, Herbert Rittinger, Ol'Fret , Snap, Wietse und viele andere Teilnehmer des "Euroguitars Forums" und viele eBayer weltweit, die mir Bilder und anderes Material zur Verfügung stellten.

Danksagung von Stefan Lob

Vielen Dank an Kield "Lacquercracks" für diese sensationelle Bestimmungshilfe, Herrn Martin Haberfellner für die vielen Informationen, Herbert Rittinger der mich als erster auf Rod. Hoyer Gitarren aufmerksam machte und durch ein Aufkleber in einer seiner Gitarren auch den Herkunftsort nennen konnte. Durch diese Informationen war es mir erst möglich weiter zu forschen. Natürlich auch Dank an die zahlreichen Leser und Freunde, die dieses Projekt unterstüzten.

Kield "Lacquercracks" und Stefan Lob für "www.schlaggitarren.de" im Dezember 2009